Amanda rieb sich den Kopf und sah zurück zum Lager. Sie rollte ihre Augen und seufzte laut aus.
"Ich hab gestern Nacht noch mit ihr gesprochen und sie ahnte nicht, dass ihr Vater den Überfallenden nicht helfen wollte. Ich glaube sie ist auf eigene Faust losgezogen um sie zu retten."
"Mutiges Mädchen...", meinte Quania.
"Oder eher dummes Mädchen...", ergänzte Kynarus.
"Oder ein wenig von beiden.", sagte Amanda. "Jedenfalls wird sie das nicht alleine schaffen, soviel ist sicher. Wir hatten schon zu viert einige Bedenken..."
Sie sah Quania an.
"Was sagt ihr Vater zu der Geschichte?"
"Der ist natürlich außer sich vor Wut, doch wer will ihm das auch verübeln? Ich glaube er gibt auch uns ein klein wenig die Schuld, weil wir nicht gut genug aufgepasst haben oder so."
Amanda schüttelte den Kopf.
"Da ist unser Vertrag recht eindeutig. Wir beschützen die beiden vor äußeren Bedrohungen, aber nicht vor sich selbst. Aber ich würde hier gerne eine Ausnahme machen und dem Mädchen nachgehen. Vielleicht können wir ihr ja dabei helfen die Entführten zu befreien.", sagte sie mit einem Lächeln und sah zu Kynarus.
"Kannst du die vielleicht die Lage einschätzen. Woher kamen sie und wohin haben sie die Gefangenen verschleppt? Sie haben etliche Stunden Vorsprung, aber wir sind ausgeruht und müssen keine widerwilligen Gefangenen transportieren."
"Nur widerwillige Magier...", kicherte Quania. Amanda strafte sie mit einem Blick und Quania zwinkerte ihr zu. Das Zwinkern ließ ihren Magen etwas verkrampfen, sie schluckte kurz, schüttelte aber den Kopf und sah wieder zu Kynarus.
"Schätzt ihr bitte die Lage ein, ich werde mit Fenth den Onkel aufsuchen."
"Ich könnte vielleicht das Zimmer des Mädels durchsuchen?", sagte Quania. Amanda schüttelte den Kopf.
"Ich möchte niemanden alleine in diesem Wald schicken. Ich weiß, dass ihr beide auf euch aufpassen könnt, aber zu zweit seit ihr schlichtweg unschlagbar...", sagte Amanda und zwinkerte Quania zu.
Die beiden nickten ihr zu und Amanda ging wieder Richtung Fort.
Amanda sah Fenth und den Karawanenführer und ging auf die beiden zu.
"Hat sie irgendwas mitgenommen? Ausrüstung, Nahrungsmittel oder ähnliches?", fragte Amanda und sah den Anführer an.
"Das ist doch absurd, sie wurde offensichtlich entführt von diesem Pack da draußen. Sie waren sauer, dass wir ihnen nicht geholfen haben und haben aus Rache meine Nichte entführt!", sagte er lautstark.
"Machen sie sich doch bitte nicht lächerlich. Da draußen sind ein paar Kinder, niemand der sich ernsthaft gegen ihre Wachen verteidigen kann, wenn diese sie belästigen.", sagte Amanda und sah sich in den Reihen der Wachen um. Sie erkannte einige vom Wehrgang mit ihren Armbrüsten wieder. Dann fixierte sie wieder den Händler.
"Ihre Nichte hat davon erfahren, dass ihr Opfer umsonst war. Das sie sich völlig umsonst in Todesgefahr gebracht hat, weil ihr Onkel sich außer Stande sah denjenigen zu helfen, die seine Hilfe dringend benötigten. So ist ihre Nichte wiedermal aufgebrochen um das zu richten, was hätte ihre Aufgabe sein sollen. Und unsere Aufgabe ist es ihre Nichte da wieder rauszuholen.", sagte Amanda trocken und ohne Mitgefühl. Der Händler starrte sie nur an, seine Lippen zitterten und er ballte seine Hände zu Fäusten.
