»Ich war doch selbst schuld«, erklärte Ashley. »Er hat schon zum Frühstück ein Bier getrunken und ich hab ihm gesagt, dass ich das scheiße finde.«
Irgendwie hatte ich das unbestimmte Gefühl, dass sie mich anschwindelte. Aber egal.
»Und?«
»Naja, er hatte ein schlagkräftiges Gegenargument.« Sie drehte mir das zermatschte Auge zu und deutete mit der Hand darauf.
»Scheißkerl!«, schnaubte ich. »Irgendwann mache ich den Wichser kalt!« Es wäre mein zweiter Mord und man sagt ja, dass es einem mit jedem Mal leichter fallen würde. Ich musste in diesem Moment wieder daran denken, dass da ja immer noch mein ›Erstlingswerk‹ im Schlafzimmer lag und in die Baufolie sabberte. So sehr ich Ashley auch mochte, ich musste sie doch bald loswerden.
»Fehlt nur noch, dass Mike gleich auch noch bei mir vor der Tür steht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Der ist vor mir aus der Wohnung gestürmt. Hat gesagt, er geht laufen.«
»Wichser.« Sollte er im Park über eine Wurzel stolpern und sich das Genick brechen. Oder von der Martelli-Bande abgestochen werden. Dazu sei gesagt, dass die Martellis eine Gang aus zehn bis zwölf jugendlichen Asozialen war, die seit ein paar Monaten unser Viertel terrorisieren. Sie hatten schon Mülltonnen angezündet, Fenster- und Autoscheiben eingeschmissen und gerade letzte Woche erst die Katze der alten Mrs O’Sullivan aufgeschlitzt und ausgeweidet über ihren Gartenzaun gestülpt. Die Bullen interessierte das nicht wirklich; sie hielten sich schon seit Jahren in unserem Viertel zurück.
»Ich an deiner Stelle würde jetzt schnell nach Hause laufen, deine Sachen packen und dann kommst du zu mir«, schlug ich vor.
Ashley verzog wenig überzeugt das Gesicht. »Hm.«
Ich fasste sie an der Schulter. »Hey, das kann so nicht weitergehen! Du übernachtest hier und wenn du willst, gehen wir zu den Bullen und zeigen das Schwein an, ok?«
Sie beugte sich vor und starrte auf den Boden. Klar, das war eine schwere Entscheidung, aber eigentlich die einzig richtige. Ich hoffte nur, dass ich genügend Zeit haben würde, inzwischen die Leiche in die Kühltruhe zu schaffen. Und da war ja auch noch der Blutspritzer an der Wand.
Außerdem stand, wie ich gerade feststellte, noch die halb volle Bierflasche, übersät mit seinen Fingerabdrücken, vor uns auf dem Couchtisch. Scheiße, ich merkte, dass mein Vorschlag doch nicht so gut überlegt war. Aber ich konnte Ashley nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.
»Wäre Dan denn damit einverstanden?«, fragte sie mich schniefend und zog den Rotz in ihrer Nase hoch. »Wo ist der eigentlich?«
Ach ja, Dan…
Ich musste schnell improvisieren. »Der ist zu einem Pokerturnier nach Brighton.«
Tatsächlich war neben seinem Job, Ficken und Fernsehen, Poker seine einzige Leidenschaft. Er hatte auch schon mal ein paarhundert Pfund gewonnen, meistens aber war er blank und total desillusioniert nach Hause gekommen. Er hatte immer dem großen Stück Kuchen nachgejagt, schon sein ganzes Leben lang. Er wollte sich nicht nur mit den Krümeln zufrieden geben, dafür hielt er sich für zu intelligent. Seit er mit mir zusammen war, hatte er tatsächlich auch so etwas wie Ehrgeiz entwickelt, um uns ein besseres Leben zu ermöglichen. Bis heute hatte ich jedoch vergeblich gewartet. Okay, er hatte das Reihenhaus gekauft, besser gesagt, auf der Rille finanziert. Aber das war mir im Grunde viel zu spießig und nichts, worauf ich Wert gelegt hatte. Mir schwebten Dinge wie Weltreisen, Partys, Alkohol- und Drogenexzesse vor. Das war ich.
Ich schielte zu Ashley. Sie hatte meine Lüge einfach stumm zur Kenntnis genommen.
»Dan hat nichts dagegen. Da hat der auch gar nichts zu sagen«, versicherte ich ihr noch.
