Die Verteilungslehre
Smith hat sich eingehend mit dem Verteilungsproblem auseinandergesetzt, doch ist hier vieles im Unklaren geblieben. Dies gilt vor allem für seine Lohntheorie.So wird die Höhe des Lohnes ebenfalls durch Angebot und Nachfrage bestimmt, andererseits kann der Lohn nicht unter das Existenzminimum sinken. Am Ende fasst aber auch Smith den Lohn als Residualeinkommen(Resteinkommen im Sinne des Existenzminimums) auf.
Der Kapitalprofit hingegen weist bei Smith eine Tendenz zum Sinken auf.
Die große Anziehungskraft von Smith’s Lehre liegt zweifelsohne in der Mannigfaltigkeit ihrer Gesichtspunkte, in ihrem realistischen Blick für die Möglichkeiten des tatsächlichen ökonomischen Geschehens und in der Anschaulichkeit ihrer Darstellungsweise.
Die Fortbildung des klassischen Systems durch Ricardo
Die von Adam Smith begründete Lehre des klassischen Systems erhielt durch David Ricardo (1772 – 1823)eine ausgesprochen theoretische Ausrichtung. Ricardo lässt die Frage nach den Ursachen und dem Wesen des Reichtums beiseite und widmet sich ganz dem Problem der Einkommensverteilung. Dabei stellte er insofern einen neuen Gesichtspunkt in den Vordergrund, als er versuchte, die Ursachen und Momente zu erfassen, die generell für die relative Höheder einzelnen Einkommenszweige bestimmend waren.
Die Wert- und Preislehre
Die Lehre der Verteilung entwickelt Ricardo auf der Grundlage seiner Werttheorie, in der er ebenso wie Smith eine Unterscheidung von Gebrauchswert (value in use)und Tauschwert (value in exchange)trifft, und ebenso wie Smith lässt er dabei den Gebrauchswert in seiner Lehre unberücksichtigt. Der Gebrauchswert sei mit dem Nutzen identisch und die Ursache des Wertes, aber nicht dessen Maß. Den Tauschwert definiert Ricardo als die Fähigkeit, andere Güter zu kaufen. Er unterscheidet auch zwischen Seltenheitsgüternund beliebigen, reproduzierbaren Gütern,doch spielen die Seltenheitsgüter nur eine untergeordnete Rolle. Bei den beliebig reproduzierbaren Gütern entspricht jedoch „der Wert des Gutes oder die Menge irgendeines anderen, für welches es sich austauschen lässt ... der verhältnismäßigen Menge, der zu seiner Produktion erforderlichen Arbeit.
Die Rente
Die Lehre von der Verteilung des Sozialproduktes ist bei Ricardo viel einheitlicher durchgeführt als bei Smith. Den Ausgangspunkt dieser Lehre bildet die Rentenlehre. Ricardo lehnt die Auffassung, dass eine Rente gezahlt werden müssen weil die Natur bei der Gütererzeugung in der Landwirtschaft mitwirke, oder weil der Boden fruchtbar ist, auf das Entschiedenste ab. Die Zahlung der Rente erfolgt erst dann, wenn infolge der Bevölkerungsvermehrung geringwertigerer Boden zur Bebauung herangezogen werden muss. Die Rente entsteht also nicht aus der Fruchtbarkeit, sondern aus der Seltenheit des Gutes Boden. Die Rente nennt Ricardo auch eine Differenzialrente. Dazu entwickelt er eine umfassende Theorie, die hier aber nicht ausgeführt werden bracht.
Lohntheorie
Aus Ricardos Grundrententheorie ergeben sich bestimmte Konsequenzen für die Höhe der übrigen Einkommensarten, des Lohnes und des Kapitalprofits. Für den Lohn ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage entscheidend. Sein natürlicher Preis „ist jener Preis, der nötig ist, die Arbeiter instand zu setzen, sich zu erhalten und ihr Geschlecht fortzupflanzen... .“ Der Reallohn muss nach Ricardo auf die Dauer unverändert bleiben. Einen Arbeitsmarkt im Sinne von Smith und Ricardo gibt es natürlich heute nicht mehr, da die Gewerkschaften diesen mit ihren Streiks und Tarifverträgen ausgehebelt haben.
