Davis J.Harbord - Seewölfe - Piraten der Weltmeere 386

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Will Thorne behagte es so gar nicht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Darum steckte er etwas umständlich die gespleißten Augen oben und unten am Flaggenliek an die Flaggleine der Besanrute an und heißte dann die Flagge Hand über Hand vor. Alle Augen an Bord der «Isabella» verfolgten den Vorgang. Auch auf den anderen Schiffen des Bundes sowie in den Jollen, die für die Munitionierung sorgten, war man aufmerksam geworden. Das schwarze Tuch, noch hängend, glitt an der Flaggleine schräg nach oben bis zur Nock der Besanrute, wurde vom Wind wie spielerisch hin und her bewegt – und wehnte plötzlich in seiner ganzen Länge aus. Da sahen alle die Flagge mit dem Symbol, und niemand brauchte ihnen zu erklären, was sie bedeutete…

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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-794-5

Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de

Davis J. Harbord

Flagge der Freiheit

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Große Ereignisse werfen manchmal ihre Schatten voraus. Old Donegal Daniel O’Flynn ahnte noch nichts davon, obwohl er sonst stets ein feines Gespür für künftige Dinge hatte. Vielleicht ließ ihn dieses Mal das Gespür im Stich, weil ihn seine Gedanken „geschäftlich“ beanspruchten.

Er stand an der Pinne seiner dreimastigen und dennoch sehr kleinen, aber sehr schnellen und wendigen „Empress of Sea II.“, die bei handigem Wind aus Norden raumschots auf dem Kurs nach Tortuga lag.

Old Donegal war „geschäftlich“ unterwegs. Er mußte bei Diego, dem Wirt der „Schildkröte“ auf Tortuga, wieder einmal einkaufen. Die Kerls auf der Schlangen-Insel hatten einen unheimlichen Zug am Leibe, und die Fässer in „Old Donegals Rutsche“ waren nahezu leer gelenzt – ein unhaltbarer Zustand, zumal die Taufe des Pärchens von Gotlinde und Thorfin Njal sowie von Gunnhild und Smokys Söhnchen bevorstand. Das sollte ein rauschendes Fest werden, aber mit vollen Fässern!

Und darum war Old Donegal am Rechnen und Kalkulieren. Aber er sann auch über Tricks nach, den dicken Diego, den er für ein ausgekochtes Schlitzohr hielt, ein bißchen zu beschummeln. Hätte ihn jemand gleichfalls ein ausgekochtes Schlitzohr genannt, wäre er sehr empört gewesen. Wer dabei war, wenn diese beiden Schlitzohren wucherten und feilschten, den konnte das große Grausen packen.

Edwin Carberry, der Profos der „Isabella“, hatte das beim ersten großen Einkauf auf Tortuga erlebt – damals, als Old Donegal auch seine Mary Snugglemouse auf die Schlangen-Insel „heimgeführt“ hatte. Carberry war dieses Mal übrigens wieder mit an Bord. Das hatte seine besondere Bewandtnis. Denn das Inselvölkchen brachte den Vater Smoky und den Vater Thorfin zur Raserei, nämlich mit Namensvorschlägen. Vor allem Carberrys Phantasie war darin unerschöpflich.

Er hatte vor zwei Tagen dem Wikinger vorgeschlagen, das Töchterchen Helmgunde und das Söhnchen Helmfried zu nennen – eine Anspielung auf den helmtragenden Nordmann. Seitdem mußte der Profos dem Wikinger aus dem Weg gehen. Mein lieber Mann! Der war explodiert. Es hätte einen Mord gegeben, wenn der Wikinger nicht durch seine Krücken behindert gewesen wäre. Sein „Messerchen“ hatte er nicht ziehen können, dafür aber dem flüchtenden Carberry noch eine Krücke ins Kreuz schmeißen können.

Darum also war Carberry jetzt mit an Bord der „Empress“. Der Klügere gibt nach, hatte er mit einem Grinsen zu Old Donegal gesagt. Old Donegal hatte zurückgegrinst. Dieses Ungeheuer von Profos war so gar nicht der Typ, als Klügerer nachzugeben. Vor dem Wikinger hatte er nur Reißaus genommen, weil der mit seinem gebrochenen linken Fußknöchel gehbehindert und demzufolge „locker“ umzustoßen war. Und Old Donegal hegte den Verdacht, daß sich Carberry auf der „Empress“ nur eingeschifft hatte, um bei Diego in der „Schildkröte“ mal wieder auf die Pauke hauen zu können, kurz, es gelüstete ihn danach, ein bißchen Radau zu schlagen. Für Carberry war die „Schildkröte“ ein Ersatz für die „Bloody Mary“ des dicken Plymson in Plymouth.

Dessenungeachtet war der Narbenmann mit dem Rammkinn natürlich ein prächtiger Zuwachs an Bord der „Empress“. Mit Carberry konnte man zur Hölle und zurück segeln.

Noch an Bord befanden sich Martin Correa, Bootsmann und Lotse der „Empress“, Batuti, Stenmark, Al Conroy, Hasard und Philip junior sowie Plymmie, die Wolfshündin.

