daß sie sich wundem muß, weil er doch so bekannt ist.
Der Steinberger hat gesagt, er ist bloß durchgefahren in Ansbach, und meine Mutter hat gesagt,
dann ist es nicht möglich, daß er die Beamten kennt.
Aber die Tante hat gesagt, der Römer ist ein hoher Beamter und kommt gleich nach dem
Präsident, da muß man ihn doch kennen. Und sie hat erzählt, daß sie eigentlich seine Frau sein
muß, aber es ist nicht gegangen, weil sie aus einer Beamtenfamilie ist, wo die Söhne studiert
haben. Meine Mutter ist sonst immer in der Küche und läßt Ännchen hereingehen, wenn der
Steinberger da ist, aber heute ist sie nicht hinaus.
Ich glaube, sie hat sich nicht getraut, weil sonst die Tante geschwind etwas sagt, und sie ist
immer auf ihrem Sessel gerutscht und hat die Tante gefragt, wie es dem Förster Maier geht, und
ob seine Frau gesund ist, und wo die Kinder sind, und ob er noch den schönen Hühnerhund hat;
da hat die Tante immer eine Antwort geben müssen, und wenn sie fertig war, hat sie geschwind
den Steinberger anreden wollen, aber meine Mutter hat gleich wieder etwas gefragt.
Da ist der Steinberger aufgestanden und hat gesagt, er will nachschauen, ob der Herd noch
raucht. Da hat meine Mutter lustig gelacht, wie er draußen war, und hat gesagt, er ist immer so
aufmerksam.
Die Tante hat gesagt, sie weiß nicht, die Photographie kommt ihr geschmeichelt vor, weil er noch
stärker schielt in der Wirklichkeit.
Aber meine Mutter hat sich nicht geärgert, und sie hat jetzt die Tante gar nichts mehr gefragt über
dem Förster Maier seinen Hühnerhund und seine Kinder, und sie hat fleißig gestrickt.
Und dann ist Ännchen hereingekommen mit dem Kaffee und den Tassen, und der Steinberger ist
hinter ihr gegangen und hat gefragt, ob er nicht helfen kann.
Und dann haben wir Kaffee getrunken, und meine Mutter hat gelacht, wenn der Steinberger
etwas gesagt hat, und Ännchen hat gelacht, aber die Tante hat nicht gelacht, und sie hat immer an
ihre Nase gerieben.
Meine Mutter hat gefragt, ob es ihr schmeckt, und sie hat gesagt, sie weiß es nicht, weil es so
ungewohnt ist, denn sie kann mit ihrer Pension keinen Bohnenkaffee kaufen.
Da hat der Steinberger gesagt, das ist schade, denn der Kaff ee ist das Beste, was es gibt,
besonders wenn ihn Fräulein Ännchen kocht.
Die Tante hat ihn gefragt, ob er immer den Kaffee so gerne gemocht hat, und er hat gesagt ja. Da
hat sie gelacht und hat gesagt, das kann sie gar nicht glauben, weil die Studenten so gern Bier
trinken.
Da hat er auch gelacht und hat gesagt, daß er nicht viel getrunken hat, weil er fleißig sein mußte
und nicht viel Geld hatte. Aber die Tante hat wieder gesagt, sie glaubt es einmal nicht.
»Warum glaubst du es nicht?« hat meine Mutter gesagt. »Es gibt doch viele Studenten, die kein
Bier nicht trinken, und der Herr Amtsrichter hat keine Zeit dazu gehabt, und er mußte mit seinem
Geld sparen.«
»Das weiß man schon, wie die Studenten sparen«, hat die Tante gesagt. »Wenn sie nichts mehr
haben, so lassen sie alles aufschreiben. Das weiß niemand besser als ein Mädchen, von dem drei
Brüder studieren. Und der Herr Amtsrichter hat so wenig Haar auf dem Kopf, da war er gewiß
einmal recht lustig.«
Ännchen hat gerufen: »Aber Tante!« Und meine Mutter hat gerufen: »Aber Frieda!« Und sie hat
gesagt: »Was habt ihr denn? Ich meine es im Spaß, und es ist doch wahr, daß man seine Haare
verliert, wenn man recht lustig ist und ein bißchen gerne trinkt.«
Ich habe gemeint, der Steinberger ärgert sich. Aber er hat gelacht und hat gesagt, daß er schon oft
in diesem Verdachte steht, aber er ist einmal krank gewesen, und da sind ihm die Haare
weggekommen.