Die Lehre vom Kapitalprofit
Der Profitist nach Ricardo ein reines Residualeinkommen. Der Kapitalist erhält das, was von der Produktion nach Abzug der Grundrente und des Arbeitslohns übrigbleibt. Dabei weist der Kapitalprofit nach Ricardo, genau so wie bei Smith, eine sinkende Tendenz auf. Dieser These werden wir später bei Karl Marx wieder begegnen. Wir wissen aber heute, dass sich sowohl Ricardo, als auch Smith, in diesem Punkt getäuscht haben.
Ricardos theoretische Untersuchungen erstrecken sich jedoch nicht nur Auf die Problemkreise der Wert- und Verteilungslehre, sondern setzen sich auch mit Fragen der Außenhandelslehre, der Geldtheorie und mit dem Krisenproblem auseinander. Große und bleibende Bedeutung haben die Theorie der komparativen Kostenund seine geldtheoretischen Untersuchungen erlangt.
Malthus‘ Kritik an Ricardo
Unter den Schriftstellern, die sich mit Ricardo kritisch auseinandergesetzt haben, kommt den Anschauungen von Thomas Robert Malthus (1766 – 1834)eine besondere Bedeutung zu. Malthus hat seine Einstellung zu den Aufgaben, den Zielen und der Arbeitsweise der theoretischen Forschung u.a. in seinen „Principles of Political Economy“ dargestellt, die auch heute noch lesenswert sind, da in ihnen das Verhältnis von theoretischer Erkenntnis und wirklicher Wirtschaft ausführlich erörtert wird. Dabei fällt das erste Mal der Begriff der „politischen Ökonomie“, wie er dann später von Karl Marx gebraucht wird.
Die ökonomischen Theorien
Malthus‘ Bestreben, die theoretische Analyse so zu gestalten, dass sie imstande ist möglichst wirklichkeitsnahe Erkenntnissezu erbringen, ist auch bei der Auseinandersetzung mit ihren einzelnen Problemen erkennbar. In der Wert- und Preislehre lehnt Malthus die Ansicht Ricardos ab, dass die aufgewendete Arbeit den relativen Wert der Güter bestimme, und räumt den Produktionskosten bei der Preisbildung daher nur eine beschränkte Wirkung ein. Ricardos Wertlehre lasse so viele Ausnahmen zu, dass das Wertgesetz praktisch keine Gültigkeit habe. Diese Argumentation hat sich aber nie durchgesetzt.
Eben so wenig überzeugend war Malthus‘ Polemik gegen Ricardos Produktionskostentheorie. Diese bestimmen, so Malthus, nicht die Veränderung des Tauschwertes, sondern allein das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Dies gelte sowohl für den natürlichen Preis, als auch für den Marktpreis.
In der Verteilungslehrekommt Malthus ebenfalls infolge seines Bemühens, die Vorgänge des Wirtschaftslebens aus einer realistischen Sicht zu erfassen, zu Ergebnissen, die häufig von Ricardo abweichen. Ricardo selber hat die Lehren von Malthus auf das entschiedenste bekämpft.
Malthus ist aber der breiten Öffentlichkeit durch seine Bevölkerungslehrein bleibender Erinnerung geblieben. Und hier liegt vielleicht sein größter Verdienst. Im Gegensatz zu den Auffassungen des englischen Sozialphilosophen William Godwin (1756 – 1836)glaubt Malthus nicht, dass die Bevölkerung unbegrenzt wachsen könne. Die Möglichkeiten auf der Erde haben natürliche Grenzen, so dass auch die Möglichkeit der Bevölkerungszunahme begrenzt ist. Dieser Gedanke ist heute allgemein anerkannt.
Die Vollendung des klassischen Systems durch Mill
Die dritte Phase in der Entwicklung der klassischen Lehre ist durch das Werk von John Stuart Mill (1806 – 1873)gekennzeichnet, der die theoretischen Ansichten seiner Vorgänger in systematischer Weise zusammenfasste. Die Ausgestaltung des gesamten Systmserreichte er vor allem durch eine grundlegende Klarstellung der Prinzipien und der Methode der Lehre. Seine methodologischen Einsichten sind deshalb bemerkenswert, weil sie den Versuch darstellen, in umfassender Weise Wesen und Ziel der theoretischen Forschung in der Wirtschaftswissenschaft zu bestimmen.
Die ökonomischen Theorien
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