Es war der 15. Mai 1594. Es ging auf den Abend zu, und Tortuga, die Insel mit dem Schildkrötenbuckel, mußte bald gesichtet werden.

Die großen Ereignisse kündigten sich durch einen plötzlich einsetzenden Donner an, der über die See rollte und die kleine Crew aufhorchen ließ.

Al Conroy, der Stück- und Waffenmeister der „Isabella“, sagte lakonisch: „Klingt nach mehreren Breitseiten!“

„Das ist ’n Gewitter“, sagte Carberry und massierte sein Rammkinn.

„Kein Gewitter“, sagte Al Conroy.

„Doch.“

„Nein.“ Al Conroy wandte den Kopf zu Carberry und funkelte ihn aus seinen braunen Augen an. Etwas wütend fügte er hinzu: „Die Dinger, die man bei dir nur mit Mühe als Ohren bezeichnen kann, scheinen offenbar verspakt oder mit Miesmuscheln verstopft zu sein, Mister Carberry.“

„Die hab ich aber erst letzte Woche gründlich saubergepolkt“, sagte Carberry ungerührt. „Miesmuscheln war’n nicht dabei, Mister Conroy. Das kann ich beschwören.“

Al Conroy rümpfte die Nase. „Gewitter pflegen sich üblicherweise durch dunkle Haufenwolken anzukündigen. Ich sehe keine, Mister Carberry.“

„Da hat Al recht, Ed“, sagte jetzt Old Donegal. Er spähte voraus, und sein verwittertes Granitgesicht drückte Besorgnis aus – kein Wunder, der Donner rollte aus Richtung Tortuga heran und konnte nichts Gutes bedeuten.

„Kann mir mal jemand verraten“, sagte Carberry, „wer da vorn um diese Zeit herumballern sollte?“

„Dons“, sagte Batuti, der Herkules aus Gambia. „Oder Schnapphähne.“

„Also gut, Dons oder Schnapphähne.“ Carberry grinste wild. „Einer ist mir so lieb wie der andere.“ Und sogleich war er voller Tatendrang. „Schiffchen klar zum Gefecht, Old Donegal?“

„Ich möchte erst mal wissen, was da los ist“, erwiderte der Alte.

Eine Viertelstunde später wußten sie es. Vor der Einfahrt in die Hafenbucht von Tortuga lagen acht spanische Kriegsgaleonen und jagten ihre Breitseiten in die Häuser und Hütten am Hafen. Da war allerlei los. Was aus Holz gebaut war, brannte bereits. Wie sich erkennen ließ, wurden auch Boote ausgesetzt. In Feuerlee der Kriegsgaleonen, also der See zugewandt, enterten Seesoldaten in die Jollen ab.

„Feines Gewitter“, sagte Al Conroy anzüglich und warf dem Profos einen schrägen Blick zu.

Der reagierte nicht. Der stand nur da, etwas geduckt, die Pranken in die Hüften gestützt, und er hatte die Augen zusammengekniffen, während er auf das Aufblitzen der Kanonen spähte.

An der Pinne tobte Old Donegal los.

„Sind die wahnsinnig geworden? Schießen Tortuga zusammen, diese Olivenfresser! Diese öligen Bastarde! Und was mach ich?“ Er schüttelte die rechte Faust. „Ich will bei Diego einkaufen, verdammt noch mal! Die vermasseln mir den Einkauf, diese dämlichen Don-Idioten! Die sollen abhauen, diese Wüstlinge …“

„Wir sollten an der Grenze der Sichtweite bleiben“, unterbrach ihn Martin Correa vorsichtig und mahnend.

„Wie? Ach so!“ Old Donegal straffte sich. „Klar zum Halsen. Ich geh um die verdammte Insel rum und lauf sie von Osten an.“

„Und dann?“ fragte Al Conroy.

„Weiß ich noch nicht“, knurrte Old Donegal gereizt.

Sie halsten. Die „Empress“ wandte ihren Bug ostwärts und segelte an der Nordküste von Tortuga entlang, begleitet von dem wummernden Donner der acht spanischen Kriegsgaleonen.

Wie es aussah, erschien es mehr als fraglich, ob Old Donegal bei Diego würde einkaufen können. Old Donegal kochte vor Wut. In einem solchen Zustand konnte er gefährlich wie eine Klapperschlange werden.

Der Mann, der den Flottenverband der acht Kriegsgaleonen führte, bekleidete den Rang eines Generalkapitäns und hieß Don Alonso de López y Marqués.

Im November des vergangenen Jahres hatte er einen ähnlichen Verband gegen die französisch-englische Siedlung El Triunfo an der Ostküste von Honduras geführt, sie zusammenschießen und einen großen Teil der Siedler gnadenlos massakrieren lassen. Spanien, das die unumschränkte Herrschaft in der Neuen Welt für sich beanspruchte, duldete nicht, daß sich Menschen anderer europäischer Länder in diesem Bereich ansiedelten.

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