Die nächsten sechs bis acht Wochen erinnere ich als eine unbeschwerte Zeit. Mariella und ich besuchen gemeinsam Veranstaltungen des RINGs, oder wir verabreden uns im kleineren Kreis. Aus unerfindlichen Gründen legt Mariella Wert darauf, dass die anderen RING-Mitglieder nicht von unserer Freundschaft erfahren.
Bei einem Kinobesuch zu zweit sitzen Mariella und ich in einer der hinteren Reihen. Kurz vor Vorstellungsbeginn betreten unerwartet mehrere Ringmitglieder den Saal und lassen sich weiter vorne nieder. Mariella will auf keinen Fall entdeckt werden, was natürlich misslingt. Als wir nach der Vorführung von den anderen Nibelungen, darunter Katharina und Klaus doch erkannt und begrüßt werden, reagiert sie aber ganz unbefangen.
Familientreffen und Spaziergang im Park
Mariella und ich müssen mehr als dieses eine Mal zu zweit ausgegangen sein. Ich erinnere mich dunkel an einen Abend, an dem wir mit meinem Vater in einem Restaurant mit Tanz zusammentrafen. Der Abend klang aus mit einem nächtlichen Spaziergang durch den Schillerpark. In meiner Erinnerung umarmten und küssten Mariella und ich uns im Park. Sind wir uns aber damals wirklich so nahegekommen? Ich verbuche dieses Fragment unter der Rubrik „Wunschtraum“. Aber, ob eingebildet oder nicht, die Erinnerung an diesen Spaziergang, an Mariellas Geruch und an das Rauschen der Bäume im Park ist auch vierzig Jahre später noch lebendig.
Eine weitere spukhafte Erinnerung aus diesem Zeitraum bezieht sich auf einen festlichen Ball, an dem meine Eltern und ich zusammen mit Mariella teilnahmen. Habe ich dieses Ereignis nur geträumt? Dass dieser Ball tatsächlich stattgefunden hat, kommt mir heute wenig wahrscheinlich vor. Ich kann mich auch nicht erinnern, in welcher Stadt sich dieses Ereignis abgespielt hat, noch weniger wann. Vielleicht in Junghafen und am ehesten in den Pfingstferien Ende Mai, so spekuliere ich. Meine Eltern wohnten zu diesem Zeitpunkt bereits in Perzhaag. Waren sie tatsächlich anlässlich dieses Balles nach Junghafen gereist? Andererseits warum sollte ich mir diesen Ball ausgedacht haben?
Im Frühsommer, die Datierung ist unsicher, scheine ich jedenfalls Mariella als feste Partnerin gewonnen zu haben, bereit, mit mir exklusiv und regelmäßig auszugehen. Als versteckte Liebeserklärung fabriziere ich ein fiktives ausgefülltes „behördliches“ Antragsformular. Mit Stempeln versehen sieht es durchaus amtlich aus. Ich schicke ihr dieses Formular zu, samt zwei Anlagen, nämlich einer „Amtlichen Existenzbescheinigung“ und einem „Polizeilichen Führungszeugnis“. Beantragt werden von mir Rendezvoustermine mit Mariella, wie gemeinsame Spaziergänge, Besuch von Tanzveranstaltungen und von Eiscafés. Um die Liebeserklärung samt formlosem Heiratsantrag in den Formularen zu entdecken, müsste man den langatmigen Text gründlich lesen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Mariella diese Zeit nicht genommen hat:
Sinngemäß beinhaltet das Papierungetüm eine Lizenz für Mariella, jederzeit mit mir auszugehen, beziehungsweise mich jederzeit als ihren Begleiter zu verpflichten. Auslöser war, dass sie zum ersten Mal die Initiative ergriffen und mir vorgeschlagen hatte, etwas mit ihr allein zu unternehmen, in diesem Fall eine Ausstellung zu besuchen. Mit der „Verfügung“ wollte ich ihr zeigen, dass es mich freut, wenn auch sie mal initiativ wird. Mariella lacht dazu und sagt: „Lass uns erst sehen, wie wir zurechtkommen. Vielleicht hast du bald gar keine Lust mehr, mir deine Zeit zu opfern.
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