Das muss nichts bedeuten, vielleicht ist der Akku leer.
Vielleicht –
Agnes geht in die Küche. Was gibt es zu tun? Irgendwann sollte sie was essen, längst Zeit fürs Abendessen. Was ist da? Sie hat jetzt wirklich keine Lust, etwas zu kochen. Lieber eine Tiefkühlpizza in den Ofen, zusehen, wie sie langsam genießbar wird. Klingt beruhigend, ist es sicher, irgendwie.
Wir nehmen eine Flasche Cabernet Sauvignon dazu. (Wie Gernot die Kellnerin angelächelt hat, und wie die zurücklächelte.) In einer Gasse unweit des Pantheons hatten sie eine Osteria entdeckt, die ihnen nicht als Touristenfalle erschienen war. Agnes beeindruckte, wie natürlich Gernot mit den Italienern auf Deutsch redete. Wenn sie grüßte oder etwas bestellte, packte sie ein paar Italienischvokabeln aus und formte Minimalsätze. Gernot gab sich hingegen keine Mühe. Was ihm aber niemand übelnahm. Im Gegenteil, er wurde von jedem verstanden und in den paar Tagen, die sie in Rom verbrachten, wiederholt in Gespräche verwickelt. Agnes stand dann daneben, während die Einheimischen auf Gernot einredeten und er auf Deutsch antwortete, als handle es sich dabei um eine Spielart des Italienischen.
Verstehst du denn irgendwas? fragte sie ihn einmal.
Die meisten Leute reden doch immer das Gleiche, hier wie anderswo. Kennst du den Zusammenhang, weißt du, worum’s geht.
Trotzdem: Wenn Agnes auf Deutsch bestellt hätte, wäre sie sich als ignorante Touristin vorgekommen. Aber Gernot, der hat den Dreh raus, wie sein Freund Paul gern sagt.
Genau: Paul. Wieso hat sie nicht längst an Paul gedacht!
Paul, ja hallo, entschuldige, das ist etwas komisch, also, weshalb ich anrufe, ist komisch … Ja, mir geht’s gut so weit, danke. Aber eigentlich rufe ich an wegen Gernot … Ja. Ja, genau, in Moskau. Seit drei Tagen. Und eben, ich hab nichts gehört … Klar. Nur, hab ihn eben zu erreichen versucht und da war eine fremde Stimme dran ( Eine Frauenstimme! Eine russische Frauenstimme! ) … Ja, das ist natürlich schwierig, wenn man kein Wort Russisch … Eben, ja. Deswegen, hab ich mir auch gedacht … Meinst du, sie könnte das machen, nur kurz, weißt du, ich mach mir natürlich … Ja, das wäre. Paul, du bist ein Schatz, und danke an Oksana … Wann … Ja, ich warte inzwischen … Danke.
Die Pizza ist inzwischen über goldbraun hinaus. Beim Verkohlen will sie dann doch nicht zusehen. Agnes holt sie aus dem Ofen und legt sie auf den Teller.
Jetzt braucht sie eine andere Ablenkung. Sie kann nicht dasitzen, aufs Handy starren und warten, bis es läutet. Sie steckt das Telefon in die Gesäßtasche. Spült ab. Was nie verkehrt ist. Was aber nicht lange dauert, allein braucht sie kaum Geschirr. Sie sieht zu, wie der Pegel sinkt und das Spülwasser mit einem unheimlichen Ton abfließt.
Aus der Nachbarwohnung das Schrammen von Stuhlbeinen über den Boden. Ist Zerai gerade nach Hause gekommen? Oder war er die ganze Zeit daheim? Sollte sie noch einmal anläuten? Etwas aufdringlich, andererseits brächte es sie auf andere Gedanken. Agnes sucht nach der Salbe. Sie sucht in ihrer Handtasche, sucht im Mantel, in den Schreibtisch- und Esstischschubladen. Wo kann man so eine bescheuerte Tube denn noch hingeben? Da, die Salbe lag die ganze Zeit vor der Nase! Das Handy steckt in der Gesäßtasche, die Tube trägt sie vor sich her. Wie eine Hostie fast. Und so steht sie vor Illir Zerais Wohnung. Sie könnte auf Heilige Drei Könige machen, oder auf Zeugen Jehovas: Was halten Sie von Jesus, Herr Zerai? Blödsinn natürlich. Sie hat es mit einem alten Mann zu tun, einem alten Mann aus einer anderen Kultur. Ganz anderer Humor.
Wem soll sie denn etwas vormachen?
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