Ist C4Service eine Diktatur oder eine Demokratie?
Holger: Im Grunde genommen sind wir ein basisdemokratischer Kindergarten. Das heißt, wir versuchen uns erst mal so zu einigen. Wenn das nicht gelingt, stimmen wir ab. Vorher streiten wir uns aber gerne und viel.
Kommt das oft vor?
Carsten: Wir hatten letztens eine ganz spezielle Situation. Wir bekamen eine Anfrage, ob wir mit The Exploited in Osnabrück spielen wollen. Wir haben zugesagt und daraufhin hat uns eine Freundin angeschrieben, ob wir bei der Show nicht ein schlechtes Bauchgefühl haben. Es geht da um komische Geschichten und Fotos von Wattie, die mit Nazis zusammen entstanden sind.
Verena: Wir sehen uns als politische Band und haben kein Interesse, in irgendeine rechte oder Grauzone-Ecke gestellt zu werden, daher haben wir uns ernsthaft mit der Situation auseinandergesetzt.
Holger: Was den Nazi-Vorwurf angeht, sind wir dann nach ausführlicher Internet-Recherche so weit gegangen, Leute anzusprechen, die die Band wirklich persönlich kennen. Die haben die Vorwürfe dann glaubhaft widerlegt. Insgesamt haben wir aber schon eine Menge Energie in die Recherche und die interne Absprache gesteckt. Sicher sind die nicht die intellektuelle Speerspitze des Punk, aber auch keine Faschos. Die Abstimmung war dann drei zu zwei dafür, das Konzert zu spielen.
Verena: Beim Gig war es dann aber total entspannt; die Band war sehr nett und die Show war sehr gut.
Carsten: Es war schon knüppelvoll bei unserem Auftritt, denn das Wetter war schlecht. Später haben wir auch noch gut Platten verkauft.
Nico: Wobei uns der Veranstalter an dem Abend ernsthaft mitteilte, dass wir den Backstage nicht nutzen dürfen und das Catering erst, nachdem Exploited gegessen haben. So was ist schon ziemlich asozial. Das ist uns in einem AZ noch nie passiert.
Wer macht denn das Booking für euch?
Holger: Das mache ich fast alles. Ist sehr viel Kalt-Akquise. Ich schreibe konstant Clubs und Promoter und Konzertgruppen an. In 10 % der Fälle kriege ich auch eine Antwort, in 2 % eine positive. Aber wir haben natürlich auch persönliche Kontakte und werden eingeladen.
Nico: Viele Kontakte entstehen auch nach unseren Konzerten. Wir haben auch schon Gig-Tausch mit Bands gemacht. Wir haben eine Show für die in Münster organisiert und die im Gegenzug dann zum Beispiel in Leipzig.
Holger: Im Oktober 2019 waren wir mit Dead Idle aus England auf Tour. Im März hatte ich angefangen und dafür insgesamt 222 Veranstalter individuell angeschrieben. Dabei sind fünf Shows und zwei Privatshows herausgekommen.
Nico: Aber normalerweise spielen wir einzelne Konzerte oder mal ein Wochenende. Dreimal waren wir bis jetzt länger als zwei Tage für eine Minitour unterwegs.
Ihr habt bis jetzt ein Demo und ein Album aufgenommen.
Holger: Genau, und wir arbeiten gerade daran, neue Aufnahmen zu machen. Dafür ist Carsten zuständig.
Carsten: Die ersten Demos der Songs entstehen bei uns im Proberaum als eine Art Pre-Production. Dann entscheiden wir, ob wir selber aufnehmen wollen oder in ein professionelles Studio gehen.
Ihr habt das Demo und die Platte selbst veröffentlicht. Habt ihr vorher den Kontakt zu Labels gesucht?
Holger: Nein, ich wusste vorher, wie man ein Album auf Vinyl gepresst kriegt, und dann haben wir es auch selber gemacht. Lediglich wie man die Platten dann wieder loswird, ohne richtigen Vertrieb, das ist die Schwierigkeit. Ich habe die ganzen Mailorders angeschrieben, aber das klappt auch nicht richtig gut. Das Album ist jetzt drei Jahre alt und wir haben etwa 250 Alben verkauft.
In welchen Locations spielt ihr am liebsten?
Nico: Das ist unterschiedlich. Alles hat Vor- und Nachteile. Das hängt natürlich auch vom Publikum und Veranstalter ab. Wir haben schon in AZs gespielt, in denen Ausziehverbot herrschte. Das war auch kein Problem für uns.
