Er stemmte sich aus dem Liegestuhl hoch.
Ein Badetuch diente ihm jetzt als Lendenschurz. Er verließ den Ruheraum und ging am Kaltwasserbecken vorbei. Er trug seine eigenen Holzpantoffel, um keinen Fußpilz zu kriegen.
Im Bassin war Dudley nicht.
Unter der Dusche auch nicht.
Die Tür der Saunakammer stand offen. Normal war das nicht. Wenn Dudley noch drinnen gewesen wäre, wäre die Tür zu gewesen.
Dudley hätte sie aber auch nach dem Verlassen der Kammer geschlossen, damit die Hitze drinnen blieb. Irgendetwas war hier nicht in Ordnung.
»Dudley!«, rief Wayne. War der Freund bereits im Umkleideraum? »Hey, Dud...« Der Name blieb ihm in der Kehle stecken, als er ihn sah.
Dudley Holden lag auf dem Boden. Mit dem Gesicht nach unten.
War ihm die Hitze zu viel geworden? Hatte er einen Kreislaufkollaps erlitten?
»Dudley!«, stieß Wayne heiser hervor. Er beugte sich zu ihm hinunter, schob die Hände unter seine Arme, zerrte ihn irgendwie aus der Kabine.
Er spürte den Schweiß des Freundes an seinen Fingern. Und etwas Klebriges. Alarmiert riss er die Hände zurück. Fassungslos starrte er auf seine Finger. Sie waren rot. Blut klebte an ihnen. Dudleys Blut!
Wayne drehte Dudley auf den Rücken, und dann stockte ihm für einen Moment der Atem.
Entsetzt wich er zurück, als er begriff, dass Dudley Holden erschossen worden war. Fast in seiner Gegenwart. Er war nur ein paar Meter entfernt gewesen, als es passiert war...
Gore Gandolfini stieg in seinen Wagen und fuhr los. Er beschloss, seinem Auftraggeber zu erklären, dass er kein Dummkopf war. Niemand durfte Gore Gandolfini unterschätzen. Auch dann nicht, wenn man ihn recht großzügig bezahlte.
Deshalb holte er sein Mobiltelefon heraus und wählte die Nummer des Mannes, der ihn nun schon für zwei Hits engagiert und ihm einen dritten in Aussicht gestellt hatte.
Sein Auftraggeber meldete sich.
»Raten Sie mal, wer dran ist«, sagte der Killer.
»Was soll das?«, sagte der andere unfreundlich. »Wer...«
»Gandolfini ist der Name. Gore Gandolfini. Klingelt’s bei Ihnen?«
Es war zu hören, dass der andere kurz perplex war. »Verdammt, wie...«
»Wie ich hinter Ihr Geheimnis gekommen bin?« Gandolfini lachte. »Oh, das war nicht allzu schwierig. Ich bin Ihnen letztens bis nach Hause gefolgt. Sollten wir einander also irgendwann Wiedersehen, können Sie sich die kindische Maskerade sparen.«
»Sonst noch was?«, fragte der andere spröde.
»Ja«, gab der Berufs-Killer zur Antwort. »Andrew Holden hat nach seiner Sekretärin und seiner Frau nun auch seinen Sohn verloren.«
»Aha.«
»Wollen Sie hören, auf welche Weise?«
»Nicht am Telefon. Außerdem werde ich es ohnedies morgen in der Zeitung lesen.«
»Und wie verbleiben wir nun?«, erkundigte sich Gandolfini.
»Ich muss Sie bitten, mich nicht mehr anzurufen«, sagte der andere eindringlich.
»Sie sagten, ich könne eventuell mit einem weiteren Auftrag rechnen.«
»Das ist richtig.«
»Wann?«
»Ich melde mich bei Ihnen.«
»Ich hab nicht immer nur für Sie Zeit«, sagte Gandolfini. »Ich bin ein gefragter Mann.«
»Sie hören von mir«, sagte der andere kühl. »Schon bald.«
Grinsend legte der Killer auf. Er fühlte sich gut.