Er ist bald aufgestanden, weil er in seine Kanzlei muß, und er hat meine Mutter auf die Hand
geküßt, hat vor der Tante eine Verneigung gemacht und mich hat er lustig beim Ohr genommen
und hat gesagt: »Sei recht brav, wenn du es fertigbringst, du Schlingel!« Ännchen hat ihn bis zur
Haustür begleitet; wie wir allein gewesen sind, hat meine Mutter gesagt: »Frieda, es ist
schrecklich mit dir! Wenn er beleidigt ist, kann ich nie mehr gut sein mit dir.«
Und da ist auch Ännchen wiedergekommen und ist gleich auf das Kanapee hingefallen und hat
geheult und hat gesagt, sie glaubt, daß der Steinberger nie mehr zum Kaffee kommt, und er ist
viel schneller fort wie sonst.
Die Tante hat noch eine Tasse vollgeschenkt und hat gesagt, sie hat noch keine Familie gesehen
mit so kaputte Nerven, und sie muß sich wundern, wo das herkommt.
Da habe ich gedacht, ich will schon machen, daß sie auch heult, und bin geschwind hinaus. In
meinem Zimmer habe ich das Pulver geholt, und eine Zündschnur habe ich auch gehabt, weil ich
oft im Wald einen Ameisenhaufen in die Luft sprengen muß. Ich habe das Pulver in ein Papier
gewickelt und die Schnur hineingesteckt, und dann bin ich in der Tante ihr Zimmer und habe
alles in den Käfig getan. Diese Schnur ist so lang gewesen, daß sie fünf Minuten brennt, und sie
ist herausgehängt.
Wie ich das Paket mit dem Pulver hineingeschoben habe, ist der Papagei ganz oben
hinaufgeklettert und hat seinen Schnabel aufgerissen und hat gefaucht wie eine Katze.
Ich bin noch mal auf den Gang hinaus und habe gehorcht, ob niemand kommt, es ist aber ganz
still gewesen.
Da bin ich wieder hinein und habe das Zündholz angebrannt und an die Schnur gehalten. Es hat
gleich geraucht. Der Papagei ist jetzt auf der Stange gesessen und hat den Kopf auf die Seite
getan und Obacht gegeben auf mich. Ein Auge hat er zugedrückt, und mit dem andern hat er
furchtbar geschaut. Wie die Zündschnur geraucht hat, ist der Papagei hergerutscht und hat seinen
Kopf herausgesteckt und hat hinuntergeschaut, warum es raucht.
Ich dachte, er wird es schon noch merken und bin geschwind fort, aber wie ich an das
Wohnzimmer gekommen bin, da bin ich langsam gegangen und bin ganz ruhig hinein, als wenn
nichts ist.
Ännchen hat noch geweint, und meine Mutter war rot im Gesicht, und die Tante hat noch Kaffee
getrunken. Ich glaube, sie haben es gar nicht gemerkt, daß ich fort war.
Die Tante hat gerade gesagt, sie weiß schon, daß man sie in unserer Familie nicht leiden kann,
aber das ist immer der Dank von den Brüdern, wenn sie fertig sind und das ganze Geld gebraucht
haben, dann kümmern sie sich nicht mehr um die Schwestern.
Da hat meine Mutter gesagt, daß unser Vater sich schon gekümmert hat um sie und daß er oft
gesagt hat, es tut ihm leid, wenn die Frieda nirgends bleiben kann wegen ihrem bösen Mundwerk.
Die Tante hat den Kaffeelöffel auf den Tisch geworfen und hat geschrien: »Wenn er das gesagt
hat, ist es eine Gemeinheit! So muß man es seiner Schwester machen! Zuerst das Geld verputzen,
und dann... «
»Pff-umm!«
Es hat einen dumpfen Knall gemacht, und das Küchenmädchen hat gleich furchtbar geschrien
und ist hereingelaufen, und wie sie die Tür aufgemacht hat, da hat es furchtbar nach Pulver
gerochen, und der Gang ist voll Rauch gewesen.
Ich habe vergessen gehabt, daß ich die Zimmertür von der Tante zumache.
Das Mädchen hat gerufen, es ist was losgegangen, sie glaubt, es brennt. »Wo? wo?« hat Ännchen
geschrien.
»Um Gottes willen, wo ist die Feuerwehr?« hat meine Mutter geschrien.
Wir sind auf den Gang gelaufen, da hat man gesehen, daß der Rauch aus der Tante ihrem Zimmer
kommt, und die Tante ist hinein, und da hat sie geschrien, als ob sie auf dem Spieß steckt.
»Um Gottes willen, was ist jetzt? hat meine Mutter gesagt, und es ist ihr schwach geworden, daß
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