Holger: In den linken Clubs wurden wir aber oft besser behandelt und meist sogar besser bezahlt. Wir haben alle Jobs, deswegen kommt es uns auf das Geld nicht an, aber trotzdem will man ungern draufzahlen. Aber selbst die Shows in AZs mit Hutspende bringen meist mehr ein als in kommerziellen Clubs. Dazu wird man respektvoll behandelt.
Carsten: Es kommt halt darauf an, dass die Leute Bock auf das Konzert und die Bands haben. Dann kannst du auch in irgendeiner gammeligen Eck-Kneipe spielen.
Was war denn das Übelste, das ihr mal erlebt habt?
Carsten: Es gab auch schon Shows, da sollten wir mit mehreren Bands, insgesamt 20 Personen, auf knapp drei Matratzen schlafen. Da sind wir hinterher lieber nach Hause gefahren.
Ihr nennt euren Musikstil „Female Fronted Hardcore Punk“. Ist Verena quasi euer Alleinstellungsmerkmal?
Holger: Ohne sie wären wir einfach eine Band voller alter Säcke, mit ihr sind wir eine Band mit alten Säcken und einer nicht so alten Sängerin. Sie ist unser Aushängeschild. Das macht den Unterschied. Wir haben aber auch schon den Vorwurf gehört, dass diese Aussage sexistisch sein soll, oder dass „female fronted“ kein Genre ist. Daraufhin haben wir am 1. April 2019 verkündet, dass wir jetzt nicht mehr „female fronted“ sind, sondern „male backed“. Das wurde dann akzeptiert.
Was für einen Anspruch habt ihr an euch als Band?
Carsten: Was die Musik angeht, proben wir einmal die Woche, wenn wir es hinkriegen.
Jan: Wir haben schon ein technisches Anspruchsdenken. Ich würde zum Beispiel gerne neue Songs so schnell wie möglich auf die Bühne bringen. Es ist aber ein ungeschriebenes Gesetz der Band, dass wir neue Lieder erst live spielen, wenn wir wissen, dass wir sie auch wirklich können.
Holger: Wir haben widerstrebende Pole. Das haben wir gemerkt, als wir im letzten Jahr unsere neue Platte aufnehmen wollten. Einigen reicht da die Aufnahmequalität eines alten ITT-Kassettenrekorders, einige möchten das einfach akkurat eingespielt haben, und der dritte Block will immer The Dark Side of the Moon neu erschaffen. Letztendlich führte das dazu, dass wir die Aufnahmen abgebrochen haben und es jetzt bald noch mal versuchen müssen.
Carsten: Was Auftritte angeht, achte ich darauf, dass ich vorher nicht zu viel trinke. Einige in der Band können vorher ein paar Bier trinken und dann noch ordentlich spielen. Ich kann das nicht und deshalb halte ich mich zurück. Ich will nicht der Grund sein, warum wir live schlecht klingen.
Wie finanziert ihr eure Aufnahmen?
Holger: Für die erste Platte haben die drei wirtschaftlich am besten Aufgestellten in der Band die Bandkasse aufgefüllt. Das Geld ist bis jetzt drin und wir bezahlen davon T-Shirts, Sprit und alles Weitere. Dazu kommt natürlich auch immer mal wieder Geld durch Auftritte und Verkäufe rein.
Wie viele Platten habt ihr denn vom ersten Album gepresst?
Nico: Das war eine Erstauflage von 500 LPs.
Sind die jetzt ausverkauft?
Nico: Nein, wir haben ungefähr die Hälfte verkauft.
Carsten: Wir müssten jede zweite Woche spielen, dann hätten wir es jetzt wohl ausverkauft. Dafür arbeiten wir aber auch zu wenig an unserer Internet-Präsenz. Wir müssten zum Beispiel mal ein richtig gutes Video machen. Das würde helfen. Wenn man sieht, wie professionell die DIY-Szene geworden ist, hinken wir schon etwas hinterher. Unser großer Faktor ist die Zeit. Wir arbeiten alle und die Band ist und bleibt ein Hobby.
Ihr orientiert euch auch eher am alten Hardcore und nicht an neuen Bands.
Carsten: Das Ganze liegt irgendwo zwischen Oldschool Hardcore, Punk und Post Punk, also nirgendwo. Aber das ist unsere Musik, und im Vordergrund steht, zumindest für mich, coole Leute kennenzulernen, eine gute Zeit zu haben, gemeinsam was zu machen und ein wenig das voranzubringen, hinter dem wir stehen. Wir spielen überwiegend in alternativen Läden, da passiert es oft, dass der Veranstalter von seinem Gewinn noch eine gute Sache unterstützt. Wir wollen die richtige Einstellung weitergeben.
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