leykam: seit 1585
MARI LANG
MÄNNER ANTWORTEN
Für meine Eltern,
die den Grundstein gelegt haben.
Für alles.
VORWORT
ARMIN ASSINGER
CHRISTIAN KERN
ALI MAHLODJI
HERBERT PROHASKA
ANDREAS GOLDBERGER
DIRK STERMANN
RICHARD LUGNER
ROBERT KRATKY
MATTHIAS STROLZ
MANUEL RUBEY
THOMAS BREZINA
NACHWORT
WIE SAGT MAN?
KURZBIOGRAFIEN DER GESPRÄCHSPARTNER
QUELLEN UND ANMERKUNGEN
Die Corona-Krise hat viele Probleme verschärft, in meinem Leben und im Leben der meisten Frauen. „Jetzt hast du Zeit, dich um deine Kinder zu kümmern“, sagte mein Chef zu Beginn des ersten Lockdowns 2020 und schickte mich in Kurzarbeit. Nachdem ich seit Jahren ohnehin, typisch Frau, in Teilzeit bin, wollte ich gerne weiterhin zweimal pro Woche arbeiten gehen. Sollte ich aber nicht. Der Satz meines Vorgesetzten, der mit Sicherheit gut gemeint war – denn wir alle wissen, dass die Betreuung eines drei- und eines sechsjährigen Kindes zeitintensiv ist –, setzte Enttäuschung und Wut frei, die sich in den vergangenen Jahren in mir aufgestaut hatten.
Als ich vor sechs Jahren zum ersten Mal Mutter wurde, musste ich schmerzhaft feststellen, dass die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen noch längst nicht erreicht ist. Während ich Sätze wie „Was, du arbeitest schon wieder?“ oder „Wow, du hast aber einen tollen Mann“ hörte, weil ich ein paar Wochen nach der Geburt eine Veranstaltung moderierte, wurde mein Partner weiterhin als das gesehen, was er war: als berufstätiger Mann, der ganz gut verdiente und gerne arbeitete. Ach ja, und vor Kurzem hatte er auch noch ein Kind bekommen. Gratulation! Ich hingegen wurde auf meine Mutterrolle reduziert. Von der Gesellschaft und von mir selbst. Tief verankerte Rollenbilder und Geschlechterstereotype sprangen mich aus dem Hinterhalt an und brachten mich ins Wanken. Dass ich mein halbes Leben darauf hingearbeitet hatte, eine erfolgreiche Journalistin und Moderatorin zu werden, zählte offenbar nicht mehr. Wichtig war, dass ich stillte, mein Baby zum Durchschlafen bringen konnte und die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen zeitgerecht absolvierte. Von alldem hing neuerdings mein Wert ab. Dass mich das überforderte, ist klar. Denn während ich für meinen Beruf ein Studium abgeschlossen und mehrere Kurse und Auslandspraktika absolviert hatte, fand ich mich jetzt plötzlich in einem Job wieder, für den ich überhaupt nicht ausgebildet war. Nicht einmal einen Crashkurs konnte ich vorweisen.
O.K. So geht es wahrscheinlich den meisten Frauen. Denn in so etwas wie die Mutterrolle wächst man schließlich hinein. Wie es genau funktioniert, sagt einem der weibliche Instinkt, und ein bisschen Überforderung gehört halt dazu. Was war und ist also mein Problem? Das werden sich einige jetzt vielleicht fragen. Und tatsächlich habe ich mir diese Frage auch oft gestellt und die Antworten erstmal bei mir selbst gesucht. Was, verdammt nochmal, war los mit mir? Warum erfüllte mich das Muttersein nicht? Warum war ich unzufrieden und wollte mehr vom Leben? Dass mein Problem kein individuelles, sondern ein gesamtgesellschaftliches war, wurde mir erst in vollem Ausmaß bewusst, als ich im Frühling 2020 zu einer Klischeehausfrau im Stil der 1950er-Jahre mutierte, während mein Mann zu Hause im Arbeitszimmer saß und weiterhin seinem Beruf nachging. Im Gegensatz zu mir wurde er nicht gefragt, ob er aufgrund fehlender Kinderbetreuung im Lockdown vielleicht weniger arbeiten möchte. Denn im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sind Kinder nach wie vor Frauensache. Es sind die Frauen, die vorrangig zu Hause geblieben sind – freiwillig oder gezwungenermaßen, weil sie aufgrund von Teilzeitarbeit ohnehin weniger verdienen und generell in schlechter bezahlten Jobs zu finden sind. Die Corona-Krise hat zu einem Backlash geführt und deutlich gemacht, wo es in Sachen Gleichberechtigung immer noch hakt. Sie hat gezeigt, warum es nach wie vor wichtig ist, lautstark für Feminismus einzutreten und echte Chancengleichheit zu fordern. Warum wir den Frauenbewegungen der vergangenen Jahrzehnte dankbar sein müssen, uns aber keineswegs auf deren Errungenschaften ausruhen dürfen. Warum Frauen immer noch genug Gründe haben, unangenehm und wütend zu sein.
