Das alles war der sehr weitgehenden Isolierung in einem Nest des Sauerlandes geschuldet. Er versuchte seine Themen einzukreisen und bemühte sich, sie zusammenzuhalten. Anders als Akademiker, die sich auf die Diskussionen in ihrem Fach verlassen, war er darauf angewiesen, seinen Fragen ein Maximum an konkreter Evidenz mitzuteilen. Sie konnten nur als Fragen und Thesen Carl Schmitts, unverwechselbar mit anderem, in die Welt gehen. Er strebte für sich nach einer gewissen geistigen Schlüsselgewalt, die ein Gegengewicht für seine Angreifbarkeit bot.
Das Bild des Schlüssels paßt zur Physiognomie des clerc, und zweifellos hatte er etwas von einem französischen Weltgeistlichen. Seine verhängnisvolle deutsche Biographie macht seine französischen Wurzeln leicht vergessen. Carl Schmitts Mutter war Französin, er war mit ihrer Sprache aufgewachsen, er sprach und schrieb fließend Französisch, die stärksten Elemente seines geistigen Gepräges stammten aus Frankreich. Französisch war auch die Mischung aus Bäuerlichkeit – seine Vorfahren stammten aus den Weingegenden der Mosel – und Intellektualität, wie man sie beim französischen Geistlichen antreffen mag. Vor allem war es der Rationalismus der französischen Juristen des siebzehnten Jahrhunderts, der ihn geprägt hatte. Sein Leben lang hatte er entscheidende intellektuelle Impulse aus Frankreich aufgenommen.
Carl Schmitts Denkstil war lateinisch und französisch, er gehörte auch in seiner Lebensauffassung eher zur romanischen Welt. Es ist auffallend, daß die wenigen bedeutenden Köpfe seiner Generation, die in den Sog des Nationalsozialismus gerieten, alle eine starke Beziehung zu Frankreich hatten. Das ist der Fall bei Friedrich Sieburg, dem das Kunststück gelang, ein Buch über Frankreich und die Franzosen zu schreiben, in dem diese sich zweifellos wiedererkennen konnten – nicht zuletzt in der französischen Übersetzung des deutschen Titels »Gott in Frankreich?«, der lautete: »Dieu est-il français?« Kaum anders ist es bei Ernst Jünger, der in der französischen Literatur mehr zu Hause war als in der deutschen und der in Frankreich ein größeres Ansehen erlangte als in Deutschland. Trotz seiner Zugehörigkeit zur Besatzungsarmee rechneten die Franzosen ihn zu ihrer Literatur. Das ist zwar bei Gottfried Benn nie der Fall gewesen, vielleicht wegen seiner schon früh ausgeprägten germanischen Attitüde, aber auch Benn hatte eine französische Mutter und einen Heidenrespekt vor allem Romanischen. Schließlich kann man auch Heidegger nennen, der zwar keinen originären biographischen Zugang zu Frankreich hatte, aber von dem einzigartigen Echo, das seine Philosophie in Frankreich fand, gleichsam eingemeindet wurde.
Es mag sein, daß in allen diesen Fällen die französische Tradition der Staatlichkeit, die Staatsräson, auf die politischen Orientierungen dieser frankreichnahen Autoren sich ausgewirkt hat. Bei Carl Schmitt scheint dies der Fall gewesen zu sein. Denn in Frankreich hatte das Jus publicum Europaeum seine klassische Ausprägung erfahren. Damit war es zum idealen Bezugspunkt für alle Auseinandersetzung mit der modernen Staatlichkeit geworden. Die Bewunderung des Staats und die Feindschaft gegenüber Staat und Staatlichkeit liegen in der deutsch-französischen Herkunft Carl Schmitts nahe beieinander. Daraus ergeben sich besondere Einsichten wie Irrtümer.
Nach meinem Besuch in Plettenberg begann ich, von Carl Schmitt alles zu lesen, was ich erreichen konnte. Nach der Lektüre des Partisanenbuches bestellte ich den dort mehrfach zitierten Band der Gesammelten Werke Maos bei der Foreign Language Press in Peking. Es war wohl das erste Buch, das die Berliner Buchhandlung Marga Schoeller direkt aus Peking besorgte, ein paar Jahre bevor es Mode wurde, die Worte des Großen Vorsitzenden zu zitieren.
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