Patty Wipfler & Tosha Schore
Hand in Hand
Patty Wipfler & Tosha Schore
Hand in Hand
Fünf einfache Strategien durch
die Höhen und Tiefen des Elternseins
Aus dem amerikanischen Englisch von Annette Seifert
© 2016 Hand in Hand Parenting, Patty Wipfler und Tosha Schore M.A.
© 2017 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH, Freiburg by arrangement with Hand in Hand Parenting
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel:
Listen: Five Simple Tools to Meet Your Everyday Parenting Challenges
Alle Rechte vorbehalten
E-Book 2018
Lektorat: Richard Reschika
Hergestellt von mediengenossen.de
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-234-4
Wichtiger Hinweis
Die Ratschläge zur Selbstbehandlung in diesem Buch sind von den Autorinnen sowie dem Verlag sorgfältig geprüft worden. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Bei ernsthafteren oder länger anhaltenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt, Psychotherapeuten, Psychologen oder Heilpraktiker Ihres Vertrauens zu Rate ziehen. Eine Haftung der Autorinnen oder des Verlages für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Inhalt
Vorwort von Patty
Vorwort von Tosha
Einführung
TEIL I Das Leben mit Kindern aus neuer Perspektive
Kapitel 1 Kinder ins Leben zu begleiten ist eine unverzichtbare, aber schwierige Aufgabe
Kapitel 2 Verbundenheit ist der Schlüssel
TEIL II Wirksame Strategien für das Leben mit Kindern
Einführung
Kapitel 3 Wunschzeit
Kapitel 4 Bleib-Ganz-Ohr
Kapitel 5 Grenzen-Setzen
Kapitel 6 Ganz-Ohr-Spiel
Kapitel 7 Gegenseitiges einfühlsames Zuhören
Kapitel 8 Emotionale Projekte
TEIL III Strategien für tägliche Herausforderungen
Einführung
Kapitel 9 Kooperation aufbauen
Morgenritual
Mahlzeiten
Teilen, Abwarten und Gerechtigkeit
Hausaufgaben
Hausarbeiten
Bildschirme und Geräte
Kapitel 10 Trennungssituationen erleichtern
Abschiede
Schlafengehen
Schule und Tagesbetreuung
Wenn Ihr Kind einen Elternteil ablehnt
Umgang mit schwierigem Wiedersehen
Kapitel 11 Ängste auflösen
Nägelkauen und Daumenlutschen
Ängste vor den Unterschieden zwischen Menschen
Leistungsangst
Angst vor Ärzten und Medizin
Angst nach einem Unfall
Kapitel 12 Aggressionen überwinden
Hauen und Beißen
Wenn Geschwister einander wehtun
Aussagekräftige Entschuldigungen
Schlimme Wörter von guten Kindern
TEIL IV Unsere Zukunft – miteinander verbunden
Kapitel 13 Verbindung schaffen, wenn Sie nicht mehr weiterwissen
Kapitel 14 Unterstützung für Ihre Arbeit als Eltern aufbauen
Kapitel 15 Unsere Zukunft – miteinander verbunden
Danksagungen
Über die Autorinnen
Literaturhinweise
Vorwort von Patty
Wie Kinder ticken, wusste ich schon mit dreizehn Jahren. Als Älteste von sechs hatte ich schon jahrelang jüngere Geschwister sowie die Kinder von Verwandten und Nachbarn betreut. Und wenn in der Schule die Mittagspause bei Regen drinnen stattfand, schickten mich die Nonnen in die Klasse mit den meisten Raufbolden. Ich konnte nämlich alle zweiundfünfzig Schüler zur Räson bringen.
Als Jugendliche und während der Collegezeit arbeitete ich jeden Sommer mit Kindern. Dann heiratete ich im Alter von einundzwanzig, und weil ich mich noch immer zu Kindern hingezogen fühlte, wurde ich Lehrerin. Deshalb zweifelte ich während meiner ersten Schwangerschaft nicht an meinen zukünftigen mütterlichen Fähigkeiten. Ich war ja ein alter Hase. Und motiviert.
Doch kurz nach der Geburt meines zweiten Sohnes änderte sich etwas. Ich reagierte gereizt und verlor zunehmend die Beherrschung. Eines Tages stürzte ich mich auf meinen Zweijährigen, als er dem Baby wehtun wollte. Dabei hätte ich ihn um ein Haar vor rasender Wut gegen die Wand geknallt. Ich sah die Angst in seinen Augen und war entsetzt, wozu ich anscheinend fähig war.
