Wir dankten ihnen durch Zeichen, da wir ihnen etwas andres nicht zu bieten hatten; doch sollte sich bald eine Gelegenheit finden, durch die wir ihnen einen großen Dienst erweisen konnten. Zwei furchtbare Tiere, von denen das eine das andre verfolgte, rannten von den Bergen gegen die See herab. Die Neger liefen in hastigem Laufe davon, nur der Mann mit der Lanze blieb stehen. Die beiden Bestien dachten indes nicht daran, die Schwarzen anzufallen, sondern stürzten in das Wasser, als seien sie nur gekommen, um sich an einem frischen Bade zu erquicken. Ich lud unsre drei Gewehre, und da eines der Tiere nahe genug gekommen war, schoß ich dasselbe gerade durch den Kopf, so daß es untersank. Bald aber kam es wieder in die Höhe, tauchte bald auf, bald unter und schien mit dem Tode zu ringen. Das andre Tier, von dem Blitz und Knall des Gewehres abgeschreckt, schwamm an das Ufer und lief nach der Wildnis zurück.
Unmöglich läßt sich das Staunen der Neger beschreiben, das sie bei dem Knalle und dem Feuer meiner Flinte befiel. Als sie aber das Tier tot auf dem Wasser schwimmen sahen und ich ihnen winkte, ans Ufer zu kommen, faßten sie wieder Mut. Ich schlang dem Tier einen Strick um eine Pfote und warf dessen Ende den Negern zu, welche dann den Leichnam ans Land zogen. Jetzt erst bemerkte ich, daß es ein kräftiger, schön gefleckter Leopard war. Die Neger gaben mir zu verstehen, daß sie nicht übel Lust hätten, das Fleisch des Leoparden zu essen; und da ich ihnen durch Zeichen ausdrückte, daß ich ihnen diese Beute zum Geschenk machen wolle, schienen sie außerordentlich dankbar zu sein und gingen sogleich daran, dem Tiere die Haut abzuziehen.
Von dem Fleische, das sie mir anboten, nahm ich nichts an, sondern verlangte nur das Fell, das sie mir gern überließen. Noch begehrte ich von ihnen Wasser, indem ich einen Krug mit der Hand umkehrte, um anzudeuten, daß er leer sei. Sofort riefen sie einige Weiber herzu, die dann ein großes irdenes Gefäß herbeibrachten. Sie stellten es an das Ufer, wie früher die Lebensmittel, und ich schickte Xury ab, um unsre drei Krüge aus diesem Gefäße mit Wasser zu füllen.
So war ich denn mit Fleisch, Korn und Trinkwasser versehen, nahm daher von den freundlichen Negern Abschied und segelte wiederum in der bisherigen Richtung zehn Tage lang, ohne zu landen, bis ich endlich vier oder fünf Stunden entfernt das Land weit in das Meer vorspringen sah. Die See war still; ich umsegelte diese Landspitze in einer Entfernung von ungefähr zwei Stunden. Bei dieser Fahrt sah ich ganz deutlich das andere Ufer des Kaps und vermutete – wie ich erfuhr, mit Recht – daß es das Grüne Vorgebirge sei und die Kapverdischen Inseln. Ich machte keinen Versuch, nach den letzteren zu steuern, da ich fürchtete, ein widriger Wind könnte mich in den offenen Ozean treiben.
In dieser Lage ging ich in die Kajütte und hing meinen Gedanken nach. Plötzlich rief Xury, der am Steuer saß: »Herr, ein Schiff mit Segeln!« Er war ganz außer sich vor Schrecken, weil er glaubte, unser maurischer Herr setzte uns mit einem Fahrzeug nach. Ich sprang aus der Kajütte und sah sofort, daß das Schiff ein portugiesisches war. Ich segelte und ruderte, so sehr ich konnte, um es einzuholen; endlich bemerkte man uns und zog die Segel ein, um uns herankommen zu lassen.
Man fragte mich auf portugiesisch, auf spanisch und auf französisch, wer ich sei, allein ich verstand keine dieser Fragen. Zuletzt erkundigte sich ein schottischer Matrose, der sich an Bord befand, auf englisch nach meinen Verhältnissen, und diesem sagte ich, daß ich ein Engländer und aus der Sklaverei der Mauren in Saleh entflohen sei. Man ließ mich nun an Bord kommen und nahm uns beide samt meiner Habe freundlich auf.
