Das Buch
Der erste Teil des Kriminalromans spielt in den Jahren 2007/2008. Die Entfesselung der Kapitalmärkte durch den Neoliberalismus erreicht ihren Höhepunkt. Unerwartet erschüttert eine globale Finanzkrise die Welt.
Der zweite Teil trägt sich im Jahr 2013 zu. Die NSA-Affäre macht einer breiten Öffentlichkeit zum ersten Mal deutlich, wie sehr die Digitalisierung zum Ausspionieren von Institutionen und Privatpersonen durch staatliche Einrichtungen ausgenutzt wird.
Hauptschauplätze: Madrid, München, Berlin
Der Roman zeigt die schrittweise Ablösung der analogen Welt durch die digitale Welt mit ihren Algorithmen.
Der Autor
Robert Helm, geboren 1954, ist promovierter Volkswirt. Bis 2015 war er in der Investmentbranche in führenden Positionen als Managing Director für Vertrieb und Portfoliomanagement tätig. Seit 1987 beobachtet er als Insider die Entfesselung der Finanzmärkte durch den Neoliberalismus und die daraus resultierenden Bankenpleiten ausgelöst durch die globale Finanzkrise 2008. Sein erster Roman „Zweimal Morden lohnt sich nicht“ spielt in der Welt, der sich allmächtig fühlenden Finanzmathematiker.
Texte: © Copyright by Robert Helm
Umschlaggestaltung: © Copyright epubli
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Impressum
Robert Helm,
Auf dem Wasen 4,
81825 München
Rohe313@gmail.com
Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin
eBook
Hersteller epubli
2019
Robert Helm
Zweimal
Morden
lohnt sich
Kriminalroman
Teil 1
1. Kapitel
Montag, 20. August 2007, Madrid
Es war neunzehn Uhr, und Madrid lag immer noch unter einer Hitzeglocke. Dr. Rudolf Rudolph hatte einen langen anstrengenden Arbeitstag hinter sich und wollte jetzt nur noch entspannen. Heute würde kein Abendessen mit seinem Kunden stattfinden. Der Familienunternehmer hatte seine Einladung mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Kein gutes Zeichen. Schon seit ein paar Wochen spürte er, dass die Zeiten härter werden wollten. Mit diesen düsteren Gedanken schloss er seine Hoteltür auf und betrat seine großzügige luxuriöse Suite, die sein Arbeitgeber teuer bezahlte. Nicht einmal den großartigen Ausblick auf die wunderschöne Parkanlage konnte er genießen.
Stolz blickte er auf die vergangenen fünf Jahre als erfolgreicher Investmentbanker zurück. Er hatte seinen Arbeitgeber und auch sich selbst mit margenstarken selbst entwickelten Finanzprodukten reich gemacht. Ein breiter mit viel Geld ausgestatteter Investorenkreis vertraute seinen Produkten und seinen Empfehlungen blind, weil er bis jetzt noch keine kostspielige Niete angeboten hatte. So sollte es nicht bleiben.
Er stellte den Aktenkoffer im Kleiderschrank ab, entledigte sich hastig seiner eleganten Berufskleidung, nicht ohne sie sorgfältig aufzuhängen und ließ sich eine Viertelstunde von allen Varianten der aufwendigen Dusche entspannen. Abwechselnd hämmerten heftige Wasserstrahlen auf seine Haut und Muskulatur und duftende Wasserwolken aus Regen, Nebel und Licht umschmeichelten seinen Körper. Als er die halbrunde Kabine verließ, betrachtete er sich prüfend im Spiegel. Wie immer haderte er mit seiner H-Typ-Figur. Seine Schultern und Hüften waren nahezu gleich breit, was ihm langweilig erschien. Er hätte den athletischen Y-Typ bevorzugt, als genetische Bestimmung.
Aus dem Spiegel schaute ihn ein Gesicht an, das durch eine breite Stirn im Vergleich zum Wangenbereich und zur Kinnpartie auffiel. Hier habe ich meine Y-Form, dachte er. Eine große, breite Nase und ein breiter Mund fügten sich auffällig in diese Geometrie. Augen und Mund beherrschten in genialem Zusammenspiel die ganze Klaviatur von Häme, Ironie bis Verwunderung, aber nie Wärme oder Bewunderung.
Nein, nicht wie der amerikanische Schauspieler mit dem teuflischen Blick eher wie der österreichische Schauspieler, der so deutsch wirkt, dachte er.