Verstörung allerseits. Das war verständlich. Vor Kurzem hatte Dudley Holden mit Zoe Manson, Rachel Jedee und Wayne Pytka noch Tennis gespielt, und vor kurzem hatte Dudley Holden mit Wayne Pytka noch in der Sauna geschwitzt - und nun war er tot. Jemand hatte ihn erschossen. Wie seine Mutter.
Zoe Manson und Rachel Jedee weinten. Wayne Pytka war leichenblass. Wir sprachen mit ihnen in der Kantine, während die Kollegen von der City Police in der Sauna ihren Job taten.
Zoe, Dudleys Freundin, kam darüber nicht hinweg, dass sie mit ihm kurz vor seinem gewaltsamen Ende noch Differenzen gehabt hatte. Er hatte sich über sie geärgert, weil sie so schlecht gespielt hatte und so zur Mutter einer saftigen Niederlage geworden war, erzählte sie uns.
»Er nahm das Spiel so tierisch ernst«, sagte sie traurig. Sie putzte sich zum wiederholten Mal die Nase. »Wir ändern wollten bloß ein bisschen Spaß haben.«
Rachel Jedee und Wayne Pytka nickten.
»Ich habe gesagt: ›lch spiele nie wieder mit diesem Verrückten.‹«, berichtete Zoe Manson. »Das tut mir jetzt furchtbar Leid. Ich hätte es mir verkneifen sollen. Ich wusste doch, wie er war. Jetzt kann ich ihm nicht mehr sagen, dass ich bedauere, was ich gesagt habe.«
Sie weinte haltlos in ihr völlig durchnässtes Taschentuch.
Niemand hatte den Mörder gesehen. Er schien eine Tarnkappe getragen zu haben. Das Ganze sah nach der grauenvoll-hochklassigen Arbeit eines abgebrühten Profis aus. Der Mann hatte hier total kaltschnäuzig seinen Auftrag erledigt, und ich fragte mich, von wem er ihn bekommen hatte.
In Andrew Holdens engstem Umfeld hatte das große Sterben begonnen, und ich befürchtete, dass die blutige Serie noch nicht zu Ende war.
Der Kerl, der mir vier platte Reifen beschert hatte, wollte, dass ich die Hände in den Schoß legte. War er der Killer? Wenn er, wie er behauptete, über jeden meiner Schritte Bescheid wusste, musste er auch jetzt in meiner Nähe sein. Ich blickte mich so unauffällig wie möglich um. Aber mir fiel niemand auf, der dieser Mann hätte sein können.
Er hat geblufft, sagte ich mir. Er weiß mit Sicherheit nicht über all meine Schritte Bescheid, aber doch über einige, deshalb kann ich nie sicher sein, dass er nicht in meiner Nähe ist.
Wir sahen uns in der Sauna um, sprachen mit den Cops und mit dem Kantinenpächter. Auch mit einigen Tennisspielern redeten wir. Einen brauchbaren Hinweis auf den Täter konnte uns keiner geben...
Tags darauf erfuhren wir, dass Dudley Holden mit derselben Waffe erschossen worden war wie seine Mutter. Dieselbe Waffe musste nicht automatisch heißen, derselbe Killer. Ich ging aber trotzdem davon aus, und es hätte mich schon sehr gewundert, wenn ich damit falsch gelegen hätte.
Die Zeitungen berichteten nicht nur über den Mord an Dudley Holden. Sie brachten auch das Phantombild, das Peiker, unser »Zeichner«, nach den bisweilen recht konträren Angaben von Mr. und Mrs. McFadden angefertigt hatte. In der Bildlegende stand, dass so der Mann aussehen könnte, der in der U-Bahn-Station hinter Yvonne Bercone gestanden hatte.
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