Vergeblich suchte ich im Medizinschränkchen nach den kostbaren Schmerztabletten. Aber den Vorrat von drei Packungen, welcher dank der regelmäßigen leichten Migräne meiner Ehehälfte immer vorhanden war, hatte ich in den letzten zwei Wochen auf Grund dieses leichten „Pochens“ schon komplett verschluckt. Zwei Stunden war ich dann Versuchskarnikel meiner auf immer neue Ideen kommenden Haus- und Kinderärztin von Frau. Tiefgefrorene Steaks lagen auf der Beule. Angewärmte Ziegelsteine sollten folgen und weitere, in zehn Generationen überlieferte Schmerzbefreiungsmöglichkeiten hatte meine mit leidende Ehehälfte schon ausprobiert.
Auch das Gurgeln mit 70%-igen Alkohol hatte nicht geholfen, obwohl diese Methode aus alter Gewohnheit für mich noch die angenehmste war. Auf Grund der immer wieder auftretenden Zuckungen in der rechten Gesichtshälfte habe ich dann beim Gurgeln doch ab und zu etwas zum trinken gehabt.
Mit dem so ungewollt angetrunkenen Mut half nur noch eines.
Ich raffte meine ganze erbärmliche Männlichkeit zusammen und verließ ohne Vorankündigung gegenüber meiner Frau schallgeschwindigkeitähnlich unsere Wohnung in Richtung Zahnstation des städtischen Krankenhauses. Es waren ja bloß knapp zwei Kilometer Fußweg, da ich mit meiner gequollenen Wange nicht mehr in unser Auto kam. Aber ich habe bestimmt einen neuen Rekord gelaufen, der leider nicht offiziell gestoppt wurde.
Die weißgekleidete Frau in der Anmeldung grinste mich so seltsam an und ersparte mir Gott sei dank mittels meiner Gesichtswucherung irgendwelche Erklärungen abzugeben.
„Den Gang da hinten runter. Dann in den Aufzug in den ersten Stock und dann links die zweite Tür.“
Ihre lauten Worte prallten gegen meine Beule und erzeugten gleich wieder eine Klinik füllenden Schrei.
Der Weg war gut beschrieben worden, denn die nette Frau kannte sich hier bestimmt gut aus.
Aber ich nicht.
War es nun hinten hoch oder runter? Was sollte der Aufzug mit mir tun? Warum sollte ich mit dem 1.Stock die zweite Tür einschlagen?
Mein Kopf drohte sich wie eine Dynamitladung zu verhalten.
Dann hatte ich es doch geschafft. Aber auch so ein „Monteur de la Fresse“ lässt sich nur ungern seine vorweihnachtliche Stimmung durch so eine verbeulte Person wie mich verderben. So Zumindestens deutete ich den eindeutigen Blick des mit einem weißen Kittel bekleideten Schlachtemeisters. Schon drohte mir beim Anblick dieser kräftigen, mit den Augen so komisch funkelten Person mein angetrunkener Mut schlagartig zu verlassen und ich war schon wieder im gehen. Die nächste Schmerzwelle hat mich aber dann doch noch vom Bleiben überzeugt.
„Sie haben getrunken, mein Herr?!“ :fauchte der Helfer für ausgebeulte Gesichter mich recht unwirsch an.
„Dann können wir aber nicht spritzen!“ :kam als nächstes, ohne eine Antwort von mir.
Da war alles aus. Wie ein Blitz durchzuckte es mich und für zwei Minuten hatte ich schlagartig keine Schmerzen mehr und stand mit einem Bein schon in der Zimmertür.
Mit einem gekonnten Schulterwurf wurde ich aber von dem Karatezahnsteinentferner auf den Folterstuhl befördert und eine nette blonde große Oberweite stand plötzlich auch noch hilfreich neben ihm. Blitzschnell hatten die beiden Folterknechte mich mit gelernten Griffen an den Stuhl gekettet.
So hilflos und voller Schmerzen hatte ich mich mein ganzes Leben noch nie gefühlt.
„Nun zeigen Sie mal her, mein Herr.“ :säuselte die blonde Oberweite in mein noch gut funktionierendes Ohr und ich konnte dieser Frau einfach nicht widerstehen. Wahrscheinlich haben alle Zahnklempner für solche Fälle wie mich blonde, unwiderstehliche Oberweiten zur Seite.
Ich zeigte mit gemischten Gefühlen und schon hatte ich etwas im Mund, wonach ich diesen nun nicht mehr schließen konnte. Dann versank die Hand des Folterknechtes mit irgend etwas großem und gefährlich aussehenden in diese Zwangsöffnung. Das ist ein ausgekochtes Pärchen - ging es mir noch durch den Kopf, als der wahnsinnigste Schmerz meines Lebens mich in die erste Ohnmacht in meinem Leben fallen ließ.
Als ich unter Hilfe der blonden Oberweite dann wieder in die reale Welt zurück gekehrt war, zeigte mir der freundliche, etwas mit meinem Blut bekleckerte Zahnschmerzbeseitiger, etwas unscheinbares weißes Etwas.
„Es war nur ein Weisheitszahn, mein Herr. Nichts von Bedeutung. Also noch ein frohes Fest. Morgen können Sie wieder richtig zubeißen.“ :mit einem seltsamen Lächeln im Gesicht hatte er mir ein frohes Fest gewünscht. Und wieso Weisheitszahn – vielleicht deshalb das Lächeln, weil der Zahnexperte wusste, dass somit auch mein letztes Fünkchen Verstand mit entfernt wurde?
Jedenfalls konnte ich im Kreise meiner Familie und einem Teil unserer lieben Verwandten am ersten Weihnachtsfeiertag wieder kräftig zubeißen. An meinem Verstand hat sich aber nach meiner persönlichen Erkenntnis bestimmt nichts geändert. Ich hoffe es aber sehr stark.
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