Der folgende Tumult aus Arztbesuchen, Konsultationen bei Experten und vorsichtigen Diagnosen kulminierte in einem Trip zur Cleveland Clinic. Meine Mutter und ich kamen gerade aus dem Büro eines anerkannten Neurologen und ich versuchte, die Etiketten auf den Behältern mit Tabletten, die ich in meiner Hand hielt, zu interpretieren. Für mich sahen sie wie Hieroglyphen aus.
Ich stand auf dem Parkplatz des Krankenhauses, starrte auf die Etiketten und formte die Medikamentennamen lautlos mit meinen Lippen. Ar-i-cept. Sin-e-met . Wofür waren sie? Die Medikamente in der einen Hand, unbegrenztes Datenvolumen in der anderen, wandte ich mich dem Digitalzeitalter-Äquivalent des Trostobjektes zu: Google. In 0,42 Sekunden präsentierte mir die Suchmaschine Ergebnisse, die mein Leben endgültig verändern würden.
„Information zu Aricept zur Behandlung von Alzheimer.“
Alzheimer? Niemand hatte etwas von Alzheimer gesagt. Ich wurde unruhig. Warum hatte der Neurologe das nicht erwähnt? Einen Moment lang hörte die Welt um mich herum auf zu existieren, und da war nur noch die Stimme in meinem Kopf.
Hat meine Mutter Alzheimer? Ist das nicht eine Erkrankung, die alte Menschen bekommen?
Wie kann es sein, dass sie in ihrem Alter Alzheimer hat?
Oma ist 94 Jahre alt und mit ihr ist alles in Ordnung.
Warum reagiert Mom so ruhig? Versteht sie überhaupt, was das bedeutet? Verstehe ich es?
Wie lange hat sie, vor … der nächsten Stufe?
Was ist die nächste Stufe?
Der Neurologe hatte „Parkinson Plus“ erwähnt. Plus was? „Plus“ hatte sich nach einem Bonus angehört. Wenn man Economy Plus fliegt, bedeutet das mehr Beinfreiheit – in der Regel also etwas Gutes. Pert Plus ist Shampoo plus Conditioner, also etwas Gutes. Nein. Meiner Mutter waren Medikamente für Parkinson plus Alzheimer verschrieben worden. Ihr „Bonus“ waren die Symptome einer Bonus-Erkrankung.
Während ich mich über die Pillen informierte, die ich immer noch in der Hand hielt, blieben ein paar sich wiederholende Sätze hängen.
„Keine krankheitsmodifizierenden Eigenschaften.“
„Begrenzte Effektivität.“
„Wie ein Pflaster.“
Selbst die Ärzte schienen resigniert zu haben. (Später hörte ich einen sarkastischen Witz über Neurologen, der unter Medizinstudenten zirkuliert: „Neurologen behandeln Erkrankungen nicht, sondern bewundern sie.“)
Später am Abend saß ich alleine in unserer Holiday Inn Suite, ein paar Straßenblocks vom Krankenhaus entfernt. Meine Mutter war im anderen Zimmer und ich las wie manisch am Computer alles, was ich über Parkinson und Alzheimer finden konnte, obwohl die Symptome meiner Mutter keiner der beiden Diagnosen genau entsprachen. Verwirrt, unwissend und machtlos erlebte ich etwas, was ich noch niemals zuvor gefühlt hatte. Meine Sicht schränkte sich ein und verdunkelte sich, Angst übernahm mein Bewusstsein. Selbst mit meinem beschränkten Wissen damals war mir klar, was gerade passierte. Laut klopfendes Herz, Atemnot, das Gefühl bevorstehenden Unheils – ich hatte eine Panikattacke. Ob diese ein paar Minuten dauerte oder Stunden, kann ich nicht sagen, aber selbst als die körperlichen Anzeichen verschwunden waren, blieben die emotionalen Dissonanzen zurück.
Mit diesem Gefühl hatte ich noch Tage später zu kämpfen. Als ich nach LA zurückgekehrt und der anfängliche Sturm vorüber war, fühlte ich mich, als stünde ich in einer unbekannten Landschaft und müsste ohne Karte oder Kompass den vor mir liegenden Weg vermessen. Meine Mutter begann mit der Einnahme der chemischen Pflaster, aber ich empfand ein ständiges Unwohlsein. Irgendwas in der Umwelt musste ihre Erkrankung doch ausgelöst haben, schließlich lag Demenz nicht in unserer Familie. Wie hatten sich Ernährung und Lebenswandel zwischen der Generation meiner Großmutter und der meiner Mutter verändert? War meine Mutter irgendwie durch ihre Umgebung vergiftet worden?
