GOLDBERGMit freundlicher Genehmigung des Allmächtigen, Sir.
MR. JAYEs gibt sieben Dinge, an die man sich zu halten hat, Goldberg. 1.: Der Weise redet nicht vor dem, der ihn an Weisheit übertrifft; 2.: Er verrät seine Nächsten nicht; 3.: Er antwortet nicht vorschnell; und 4.: Halt’s Maul!
Raamah und Masch, beide in Beduinenkostümen, jagen einander keulenschwingend über die Bühne und wieder hinaus.
MR. JAYWas war das?
GOLDBERGDie Herren Raamah und Masch haben, Profis, die sie sind, den ganzen Morgen die erste Mordszene probiert.
Raamah und Masch erscheinen wie zuvor.
MR. JAYNoch nicht.
Raamah und Masch bremsen ab, Masch rutscht aus.
MR. JAYHerr Romah, der »Erste Mord« ist erst für zehn Uhr fünfundvierzig angesetzt.
RAAMAHJetzt ist es elf Uhr dreißig.
MR. JAYWie die Zeit vergeht.
RAAMAH zu Goldberg Sagen Sie Monsieur de Sade, sein Prügelknabe zieht sich in sein Zelt zurück und ist nur noch über die Gewerkschaft zu sprechen.
MR. JAYSie werden mir doch keinen Ärger machen, Herr Rimah?
RAAMAHRaamah! Mein Name ist Raamah.
MR. JAYDen Namen müssen Sie sich erst noch verdienen.
RAAMAHDen Ärger haben Sie bereits, Jay, im wildesten pharisäischen Sinn des Wortes.
MR. JAYGeduld ist die Mutter der Weisheit.
RAAMAHIch bin geduldig seit Tagesanbruch.
MR. JAYWir hatten ein paar technische Pannen mit dem klimakterischen Computer, Rumah.
RAAMAHDer Mensch ist das Theater, nicht die Technik. z u Goldberg Mit diesem Monomanen arbeite ich nie wieder. Bis ich ihn brauche.
MR. JAYKennen Sie die Regelungen über Probenverweigerung, Reimah?
RAAMAHWer verweigert hier was? Masch, Japhet und ich haben die ganze Nacht probiert, bis uns war, als hätte uns ein Wirbelsturm weggefegt. Wir versuchen, diese Produktion davor zu bewahren, der apokalyptische Flop des Jahrhunderts zu werden. Sie sind es, der uns daran hindert, sie zu zeigen, der sich in seiner Eitelkeit weigert, die Tatsache zu akzeptieren, dass Schauspieler keine Dorfdeppen sind. Ihr ganzes Probensystem ist eine Weigerung, überhaupt zu probieren, außer dass Sie gelegentlich bellen »Noch mal von vorn, Jungs, aber mit Gefühl«. Noch mal – was?
MR. JAYNoch mal von Anfang an!
RAAMAHVon allen Aufgaben im Theater ist nichts schwieriger, weil weniger glaubwürdig, als das Sterben, besonders wenn es durch eine Steinzeitkeule zu geschehen hat. Heute Nacht muss mich endlich die Muse geküsst haben. Ich hatte eine Lösung, elegant genug, um dem dümmsten Regisseur zu gefallen, und was tun Sie? Nichts tun Sie! Hocken auf Ihrer vergrößerten Prostata und werden ihr immer ähnlicher.
MR. JAYNa, dann zeigen Sie mal.
RAAMAHZu spät.
MASCHDer Zug ist abgefahren.
RAAMAHBesetzen Sie mich um.
MASCHVerklagen Sie mich.
MR. JAYMes enfants du paradis, was soll ich tun? Auf die Knie fallen?
RAAMAHJa.
MR. JAY auf Knien Demütig sei der Mensch, denn was erwartet uns Sterbliche außer Würmern?
MASCHSagen Sie schön bitte.
MR. JAYSchön bitte.
RAAMAHAlso. Noch einmal von vorn, aber no more Mr. Nice Guy.
Japhet bringt zwei Stühle.
MASCHIch Abel. Er Kain. z u Mr. Jay Sie mögen Abel. Kain mögen Sie nicht. Deshalb wird Er wütend. Ramaah spielt Wut. Warum ergrimmst du? Und warum verstellt sich deine Gebärde? Die Sünde ruhet vor der Tür.
RAAMAHHe, Abel, wie wär’s mit einem kleinen Spaziergang über die Felder?
MASCHGute Idee.
Sie gehen ein wenig vor sich hin.
Jetzt holt er mit der Keule aus, verfehlt und zertrümmert den Stuhl, um die Realität der Keule deutlich zu machen.
Raamah zertrümmert den Stuhl.
MR. JAYSo weit, so gut.
MASCHJetzt zündet er eine Rauchbombe, aber aus feuerpolizeilichen Gründen spielt Kollege Japhet den Rauch.
RAAMAHJetzt bringt er, verborgen vom aufsteigenden Rauch, ein Opfer dar.
MASCHJetzt holt er, verborgen hinter der Rauchwand, noch einmal aus, zerschmettert ein weiteres Möbel, und alle glauben, er habe mich erschlagen.
MR. JAYNicht übel.
Raamah holt hinter der »Rauchwand« aus, ein fürchterliches Krachen, dann Stille.
MR. JAY»Wo ist dein Bruder Abel?«
RAAMAH»Ich weiß es nicht. Soll ich meines Bruders Hüter sein?«
MR. JAY»Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir.«
Masch liegt in einer Blutlache.
GOLDBERGDas erste Blut.
MR. JAY malt Raamah das Kainsmal auf die Stirn »Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.« Wie geht es Ihnen, Herr Masch?
MASCHIch glaube, wir brauchen noch ein paar Proben.
RAAMAHDu hast dich nicht schnell genug geduckt.
MR. JAYSchafft ihn raus und macht eine Pause.
Raamah bringt Masch hinaus.
RAAMAHWollen Sie nicht wenigstens Danke sagen?
MR. JAYRaamah, weder in der Liebe noch im Theater sagt man Danke oder Verzeihung. Unsere Siege und unsere Niederlagen verstehen sich von selbst.
RAAMAHSie müssen immer das letzte Wort haben.
MR. JAYUnd das erste. z u Goldberg Er ist ein guter Schauspieler, und das war’s. Japhet macht einen Schritt auf ihn zu. Ich meinte nicht Sie, Herr Japhet, Sie sind ohne Zweifel die beste Rauchbombe im Showgeschäft.
JAPHETNein, Sir, ich bin nicht hoch genug gestiegen.
MR. JAYAh, die göttliche Unzufriedenheit des Künstlers.
JAPHETMeine Frau ist durchgebrannt, ans Meer mit dem schwarzen Requisiteur. Hat meinen Teddy mitgenommen und einen Zettel auf dem Küchentisch gelassen: »Kopf hoch, Japhet, Onanieren erweicht dir nicht das Hirn!«
GOLDBERGEnthaltsamkeit ist gut für die Kirche und gut für’s Theater.
MR. JAYGoldberg, dein Fundamentalismus macht mir Gänsehaut.
JAPHETDanke für die tröstlichen Worte, Mr. Jay. a b
MR. JAYMein Lieblingsschauspieler. Wie heißt er?
Mr. Jay und Goldberg allein. Sie trinken Kaffee.
MR. JAYDie nächste Szene, Goldberg.
GOLDBERG liest aus dem Regiebuch »Es werde eine Feste zwischen den Wassern, und Er machte die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also. Und er nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen: zweiter Tag.«
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