„Ist nicht so schlimm“, sagt Hannah und deutet auf die Schlange, als Fiona aufholt. „Die Schlange. Es geht schnell, wenn es noch so früh ist.“
Fiona nickt. Die Schlange ringelt sich eng über den schmalen Fußweg und am Kebabstand an der Ecke vorbei. Hannah sieht sie unter blau glänzenden Wimpern an, mit einem Blick, der Fionas Herz so stark zum Schlagen bringt, dass sie es zwischen den Beinen spürt.
„Du bist sehr hübsch“, sagt sie, was Fiona zum Kichern bringt. „Was? Bist du. Sehr“, sagt sie. Wenn sie jetzt spricht, ist ihre Stimme langgezogen und schleppend, vielleicht macht sie das extra, um verführerisch zu klingen, aber sie klingt nicht auf gespielte Art verführerisch. Hannah fühlt sich ganz natürlich verführerisch an, auf eine mitreißende und animalische Art. Es ist etwas Rohes und Sehnsüchtiges in ihrer Art zu gucken und sich zu bewegen, und es scheint, dass ihre Stimme so belegt klingt, weil sie Fiona wirklich süß findet. Fiona selbst findet, dass Hannah die sexyste Person ist, die sie je gesehen hat. Ihre schmalen Finger, wenn sie gestikuliert, die dunkelrosa unangemalten Lippen in ihrem ansonsten scharfen, geschminkten Gesicht. Die deutliche Taille in dem engen, dunkelblauen Oberteil. Wenn Fiona ihre Hand ausstrecken würde, würde sie da perfekt hinpassen, sie würde am Burstkorb unter den Fingern spüren, wenn sie Atem holt.
„Du auch“, antwortet sie endlich, vielleicht ist sie etwas rot geworden. Es ist egal.
Die Schlange geht schnell voran, wie es Hannah gesagt hat, und plötzlich stehen sie vor den Türstehern. Sie fragen etwas und Hannah sagt: „Zwei“. Die Türsteher nicken und sie dürfen weitergehen.
Nach dem ersten Tor kommt ein riesiges Wandgemälde. Ein männlicher gefallener Engel, überwacht von einem ebenfalls nackten Mann, der wie der Teufel aussieht.
„Wunderschön, nicht?“, fragt Hannah und legt gleichzeitig leicht die Hand auf Fionas nackten Oberarm. Die Berührung explodiert in ihrem Körper, und sie muss ihre Füße fest in den Boden pressen, um sich nicht an sie zu lehnen, möchte die Wärme der Fingerspitzen festhalten, sie über den Arm gleiten lassen und die Nägel leicht schaben hören.
„Es ist wunderschön.“
Draußen ist die Nacht warm, aber die Wärme fühlt sich jetzt endlich leicht an, als wäre sie müde nach den unbeherrschten, wilden Wärmewellen des Tages und hätte sich niedergelegt. Die schwere Luft ist jetzt klar. Als der letzte Türsteher die große, schwere Eisentür zum Klub öffnet, betritt Fiona eine andere Art der Wärme. Menschenwärme. Hannah hat schon den Eintritt für beide bezahlt, als Fiona gerade den Mund schließt, der ein klischeehaftes O geformt hat. Hannah sagt: „Passt schon“, bevor Fiona den Mund wieder öffnen und protestieren kann. Dann spürt sie Hannahs warme Hand an der Hüfte und lässt sich führen. Durch einen Meer von Menschen in Leder, Samt und nackter Haut.
„Zeit, sich auszuziehen“, sagt sie und lächelt.
Sie knöpft ihre enge Jeans auf und zieht sie über die Hüfte. Das blaue Oberteil ist ein Body, Spitzenunterteil mit String. Die Spitze ist gemustert, aber man kann sehen, dass sie rasiert ist. Die Haut scheint bleich hindurch, bleicher als die Schenkel. Während sie sich ausziehen, sehen sie einander an, ohne es zu verbergen, und Fiona geniert sich nicht ein bisschen. Als sie ihr dünnes Baumwollkleid auszieht, sieht sie Hannah in die Augen. Hannah lässt ihren Blick langsam über das schwarze Unterwäscheset und Fionas sonnengebräunte Haut wandern. Sie sind fast gleich groß, Hannah ist nur wenige Zentimeter größer. Sie stellt sich so nah an Fiona, dass diese die Wärme ihres Körpers auf ihrer eigenen Haut wie Dampf spüren kann. Sie führt ihre Hände zu Fionas Gesicht und lässt sie durch ihre offenen Haare gleiten. Gräbt die Finger hinein und zieht sie nach oben. Frisiert ihre Haare in einem passenden strammen Pferdeschwanz.