All diese Fragen schwirrten in meinem Kopf herum und ich konnte kaum über etwas anderes nachdenken, auch nicht über meine Karriere. Ich kam mir vor wie Neo aus Matrix , vom weißen Kaninchen dazu verpflichtet, meiner Mutter zu helfen. Aber wie? Ich hatte keinen Morpheus, der mich hätte führen können.
Ich entschied, dass der erste Schritt sein würde, mein Leben an der Westküste aufzugeben und zurück nach New York zu ziehen, um näher bei meiner Mutter zu sein. Also tat ich genau das und verbrachte das nächste Jahr damit, alles über Alzheimer und Parkinson zu lesen, was möglich war. Selbst in diesen ersten Monaten, wenn ich nach dem Essen auf dem Sofa saß, den Kopf in der Recherche vergraben, bemerkte ich manchmal, dass meine Mutter die Teller vom Esstisch abräumte und mit den schmutzigen Tellern in der Hand die ersten paar Schritte in Richtung ihres Schlafzimmers machte, nicht Richtung Küche. Ich beobachtete das, ohne etwas zu sagen, und zählte die Sekunden, die es dauerte, bis sie sich wieder im Griff hatte. Der Knoten, der sich in meinem Bauch gebildet hatte, wurde dabei immer enger. Jeder dieser Vorfälle verstärkte mich in meiner Suche nach Antworten.
Aus einem Jahr wurden zwei, aus zwei Jahren wurden drei. Meine persönlichen Interessen gerieten immer mehr in den Hintergrund, während herauszufinden, was mit meiner Mutter passierte, immer mehr zur Besessenheit wurde. Eines Tages hatte ich dann eine Erleuchtung, die alles ändern würde. Endlich dämmerte mir, dass ich etwas hatte, über das nur wenige verfügen: Presseakkreditierung und Medienkontakte. Ich nutzte meine Visitenkarte als Journalist, um mit weltweit führenden Wissenschaftlern Kontakt aufzunehmen, und fand dabei heraus, dass jeder von ihnen einen weiteren Hinweis geben konnte, der mir bei meiner Suche nach Wahrheit weiterhalf.
Bisher habe ich Dutzende führende Vertreter aus der wissenschaftlichen Forschung von unseren prestigeträchtigsten, angesehensten Institutionen (unter anderem Harvard, Brown und Cornell) interviewt, sowie viele der am meisten respektierten Klinikärzte der Welt. Ich habe Hunderte (wenn nicht Tausende) die Disziplinen umspannende Veröffentlichungen aus den wichtigsten medizinischen Journalen gelesen und höchstbewertete neurologische Abteilungen in den USA und auch in Übersee besucht.
In welcher externen Umgebung funktionieren Körper und Gehirn reibungslos, statt zu versagen? Diese Frage wurde zur Grundlage meiner Nachforschungen. Was ich herausfand, veränderte die Art und Weise, in der ich über das empfindlichste unserer Organe nachdenke, und trotzt der fatalistischen Sicht, die mir von der großen Mehrheit von Neurologen und wissenschaftlichen Experten in diesem Bereich unterbreitet wurde. Es wird Sie überraschen – vielleicht sogar schockieren – dass, wenn Sie zu den Millionen Menschen weltweit gehören, die eine genetische Veranlagung haben, Demenz oder eine andere neurodegenerative Störung zu entwickeln (die statistische Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei 1 zu 4), Sie vielleicht sogar noch besser auf die in diesem Buch vorgeschlagenen Prinzipien reagieren. Und wenn Sie sich an diese Prinzipien halten, werden Sie wahrscheinlich auch mehr Energie haben, besser schlafen, sich seltener mental vernebelt fühlen und bessere Laune haben – heute schon .
Auf meiner investigativen Reise ist mir klar geworden, dass Medizin wie ein weitläufiges Feld mit vielen Getreidespeichern ist. Wenn es darum geht, wie man sich um etwas so Komplexes wie den menschlichen Körper – und vor allem das Gehirn – am besten kümmert, muss man all diese Getreidespeicher aufschlüsseln, um die Zusammenhänge selbst herstellen zu können. Alles hängt in einer kaum vorstellbaren Art und Weise zusammen, um die einzelnen Punkte verbinden zu können, ist aber ein gewisses Maß an kreativem Denken notwendig. In diesem Buch werden Sie mehr über diese vielen Zusammenhänge lernen. Zum Beispiel berichte ich über eine wirkungsvolle Methode der Fettverbrennung, die einige Forscher „biochemische Liposuktion (Fettabsaugung)“ nennen, die möglicherweise die beste Waffe des Gehirns gegen den Verfall ist. Oder darüber, wie Hochintensitäts-Training – und bestimmte Lebensmittel – die Gehirnzellen dazu anregen können, effektiver zu arbeiten.
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