Lehner hatte ein wasserdichtes Alibi, da er mit seinem besten Freund, einem Motocross-Fahrer, am Sonntag bei einem Rennen und erst um Mitternacht heimgekommen war. Als gelernter Mechaniker fuhr er in den Sommermonaten von Rennen zu Rennen, da es immer was zu reparieren gab. Mindestens vier Personen würden dies bestätigen, alle in der Motocross-Szene kannten ihn. Außerdem besaß er weder eine Schrotflinte noch eine andere Schusswaffe.
Die Aussage wurde zu Protokoll genommen. Der Ordnung halber nahm man seine Fingerabdrücke und wies ihn an, den Ort vorläufig nicht zu verlassen. Lehner sprang hurtig von seinem Stuhl auf und verließ mit raketenartiger Geschwindigkeit das Dienstzimmer. Ebert und seine Kollegen waren sich so gut wie sicher, dass Lehner trotz seiner widerwärtigen Natur als Täter nicht infrage kam. Kaum war Lehner verschwunden, brachen Walter und Raffl auf, um Hinterholzer zu holen. Nach einer Stunde kehrten die beiden zurück, da Hinterholzer nicht auffindbar war. Weder die Mitbewohner des Wohnblocks noch sonst irgendwer aus seinem Bekanntenkreis hatte Hinterholzer in den letzten Tagen gesehen. Dieser Umstand war jedoch nicht verwunderlich, war dieser doch Fernfahrer und meist von Montagfrüh bis Freitagabend im Ausland unterwegs. Ein Anruf beim Spediteur ergab, dass er tatsächlich am Montag um vier Uhr früh nach Le Havre abgefahren war, um dort im Hafen Maschinenteile abzuladen und nicht vor Freitagabend zurückerwartet wurde.
»Das gibt ihm noch lange kein Alibi«, brummte Ebert, »denn wie wir wissen, ist die Tat bereits am frühen Sonntagabend geschehen, er hätte alle Zeit der Welt gehabt, die Tat zu begehen, den Leichnam zu verstecken und die Spuren zu verwischen. Für mich ist er der Hauptverdächtige, hat dem Förster Rache geschworen und ist auch im Besitz einer Schrotflinte!« Ebert fuchtelte mit dem Akt herum, den Raffl aus dem Archiv herausgefischt hatte. »Wenn er am Freitag wieder zurückkommt, dann greifen wir ihn uns!«
Nun war auch der Befund aus der Gerichtsmedizin eingetroffen. Wie erwartet war der Förster am Sonntag zwischen 17 und 19 Uhr mit einer Schrotflinte erschossen worden. Außer den blauen Druckstellen an seinen Handgelenken und etlichen Abschürfungen an den Oberarmen wies er keinerlei Verletzungen auf. Weder unter den Fingernägeln noch sonst wo am Körper fand man Spuren von Haut oder Gewebefasern. Der Mörder hatte sich von hinten angeschlichen, war vom Förster erst im letzten Moment gehört worden. Als dieser sich umdrehte, trafen ihn zwei Schüsse in Unterleib und Brust, eine gewaltige Ladung, er musste innerhalb kurzer Zeit verblutet sein. Es sei anzunehmen, so hieß es weiter, dass der Fundort nicht mit dem Tatort identisch sei und der Tote über eine längere Strecke über den Waldboden gezerrt worden sei, da sich in seinen Haaren Fichtennadeln, kleine Lehmbrocken und einige Samen von Ahorn befunden hätten. Am Körper des Opfers selbst wurden keine Fingerabdrücke gefunden, der Täter hatte Handschuhe getragen.
Ebert und Walter studierten mit einer Lupe die Bilder, die im Umkreis des Nonnenlochs geschossen worden waren. Und tatsächlich, oberhalb des Steilabfalls zum Bach war ein kräftiger Ahornbaum neben dem Fahrweg zu sehen. Zwei Meter neben dem Ahorn hatte man die Reifenspuren neben den Wasserlacken entdeckt. Ebert war euphorisch, sprach von einem Durchbruch, wollte die Szene nachstellen. Sie fuhren zum Schauplatz des Geschehens.
»Kollege Raffl, komm her, du spielst den Oberförster und ich den Mörder! Stell dir vor, du hättest verdächtige Reifenspuren entdeckt, die an dieser Stelle absolut nicht zu suchen haben. Du bleibst stehen und siehst dir das Profil an!« Raffl tat wie geheißen. »Ich bin dir gefolgt und schleiche leise hinter dir her. In dem Moment, in dem du stehen bleibst, um die Spuren zu untersuchen, rede ich dich an. Als du dich umdrehst, schieße ich, du hast keine Chance, bevor du auf dem Boden landest, bist du schon so gut wie tot! Leg dich bitte nieder! Du bist ein großer Mann und circa hundert Kilo schwer. Ich zieh mir jetzt die Handschuhe an, denn ich will ja keine Fingerabdrücke hinterlassen. Jetzt lass dich einmal aufheben!« Ebert ging auf die Knie und bemühte sich, Raffl aufzuheben, allein er konnte es nicht. Ebert aber war noch nicht fertig mit seiner Rekonstruktion. »Nehmen wir an, dass für den Mörder die Leiche ebenfalls zu schwer war. Also nahm er sie bei den Handgelenken und zerrte sie den Steilhang hinunter bis zum Nonnenloch. Erstens ging es so leichter, zweitens vermied er es dadurch, seine Kleidung mit Blut zu besudeln. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er war ortsbekannt und wusste über die Felsenspalte Bescheid. Oder er war vorher schon dort gewesen und hatte die Gegend ausgekundschaftet. Die Felsspalte bot sich geradezu als ideales Versteck an. Dann hat er den schweren und leblosen Körper mit aller Gewalt auf die Felskante hinaufgezogen und in die Spalte fallen lassen. Zu guter Letzt deckte er sein Opfer mit Zweigen und altem Laub in der Hoffnung zu, dass man ihn dort nicht finden würde. So war es, da bin ich mir sicher. Dabei ist ihm auch der Knopf abgerissen. Seine Kleidung wird den einen oder anderen Blutspritzer abbekommen haben, doch wenn er schlau ist, hat er diese bereits unauffällig entsorgt. Ebenso das Handy des Försters, damit wir es nicht orten können. Wahrscheinlich liegt es am Grund eines Teiches. Das wäre der absolute Hammer, wenn wir es finden könnten, doch die Chance ist nicht allzu groß. Also heißt es, weiter suchen und auf Kommissar Zufall hoffen.«
Raffl stand wieder auf und nickte anerkennend. »Du hast sicher recht, so und nicht anders ist das passiert!« Raffls Interesse an dem Fall war zwiespältiger Natur. Einerseits tat ihm Susanne leid, für die er seit seiner Scheidung starke Gefühle empfand, andererseits war durch Sepps Tod der Platz an ihrer Seite frei geworden und wer weiß, welche Möglichkeiten sich dadurch für ihn ergaben.
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