Die kunstvolle Fähigkeit seine Mimik auf diese Gefühlswelten zu beschränken, erfüllte ihn mit Stolz. Eine Eigenschaft, die ihm bei wichtigen Geschäftsabschlüssen so manchen lukrativen Dienst erwiesen hatte.
Das braune Haupthaar trug er mittellang bis kurz immer darauf achtend, dass die mächtige Stirn nicht verdeckt wurde. Er trocknete sich ab, gönnte sich eine zweite Nassrasur und nahm reichlich von dem dezenten Rasierwasser. Als er das Bad verließ, hatte er seine innere Spannung fast wiedergefunden.
Eine halbe Stunde später verließ er in Smart-Casual-Kleidung die Hotellobby. Sein Ziel war die Umgebung des Plaza Major. Gut zwanzig Minuten Fußweg vom Ritz. Kein schöner Spaziergang durch die lauten stark befahrenen Straßen. Das erstklassige Hotel lag günstig zu verschiedenen Parkanlagen der Hauptstadt wie dem weitläufigen Retiro Park. Aber Ruhe und Natur entspannten ihn nicht. Im Gegenteil, sie steigerten seine Nervosität. Er überquerte den zentralen Platz, beobachtete interessiert die Außenbereiche der Restaurants und Cafés, die bereits von Touristen besetzt waren und steuerte sein eigentliches Ziel an, den Mercado San Miquel, der nur dreihundert Meter entfernt lag.
Diese Markthalle ähnelte einer Orangerie, da das Gerippe aus Eisenträgern bestand, die mit großflächigen Glasscheiben an den Außenwänden verbunden waren. Rudolph wusste, dass sie 1916 erbaut wurde und unter Denkmalschutz stand. Er wusste aber auch, welcher Eingang zu wählen war, um auf direktem Weg den Stand mit den Keulen der schwarzen Schweine zu erreichen. Sie hingen dicht nebeneinander, alle mit einem kleinen unten verschlossenen Trichter versehen, der den letzten Rest Feuchtigkeit eines langen Lufttrocknungsprozesses aufnahm. Er bestellte fünfzig Gramm und beobachtete zufrieden, wie der Verkäufer mit einem langen Messer die dünnen Scheiben aus der Bellota Keule schnitt, die in einem Schinkenhalter fixiert war. Er beglich den horrenden Preis, nahm das kleine Tablett aus Pappe entgegen und gab sich sofort der unvergleichlichen Geschmacksmischung aus Salz, Fett und Nuss hin. Er schätzte gutes Essen und Trinken sehr, wobei es keine kulinarische Leidenschaft war. Es war nicht die feine Küche, die ihn begeisterte, sondern das hochwertige, seltene und unverfälschte Produkt, das seine Geschmacksnerven stimulierte. Die Kombinationen aus salzig, süß, bitter, sauer oder würzig zu entschlüsseln, brachte ihm höchste Befriedigung. Bier lehnte er ab. Weine und Champagner mussten einen eigenen, unverkennbaren eigenständigen Charakter haben, dann genoss er sie ausnahmslos. Dom Perignon aus dem Hause Moet & Chandon war für ihn konkurrenzlos.
Jetzt war er endlich wieder ganz bei sich und seine Gedanken wanderten wieder zu seinem Kunden. Diesmal würde seine Geschäftsreise zu keinem schnellen Abschluss führen. In der Vergangenheit war der reiche Familienunternehmer immer schnell und unkompliziert auf seine Vorschläge eingegangen. Seine hohe Liquidität floss in Produkte seiner Investmentbank und brachte seinem Arbeitgeber und nicht zuletzt auch ihm satte Profite, allerdings blieben seine letzten beiden Vorschläge den Erfolg schuldig. Tatsächlich war die Situation schlimmer als der Investor vermutete, wenn nicht bald eine Wende an den Zinsmärkten eintrat.
Er steuerte einen nur mäßig besuchten Weinstand an und bestellte ein Glas weißen Rioja. Neben seiner ersten Lieblingsbeschäftigung, beruflich erfolgreich zu sein, die ihm gegenwärtig nicht so viel Freude einbrachte, liebte er es Passanten zu beobachteten. Er studierte Physiognomie, Gang, Haltung und Gestik. Dann schloss er auf die Persönlichkeit. Besonders gerne beobachte er auch kleine Gruppen. Er suchte nach dem Hierarchiegefüge. Es gab immer einen Leader und einen Spaßverderber, der gerne Leader gewesen wäre, aber die Eigenschaften nicht ausreichend besaß. Die übrigen Gruppenmitglieder blieben mehr oder weniger passiv.
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