Ich empfand über meine Rettung unaussprechliche Freude und bot dem Kapitän als Beweis meiner Dankbarkeit mein ganzes Besitztum an. Allein er erwiderte mir großmütig, daß er nichts annehmen wolle: »Nein, Senhor Inglese (Herr Engländer), ich bringe Euch aus reiner Christenliebe nach Brasilien, und die Gegenstände, die Ihr mir anbietet, werden Euch dort zum Lebensunterhalt und zur Rückreise dienen.«
So edelmütig sein Vorschlag war, so pünktlich erfüllte er ihn auch. Keiner seiner Matrosen durfte etwas von meiner Habe anrühren. Als er mein Boot in gutem Zustande sah, machte er mir den Vorschlag, es ihm zu verkaufen. Ich antwortete ihm, er habe sich so edelmütig gegen mich gezeigt, daß ich es mir zur Ehre schätze, ihm mein Boot umsonst zu überlassen. Der Kapitän nahm jedoch das Anerbieten nicht an, sondern bezahlte das Boot und gab mir 80 Stück Dublonen; ebenso bot er 60 Stück für meinen Jungen Xury. Er wollte sich verpflichten, Xury nach zehn Jahren freizugeben, wenn er zum Christentum überginge; der Maure willigte freudig ein, und ich überließ ihn dem Kapitän.
Nach einer glücklichen Fahrt, die ohne Unfälle von statten ging, liefen wir in die Allerheiligenbai ein. Der edelmütige Kapitän ließ mich nichts für die Überfahrt bezahlen; er gab mir 20 Dukaten für das Fell des Leoparden und 40 für das des Löwen; er lieferte mir alle meine Sachen aus und kaufte mir alles ab, was ich ihm ablassen wollte, so z. B. den Flaschenbehälter, zwei meiner Flinten. Dies brachte mir gegen 220 Stück Dublonen ein; mit diesem Kapital ging ich in Brasilien ans Land.
Kurze Zeit darauf empfahl mich der Kapitän dem Hause eines Mannes, der ebenso rechtschaffen war, wie er selbst, und eine Zuckerpflanzung mit Siedewerk betrieb. Ich blieb einige Zeit bei ihm und machte mich bald mit dem Verfahren der Zuckerpflanzung vertraut. Dabei hatte ich Gelegenheit, das bequeme Leben der Pflanzer sowie ihren schnell emporblühenden Reichtum zu beobachten, so daß in mir der Wunsch aufstieg, mich ebenfalls als Pflanzer niederzulassen. Ich dachte nun an Mittel, mein in London gelassenes Geld hierher kommen zu lassen, kaufte so viel Land, als meine Mittel erlaubten, und entwarf einen Plan zur Errichtung meiner Pflanzung.
Drittes Kapitel. Robinson als brasilischer Pflanzer.
Robinson als Pflanzer.
Robinsons Aufenthalt in Brasilien als Pflanzer. – Eine neue Reise. – Schiffbruch.
Mein edelgesinnter Kapitän hatte drei Monate auf Ladung gewartet und stand eben im Begriff, die Rückreise anzutreten, als ich das Gespräch auf das Kapital brachte, welches ich noch in London stehen hatte. Er erteilte mir den wohlmeinenden Rat: »Senhor Inglese, gebt mir Vollmacht und legt mir einen Brief bei an diejenige Person in London, bei welcher Euer Geld steht. Laßt Eure Effekten nach Lissabon gehen, die ich als Euer Bevollmächtigter Euch auf meiner nächsten Reise mitbringen werde. Da aber die menschlichen Dinge tausend Zufälligkeiten ausgesetzt sind, so möchte ich Euch raten, mir nur eine Anweisung auf 100 Pfund Sterling, als die Hälfte Eures Vermögens, auszustellen; denn geht diese verloren, so bleibt Euch doch noch die andre Hälfte.«
Ich nahm diesen Rat an und ließ die Vollmacht für den Portugiesen ausfertigen. Der Witwe des englischen Kapitäns schilderte ich meine Abenteuer, meine Sklaverei, mein Entrinnen sowie das Zusammentreffen mit dem portugiesischen Kapitän und dessen menschenfreundlichen Beistand. Als der Mann nach Lissabon kam, fand er Mittel, der Frau meines verstorbenen Freundes meinen Brief zu übersenden, worauf sie ihm nicht nur das bare Geld, sondern auch ein Geschenk für seine liebevolle Teilnahme einschickte. Der Kaufmann in London legte diese 100 Pfund in englischen Waren an, wie ihm der Kapitän aufgetragen hatte, und sandte sie nach Lissabon ein. Diese Waren nebst allerhand nützlichen Werkzeugen überschickte mir der Kapitän; ja sogar einen Diener hatte er für die fünf Pfund Sterling, die er von der Witwe zum Geschenk erhalten, für mich angeworben mit der Verpflichtung, mir sechs Jahre zu dienen. Auch der Erlös aus den englischen Manufakturwaren übertraf meine Erwartungen, so daß ich mit meinen Vermögensverhältnissen vollkommen zufrieden sein konnte. Nun dachte ich daran, noch einen europäischen Diener zu mieten und einen Neger zu kaufen. Die Ernte im nächsten Jahre fiel glänzend aus.
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