Noch immer schien sie mit sich zu hadern, ob sie meinen Vorschlag annehmen sollte. Ich streichelte ihr über die Schulter. Die nackte Schulter, denn sie trug ein Schlauchtop. Die samtweiche Haut unter meinen Fingern erinnerte mich an was. An meine letzte Geburtstagsparty. Ich merkte, wie urplötzlich ein Kribbeln zwischen meinen Beinen entstand. Oh Mann, das hatte noch gefehlt.
Aber irgendwie kreisten meine Gedanken gerade nur noch um meinen Geburtstag. Wie wir beide, sturzbetrunken, nachdem alle entweder schon nach Hause gegangen waren oder in irgendeiner Ecke im Koma gelegen hatten, es uns gegenseitig so richtig besorgt hatten. Dan hatte zusehen dürfen. Es war ein geiles Erlebnis gewesen. Nicht mein erstes mit einer Frau, nein, aber absolut in meinen Top drei.
Ich streichelte weiter über ihre Schulter, fuhr dann mit dem Handrücken über ihren Hals. Sie schielte zu mir und ein sanftes Lächeln huschte über ihr verheultes Gesicht.
Ich konnte nicht anders. Ich beugte mich rüber zu ihr, sah freudig, dass sie die Augen schloss und dann küsste ich sie. Erst zaghaft, dann fester und schließlich richtig wild.
Sie machte mit. Unsere Zungen wirbelten gegenseitig in unseren Mündern herum. Es war pure Lust.
»Scheiß auf die Leiche! Scheiß auf alles!«
In diesem Moment gab es nur uns beide, unsere tastenden, streichelnden und knetenden Hände. Unsere Münder, die miteinander verschmolzen waren und unsere willigen Leiber. Wir wussten beide, was wir mochten. Und wir wollten es!
Nach etwa zwanzig Minuten lagen wir beide nackt, erschöpft und befriedigt auf dem Sofa. Ihre Klamotten und mein Morgenmantel lagen auf dem Boden.
»Das war geil!«, sagte ich keuchend und wischte mir über den Mund.
Sie starrte zur Decke, gedankenversunken aber auch glücklich, wie ich erfreut feststellte. Sie stimmte mir zu und sagte dann kopfschüttelnd:
»Du hast Recht. Ich kann nicht mehr mit Mike. Es geht nicht. Er macht mich kaputt.«
»Mein Angebot steht«, versicherte ich ihr.
»Danke dir.«
»Hey, ich bin für dich da, Süße.« Ich gab ihr noch einen Kuss auf die Wange. Unsere kleine Performance hätte Dan gefallen. Armer Dan.
Ashley richtete sich auf und nahm ihre Klamotten vom Boden. Während sie aufstand, um sich ihren Slip überzustreifen, sagte sie:
»Ich mach das jetzt. Ehrlich! Ich laufe rüber, packe meinen Kram und komme wieder her.«
Ich stand auf, nackt, wie ich war, und umarmte sie. »Bravo, Süße! Ich freue mich.«
Kurz darauf gingen wir zur Tür. Ich verabschiedete sie mit einem langen, ungezogenen Kuss. Sie versprach mir, in spätestens fünfzehn Minuten wieder da zu sein. Klar, sie wollte Mike nicht in die Arme laufen.
Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, dachte ich mir:
»Okay, du hast fünfzehn Minuten oder weniger, deinen Schlamassel zu beseitigen!«
Ich hatte keine Zeit, mir etwas Ordentliches anzuziehen; jetzt musste es auch barfuß und im Morgenmantel gehen. Schnell überlegte ich mir, wie ich am effektivsten vorgehen konnte.
Zuerst öffnete ich die Tür zum Keller. Dann schnappte ich mir die leere Bierflasche vom Couchtisch, wusch sie im Spülbecken gründlich ab und schmiss sie in den Mülleimer. Anschließend lief ich die Treppe rauf, ins Schlafzimmer.
Da lag er, genauso wie ich ihn hinterlassen hatte: Eingeschlagen in die Bauplane und das blutige Bettlaken. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, das Laken lag darüber. Das nahm mir zumindest die letzten Hemmungen, die Sache bis zum Schluss durchzuziehen. Hätte ich in seine leblose, hässliche Visage schauen müssen, wäre mir vielleicht noch schlecht geworden.
Jetzt stand ich vor der schwierigsten Aufgabe: Ich musste dieses knapp zweihundert Pfund schwere und unhandliche Paket in den Keller schaffen. Klar, es ging immer nur bergab und die Schwerkraft würde mir helfen. Aber ich wollte ja auch keine Schweinerei hinterlassen. Wenigstens war das Haus komplett gefliest und es lag nicht noch irgendwo ein Teppich, den ich versauen konnte. Aber trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde; schon gar nicht in fünfzehn Minuten.
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