„So ist es einfacher“, sagt sie mit dieser schleppenden Sexstimme. Sie löst eine direkte physische Reaktion in Fionas Körper aus. „Außerdem siehst du toll aus.“ Die Haare in Fionas Nacken stellen sich vor Behagen und Lust auf. Als sie mit dem Pferdeschwanz fertig ist, lässt sie die Finger fallen und streift Fionas Nacken mit einer weichen und lustvollen Berührung. Fiona begreift nicht, wie man jemanden so natürlich und erregend berühren kann. Wenn Hannah sie berührt, vergisst sie, dass sie sich in einem engen Klubfoyer befinden. Das laute Dröhnen der Technomusik ist weit, weit weg.
„Und, bereit für Kit Kat?“
Es hätte nicht viel gegeben, das sie darauf vorbereitet hätte, was sie in dem versteckten, grauen Haus erwartete, aber sie ist nicht schockiert. Es ist nicht unbedingt eine Zirkusvorstellung, wie das rote Schild draußen versprach. Aber es ist ein riesiger, schmutziger, reisender Karnevalsverein.
Hannah führt sie durch den Klub. Über die rappelvolle Tanzfläche und in kleine Zimmer. Treppen hinab und in versteckte Flure. Es ist ein Irrgarten von Sex und es ist berauschend. In einem Zimmer stehen Krankenhausbetten in einer Reihe. Das kalte Licht scheint auf die Paare und Konstellationen auf den mit Latex bezogenen weißen Betten. Andere Gäste stehen mit Drinks drum herum und gucken zu. Fionas Herz schlägt bis zum Hals, ihr ist warm, und sie fühlt sich übersensibel, jede Bewegung von Hannah spürt sie wie kleine Wellen auf ihrer Haut. Vor einigen Tagen hätte sie nicht glauben können, dass es sie so erregen würde, in einem offenen Raum zu stehen und mehreren Paaren beim Sex zuzusehen, aber so ist es. Ihre Nonchalance, ihr Mut, ihre Anonymität und ihre Körper. Eine schwarzhaarige Frau mit zwei geflochtenen Zöpfen hat einen Strap-on an, sie steht an den Rand eines Krankenhausbettes gelehnt, während ein Typ mit Glatze ihr einen bläst. Er streckt die Zunge heraus und leckt um die dunkle Plastikeichel, und die Frau stöhnt. Und das macht es so sexy – dass sie, obwohl sie es physisch gar nicht spüren kann, genießt, dass er ihr einen bläst. Sie hält seinen Kopf mit ihrer Hand, mahnt ihn, sie härter zu nehmen.
Fiona spürt Hannahs Worte, ehe sie sie hört – einen Hauch von heißem Atem an ihrem Ohr.
„Hey, Babe, ich habe mir das Beste für den Schluss aufgehoben. Willst du es sehen?“
Fiona braucht nicht zu antworten. Sie nimmt Hannahs Hand und folgt ihr willig, als Hannah sie wieder die Treppe hochzieht. Sie sah das helle Zimmer aus dem Augenwinkel, als sie reingekommen sind, sie hat darüber gelesen. Das Pool-Zimmer.
Hier sind die Luft und das Licht kristallklar. Hellblau und glänzend. Eine unwirkliche Oase in dem dunklen Klub. Der große Pool in der Mitte, darum Sofas und eine Sauna am Ende. Momentan badet niemand, das Wasser ist still und unberührt. Es wirft glänzende Lichteffekte auf die Wände und Körper im Zimmer, Hannahs Wimpern werfen kleine blaue Sterne auf ihre Wangen.
„Willst du in die Sauna?“
Fiona ist es, die fragt. Ihre Stimme ist tief und schleppend. Sie sagt es, ohne nachzudenken. Will Hannah jetzt ohne Kleider sehen, verschwitzt und warm. Hannah streckt die eine Hand aus und legt sie auf Fionas Rücken, streichelt ihr langsam an der Wirbelsäule hoch bis zum BH und hakt ihn schnell und geschmeidig auf. Führt die Finger weiter zu den Schultern. Sie ist langsam nähergekommen und jetzt steht sie so nah an Fiona, dass diese ihre Atmung hört. Hannah zieht ihr den BH aus und beugt sich nach vorn. Legt ihre Lippen an Fionas Hals, küsst sie federleicht. Der Atem, der Fionas Lippen bei dieser kleinen Berührung verlässt, ist animalisch und innig, ein rasselndes Stöhnen, das Hannah zubeißen lässt. Ein stechender Schmerz und eine Erregung, die Fionas ganzen Körper erzittern lassen.
„Ja“, sagt Hannah. Sie nimmt wieder Fionas Hand und sie gehen zu der kleinen Holzhütte. Sie ziehen sich selbst aus, Hannah legt ihre Kleidung zu einem perfekten Haufen und Fionas Hände zittern leicht.
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