Eine Mutter, zwei Wirklichkeiten. Ich war eine gute Mutter - außer ich war es eben nicht. Zwar fiel mir die Aufgabe von Natur aus leicht, aber manchmal verlor ich die Kontrolle. Bereits in jungen Jahren hatte ich mir geschworen, Kinder niemals grob zu behandeln. Und bis zu meinem zweiten Kind hatte das auch geklappt. Was war mit mir los? Wie konnte ich mir helfen? Und meinen Kindern? Ich sprach mit niemandem darüber.
Auf einem Samstagsspaziergang im Jahre 1973 wollte meine Bekannte Jennie Cushnie etwas über das Muttersein wissen. Da brach ich in Tränen aus und gestand ihr, dass mir meine eigenen Reaktionen Angst eingejagt hätten. Ich erzählte auch von meinem groben und jähzornigen Vater, der während unserer Kindheit ständig unter schrecklichem Druck gestanden hatte. Und ich schlug ihm nun offenbar nach! Völlig enthemmt schluchzte ich vor dieser beinah fremden Person. Sie hörte mir einfach wohlwollend zu. Nachdem ich die Fassung wiedererlangt hatte, entschuldigte ich mich, doch sie reagierte gelassen und versicherte, dass sie mir gern zugehört hatte.
An diesem Nachmittag erlebte ich beim Spielen mit meinen Kindern Geduld und Freude. Ich fühlte mich sogar körperlich befreiter und freute mich wieder an meiner Elternrolle. Noch Wochen später blieben die Wutanfälle aus. Was die Bekannte auch immer getan hatte, das war genau das Richtige für mich!
Jennie erzählte mir von Kursen, in denen die Teilnehmer abwechselnd ihre Hoffnungen und Sorgen erzählten und einander zuhörten. In dem Maß, wie das gegenseitige Vertrauen wuchs, lachten und weinten sie immer öfter miteinander. Gerade das Freisetzen von Gefühlen galt als besonders hilfreich. Das erklärte, weshalb mir die Viertelstunde Weinen so gut getan hatte und weshalb ich gerade vor Jennie geweint hatte. Irgendwie hatte ich wohl gespürt, dass sie im Zuhören geübt war. Dieses Zuhören hatte mir geholfen, wieder geduldiger mit meinen Kindern umzugehen, und genau danach hatte ich mich gesehnt. Ich schloss mich also dem Kurs an.
Mein erster Partner bei diesem einfühlsamen gegenseitigen Zuhören war ein etwas melancholischer Ingenieur gleichen Alters, den gerade seine Frau verlassen hatte. Sie hatte ihn mit der gemeinsamen halbjährigen Tochter, ein Baby mit Down-Syndrom, zurückgelassen. Ihm fehlte Erfahrung mit Säuglingen. Auch hatte er wenige Freunde, eine anstrengende Arbeit und keinerlei Unterstützung. Wir hörten uns pro Woche gegenseitig jeweils eine Stunde zu, und das zwölf Jahre lang. Daraufhin wurde mein Familienleben sehr schnell herzlicher und entspannter. Mein einfühlsamer Zuhörer profitierte erst allmählich davon, aber dann ebenso greifbar.
Dann erlebte ich etwas Atemberaubendes. Meinem zweijährigen Sohn Jakob wurden wegen einer Bindehautentzündung Augentropfen verschrieben. Deren Verabreichung würde ihm natürlich Angst einjagen.
Ich stellte mir den Versuch vor, meinem zappelnden Kind die Medizin ins Auge zu träufeln, während ich ihm irgendwie mit meinen Knien die Arme festhalten würde. So eine Behandlung dreimal täglich über mehrere Tage und das Vertrauen meines Kindes wäre dahin.
Als unser Baby sein Schläfchen hielt, hatte ich die Idee, Jakob dabei zuzuhören, welche Gefühle diese Prozedur bei ihm auslösen würde. Vielleicht half uns das. Zumindest mir hatte es geholfen, dass man mir einfühlsam zuhörte. Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde. Aber was hatte ich schon zu verlieren?
Also zeigte ich ihm das Medizinfläschchen und erklärte, dass ich ihm etwas von der Flüssigkeit in beide Augen einträufeln müsse. Da warf er sich aufs Bett und weinte heftig. Ich hörte dicht neben ihm aufmerksam zu. Ich sagte, die Tropfen würden die Augen heilen. Er weinte weiter.
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