Auch ich bin oft wütend, was auf den folgenden Seiten immer wieder deutlich wird. Aber mein Ärger ist nicht die Hauptmotivation für dieses Buch, das übrigens auf dem gleichnamigen Podcast basiert, den ich im Zuge meiner Kurzarbeit gestartet habe. Meine Wut ist vielmehr der Stein, der alles ins Rollen gebracht hat. Der dazu geführt hat, einen Dialog mit Männern zu suchen. Denn Männer sind Teil des Problems und genauso Teil der Lösung. Gleichberechtigung kann – und davon bin ich überzeugt wie von wenig anderem – nur gelingen, wenn die Mehrheit mitmacht. Es ist ein bisschen wie bei der Corona-Pandemie und dem Impfen: Durch eine möglichst schnelle und hohe Durchimpfungsrate wird das Problem zwar nicht vollständig behoben, die Situation jedoch entspannt. Ein Dialog kann also ein Anfang sein. Gespräche können uns weiterbringen.
Aber warum „Frauenfragen“, und was sind diese überhaupt? Nun, als Journalistin gehört es zu meinen Hauptaufgaben, Fragen zu stellen, und dabei ist mir ziemlich rasch klar geworden, dass Männer anders gefragt werden als Frauen. Start-up-Gründer werden zu ihren Visionen befragt, Schauspieler dazu, wie sie ihre Rolle angelegt haben, und Politiker, welche Pläne sie haben, um die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Fragen zu ihrer Kleidung und ihrem Aussehen sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekommen Männer eher selten gestellt. Und wenn, dann nur explizit im dazu passenden Kontext. Bei Frauen sind ihr Äußeres und familiäre Verpflichtungen automatisch Thema. Selbst vor indiskreten Fragen nach ihrer Intimbekleidung und dem Zeugungstag ihres Kindes bleiben sie nicht verschont. Beispiele dafür gibt es zahlreiche. Einige davon werde ich in diesem Buch anführen. Außerdem erzählen 33 bekannte österreichische Frauen aus den unterschiedlichsten Branchen und Generationen von ihren Erfahrungen mit „Frauenfragen“.
Natürlich könnten Politikerinnen, Schauspielerinnen und Unternehmerinnen sexistische Interviewfragen einfach ignorieren. Doch gerade für diejenigen, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen, ist das nicht immer so einfach. Immerhin ist die mediale Berichterstattung Teil ihres Erfolges. Manchen werden diese geschlechtsspezifischen Unterschiede womöglich erst nach und nach bewusst. Andere wiederum denken, es sei „part of the game“. Aber nur weil etwas immer schon so war, heißt es nicht, dass es auch immer so bleiben muss. Als Journalistin sehe ich es als meine Verantwortung, zu positiven Veränderungen in der Welt beizutragen. Zu informieren, aufzuklären, zum Nachdenken anzuregen. Es zumindest zu versuchen. Dabei kann es helfen, neue Blickwinkel einzunehmen und sich in andere Lebensrealitäten hineinzufühlen. Und genau das mache ich mit meiner „Frauenfragen“-Gesprächsreihe, die ich zwischen Sommer 2020 und Frühling 2021 im Rahmen meines Podcasts geführt habe. Also, eigentlich nehme nicht (nur) ich eine andere Perspektive ein, sondern es tun dies vor allem die von mir befragten österreichischen Promi-Männer. Deren in den folgenden Texten angegebenes Alter ist übrigens jenes, das sie zum Zeitpunkt des Interviews hatten.
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