Hide and Seek
Eine All Cocks Geschichte (Band 6)
von TM Smith
Aus dem Amerikanischen von Lilienne Érié
© dead soft verlag, Mettingen 2022
http://www.deadsoft.de
© the author
Titel der Originalausgabe: Hide and Seek
Übersetzung: Lilienne Érié
Cover: Irene Repp
http://www.daylinartwebnode.com
Bildrechte:
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© Man Hurt – shutterstock.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-510-7
ISBN 978-3-96089-511-4 (epub)
Die Wahrheit kommt ans Licht und das Vertrauen wird auf eine harte Probe gestellt. Wird die „All Cocks“-Familie das Glück finden, das sie verdient?
Dusty Anderson hat seine Heimatstadt Justin in Texas kurz nach der Highschool verlassen und ist nach New York gezogen, um Schauspieler zu werden. Ein Jahr später, immer noch weit entfernt davon, seinen Traum zu verwirklichen, aber verdammt kurz davor, daran zu zerbrechen, fällt ihm der Flyer einer Schwulenbar in die Hand, der zur Lösung seiner Probleme werden soll. Sechs Jahre später hat Dusty seinen Traum, Schauspieler zu werden, fast vergessen. Die Familie, zu der er gehört, seit er für All Cocks arbeitet, und die Arbeit selbst sind ihm genug. Für den Moment jedenfalls.
David Thompson ist gerade erst einundzwanzig geworden, steht in der Blüte seines Lebens und beginnt gerade sein zweites Jahr als Kunststudent an der NYU. Nun, da er alt genug ist, am Nachtleben teilzunehmen, findet er seine erste Liebe in einem Szeneclub in Village: The Monster Bar. Der jungen Liebe wird jedoch ein vorzeitiges Ende gesetzt, als sich David gegenüber seiner Mutter und seinem älteren Bruder outet, mit katastrophalem Ergebnis.
Ein tragisches Ereignis, verschuldet durch Davids Bruder, stellt das Leben aller völlig auf den Kopf und führt die beiden zusammen. Ist das Zufall oder Schicksal? Trotz der widrigen Umstände fühlt Dusty sich auf unerklärliche Weise zu David hingezogen, der plötzlich ganz allein auf der Welt ist. Schon bald wird Dusty bewusst, dass seine Großfamilie bei All Cocks und sein bester Freund Kory ihre Beziehung nicht gutheißen werden. Er befürchtet das Schlimmste und stürzt sich in ein gefährliches Versteckspiel, bei dem er alles riskiert, um David zu beschützen.
Doch das Versteckspiel kann nicht ewig weitergehen und David und Dusty sind nicht die Einzigen, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die Dimir-Männer finden heraus, dass die eine Sache, nach der sie sich so lange gesehnt haben, nun in greifbarer Nähe ist, und Dustys Vater Dean kommt zu Besuch und bringt dabei seine eigenen Geheimnisse mit.
Ich widme diese Geschichte allen Seelen da oben im Himmel, die zu früh von uns gegangen sind. Es ist erschütternd, wie viele junge Männer und Frauen diskriminiert, geschlagen und sogar getötet werden, nur weil sie sich als schwul, bisexuell, lesbisch oder transgender verstehen oder ihre eigene geschlechtliche Identität hinterfragen. Als ich am 12. Juni 2016 aufwachte und meinen Computer einschaltete, war ich am Boden zerstört. So viele haben in Orlando ihr Leben gelassen und es tat mir danach noch viele Wochen im Herzen weh. Dieses Buch ist für euch, für all die Lebenslichter, die, ohne irgendetwas zu hinterfragen, aus Hass und Ignoranz ausgelöscht worden sind. Gott hat euch zurück nach Hause geholt, aber ihr werdet für immer in unseren Herzen und Erinnerungen weiterleben.
Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben, das kann nur Licht.
Hass kann Hass nicht vertreiben, das kann nur die Liebe.
- Martin Luther King, Jr .
Dusty saß auf dem Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite von Jons Krankenbett und las die New York Times. Sie war schon einige Tage alt und hatte im Papierkorb unter dem Waschbecken gelegen, aber die Schlagzeile auf der Titelseite hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Dusty hatte gewartet, bis Kory und Jons Bruder Tristan zum Essen gegangen waren und ihn mit dem schlafenden Jon zurückgelassen hatten, bevor er die Zeitung aus dem Papierkorb gezogen und begonnen hatte, den Artikel zu lesen. Es war ein Bericht über einen Angriff auf The Monster Bar, bei dem drei Menschen gestorben und zahllose weitere verletzt worden waren. Einer von ihnen war Jon Brennan, Korys fester Freund und Detective beim NYPD.
