Hasard legte ihm die Hand auf die Schulter. „Iß langsam. Du weißt, wie gefährlich es sein kann, alles hastig herunterzuwürgen, wenn man lange nichts zwischen den Zähnen gehabt hat.“
Von Hutten nickte, erwiderte nichts, kaute weiter. Er hielt sich aber an den Rat des Seewolfes. Auch Hasard und seine Männer verspürten ein unangenehmes Knurren in den Mägen. Es war schon einige Zeit her, seit sie das letzte Mal Nahrung gefaßt hatten. Voll Genuß widmeten sie sich den Köstlichkeiten, die die Kombüse bot. Der Wein war tief rot, jedoch nicht besonders schwer, er rann leicht die Kehlen herunter. Sicherlich hatten die Spanier von der „Valparaiso“ die Vorräte erst vor kurzem aufgenommen, und ganz bestimmt waren die Lieferanten irgendwelche Indianer, die unter dem Druck der Dons auch noch ihr letztes Huhn hergeben mußten und dann am Hungertuch nagen durften.
Blacky war als erster fertig. Hasard schickte ihn als Wachposten nach oben. Etwas später mußten sich Pete Ballie und Matt Davies in den Kammern des Achterkastells umtun und nach frischer Kleidung für Karl von Hutten suchen. Von Hutten lehnte sich zurück, stieß einen zufriedenen, satten Laut aus und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. „Teufel auch, war das gut. Ich lebe auf.“ Er reckte sich, daß die Armknochen knackten, nahm seinen Wasserkrug zur Hand und entleerte einen Schub Flüssigkeit über seinem Gesicht. Mit behäbigen Gesten massierte er seine Haut.
Dan O’Flynn beobachtete ihn und kratzte sich dabei am Hinterkopf. „He, Karl!“
Von Hutten hob den nassen Kopf. Er verstand auch die englische Sprache recht gut, nur beim Reden bediente er sich ausschließlich des Spanischen. „Che pasa? Was ist los?“
„Drüben neben dem Kochkessel steht eine Pütz voll Wasser. Wenn du so aufs Waschen versessen bist, warum gehst du nicht hin und steckst deinen Schädel rein?“
„Das ist eine Idee!“ Karl erhob sich, ging zu der Pütz und tauchte sein bärtiges Haupt hinein, daß die Flüssigkeit überschwappte. Batuti klatschte grinsend in die Hände, die Männer johlten Beifall. Karl richtete sich wieder auf, trocknete sich ab und setzte sich neben den Seewolf.
„Ich fühle mich wie neugeboren. Hör zu, ich glaube, es wird Zeit, daß ich einiges über die Besatzung dieses verdammten Schiffes berichte.“
„Ich bin ganz Ohr“, entgegnete Hasard.
Pete Ballie und Matt Davies kehrten in die Kombüse zurück. Sie hatten ein paar einfache Kleidungsstükke aufgetrieben. Sofort entledigte sich Karl der Fetzen, die er noch auf dem Leib trug. Er stieg in die neue Hose und streifte sich das saubere Hemd über. Die Sachen waren ihm etwas zu groß, aber das spielte keine Rolle.
„Sehe ich jetzt aus wie ein Don?“
„Ja“, gab Stenmark zurück. „Himmel, Arsch und Zwirn.“
Karl von Hutten nahm wieder Platz, wurde mit einem Mal sehr ernst. „Also, paßt auf. Die ‚Valparaiso‘ hat mit einem klaren Auftrag diese Bucht angesteuert – oder besser, mit einem Doppelauftrag. Ihr habt die Pulverfässer im Frachtraum gesehen. Sie sollen an verschiedenen Küstenorten abgeladen werden. Das habe ich mitgekriegt, als die Dons mich auf diesen Kahn geschleppt haben. Ich habe auch in der Piek die Ohren gespitzt und ein paar andere Kleinigkeiten aufgeschnappt, wenn ich mal Besuch kriegte: Das Pulver dient zum Sprengen von Stollen in den verschiedenen Silberbergwerken bis hinauf nach Lima.“
„Das ist starker Tobak“, sagte Hasard. „Und wieso hat die Besatzung die Galeone verlassen?“
„Ganz einfach, weil in der Bucht die ersten Fässer entladen worden sind. Habt ihr nicht das Beiboot am Landesteg gesehen?“
„Ja. Damit sind die Dons an Land, nachdem sie zwei Bordwachen zurückgelassen hatten.“
„Richtig. Mit ihnen sind dreißig Soldaten unterwegs.“
„Soldaten?“
Karl nickte. „Die sind für den anderen Auftrag eingeteilt. Es sollen hübsche junge Indianerinnen gefangengenommen werden. Sie werden an Bord geschafft und dann nach Lima gebracht.“
Alle Männer hoben jetzt die Köpfe. Richard Minivy hatte einen eigentümlichen Blick. „Indianerinnen“, wiederholte er und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Was er dachte, ließ sich unschwer erraten.
„Jetzt erklär’ mir mal, was die Indianermädchen in Liman sollen“, sagte der Seewolf. „Ich bin vielleicht ein bißchen schwer von Begriff, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, welchen Zweck so ein Unternehmen haben sollte.“
Von Huttens Gesicht verzog sich zu einer erbitterten Grimasse. „Denk mal scharf nach. Kannst du dir die gierigen, lüsternen Blicke des spanischen Vizekönigs und seiner Höflinge in Lima ausmalen, wenn die halbnackten, verstörten Mädchen in den Palast geführt werden? Diese Bastarde wissen doch nicht mehr, womit sie die Zeit totschlagen sollen, die sie müßig verbringen.“
„Die Mädchen sollen ihnen zur Kurzweil dienen?“ fragte Hasard.
„Ja.“
„O verflucht!“
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