Die Ereignisse dieser Nacht hatten beinahe jeden in Dustys Umfeld hart getroffen. Wenige Stunden nach der Schießerei hatte Kory zusammen mit Jons Familie im Wartebereich des Krankenhauses gesessen und nervös auf Nachricht über Jons gesundheitlichen Zustand gewartet. Er hatte die Operation überstanden und es ging ihm Tag für Tag besser. Dasselbe konnte man leider nicht von Gio behaupten, der als Barkeeper in The Monster Bar gearbeitet hatte und als Gabes Partner zum harten Kern der Familie von All Cocks gehört hatte. Man hatte ihn am darauffolgenden Tag beerdigt und Gabe war am Boden zerstört gewesen.
Ein Foto von Gio hatte Dustys Aufmerksamkeit auf die Zeitung gelenkt. Darüber prangte die Schlagzeile Drei Tote und Dutzende Verletzte bei einer Schießerei in einem bekannten Szeneviertel in Village, daneben war das Foto eines Polizisten mit blondem Haar und kalten blauen Augen, der ebenfalls sein Leben gelassen hatte, und das von Dale Thompson, dem Schützen. Der Artikel erzählte die Geschichte eines ohnehin schon psychisch labilen Mannes, der seinen kleinen Bruder fast zu Tode geprügelt hatte, als er erfahren hatte, dass er schwul war. Danach war er in die Bar zurückgekehrt, in der er seinen Bruder und dessen Freund auf frischer Tat ertappt hatte, und hatte das Feuer eröffnet. Der Artikel endete damit, dass die Ärzte zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen konnten, ob der Bruder, David Thompson, die schweren Verletzungen überleben würde.
Dusty zerknüllte die Zeitung. Es machte ihn rasend, dass es da draußen Menschen gab, die so grausam mit der eigenen Familie umsprangen. Verdammt, wahrscheinlich war der junge Mann inzwischen seinen lebensbedrohlichen Verletzungen erlegen und dieser Psycho Dale Thompson hatte nun vier statt drei Leben auf dem Gewissen. Was musste ihre Mutter durchmachen? Der eine Sohn tot, der andere von ihm krankenhausreif geschlagen. Dusty übersah beinahe das Kleingedruckte am Ende des Artikels: Lesen Sie weiter auf Seite 23. Seine zitternden Hände strichen die Zeitung glatt und er blätterte langsam durch die Seiten.
Kunststudent David Thompson kämpft im New York Presbyterian Hospital um sein Leben. Der 21-jährige wurde vergangene Woche bewusstlos zu Hause aufgefunden, wo er mit seiner Mutter, Diane Thompson, und seinem älteren Bruder, Dale Thompson, lebte. Die Polizei geht davon aus, dass David von seinem älteren Bruder zusammengeschlagen wurde …
Dusty knurrte und überflog die nächsten Absätze, die noch einmal zusammenfassten, was in der Bar vorgefallen war, und genauer auf die möglicherweise labile Psyche des älteren Thompson-Bruders einging. Die Mutter, Diane, war eine streng gläubige Christin und nicht nur entsetzt über die Taten ihres älteren Sohnes, sondern auch über die sexuellen Vorlieben des jüngeren. »Fick dick, Schlampe«, murmelte Dusty, während sein Blick über die letzten Zeilen auf der Seite wanderte.
Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Artikels liegt David Thompson noch immer mit einer langen Liste an Verletzungen im Krankenhaus. Darunter eine gebrochene Nase, ein gebrochenes Bein sowie ein gebrochenes Schlüsselbein. Er leidet unter einer so starken Hirnschwellung, sodass er in ein künstliches Koma versetzt werden musste, bis die Schwellung abklingt oder er seinen Verletzungen erliegt.
Dusty atmete tief ein, um sich zu beruhigen, knüllte die Zeitung zu einer kleinen Kugel zusammen und warf sie zurück in den Papierkorb. Er widerstand dem Drang, den Raum zu verlassen und die Stationsschwester zu fragen, in welchem Zimmer David Thompson lag. Er geriet kurz in Panik, als er darüber nachdachte, wie Kory reagieren würde. Nicht nur, wenn er erfuhr, dass der Bruder des Mannes, der seinen Freund beinahe umgebracht hatte, im selben Krankenhaus lag, sondern auch, dass Dusty diesen … Drang verspürte, herauszufinden, wie es dem jungen Mann ging. Andererseits hatte sich David Thompson nicht ausgesucht, als Dale Thompsons Bruder geboren zu werden. Man konnte ihn nicht dafür verantwortlich machen, was Jon, Gio und den anderen in der Bar zugestoßen war. Und Dusty sollte sich nicht dafür schämen, sich für sein Schicksal zu interessieren, auch wenn er ein Wildfremder war.
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