"Ich habe schon alles in Bewegung gesetzt, um ihre Nichte da wieder rauszuholen. Ihre Aufgabe sollte es nun sein, darüber nachzudenken, warum ihre Nichte mehr Schneid in den Knochen hat, als ihr Onkel und mehr Ehrgefühl, als jede Wache hier im Fort."
Amanda drehte sich auf den Absatz um und wand dem Händler ihren Rücken zu. Sie lächelte und ging ein paar Schritte in Richtung Ausgang, bevor sie sich zu ihrem Magier umsah.
"Kommst du Fenth?"
Der Magier löste sich aus seinem Schockzustand und kam schnellen Schrittes hinter ihr her. Als sie vor den Lager waren fragte er sie.
"Amanda, was war das gerade eben? Ich habe dich noch nie mit jemanden zu sprechen sehen..."
Amanda sah Fenth an und lächelte.
"Das wird auch nicht so oft vorkommen. Kundenbindung ist mir eigentlich sehr wichtig, aber mein Ehrgefühl ist mir dann schlussendlich wichtiger."
"Hast du ihre Spur finden können Kynarus?", frage Amanda ihren Waldläufer, als dieser wieder zur Gruppe kam.
"Schwer zu sagen, ich habe die Spuren der Goblins und ihrer Gefangenen ausfindig machen können.", sagte er und hielt dabei einen Stofffetzen hoch, "Die Goblins waren nicht zimperlich und so haben sie einiges an Spuren hinterlassen, die meiner Meinung nach auch ein Laie deuten kann. Ich denke ich habe aber auch eine Spur gefunden, die einige Zeit später den anderen gefolgt ist."
"Das könnte unser Ziel sein", dachte Quania laut und zupfte Kynarus den Stofffetzen aus der Hand. Sie betrachtete das Stück Stoff, reichte ihn aber dann an Fenth weiter.
"Kannst du deinen Aufspürtrick hiermit machen?", frage sie den Magier.
Fenth nahm den Stofffetzen und begutachtete ihn einen Moment und nickte.
"Das sieht nach einem Kleidungsstück aus und Schausteller haben die Angewohnheit ihre Kleidung selbst zu schneidern. Es müsste also sehr viel emotionale Verbundenheit mit seinem Träger aufweisen.", sagte er und studierte den Fetzen weiter.
"Ich bin mir nicht ganz sicher, aber das war ein ja, oder?" hackte Quania nach.
Fenth nickte und sah zu Amanda.
"Wenn es notwendig sein sollte, kann ich das hier mit einer Wünschelrute verbinden und so den Träger oder die Trägerin ausfindig machen."
Amanda nickte und sah zu Kynarus.
"Wie sehr kann uns eine Wünschelrute helfen, wenn wir eh die Spuren gut erkennen können?" Sie deutete mit einem Kopfnicken zu Fenth rüber.
"Ich würde seine Kräfte gerne so sinnvoll einsetzen wie möglich."
"Ich gehe stark davon aus, dass sie die Gefangenen nicht direkt in ihr Lager gebracht haben, sondern erst einen großen Umweg genommen haben, um eventuelle Verfolger ausfindig zu machen. Eine direkte Route zu ihrem Bau könnte uns einige Zeit, vielleicht sogar Stunden ersparen."
Amanda nickte und rieb sich das Kinn.
"Je nachdem wann Sylvia aufgebrochen ist, könnten wir vielleicht sogar vor ihr ankommen, wenn wir den direkten Weg hätten, oder wenigstens kurz nach ihr. Wenn sie die Gegend erst auskundschaftet und nicht blind rein läuft, haben wir so eine gute Chance sie vor den Goblins zu erwischen." Sie sah Fenth an und legte eine Hand auf seine Schulter.
"Bereite bitte dein Ritual vor, ich denke Kosten und Nutzen rechtfertigen den Einsatz deiner Kräfte zu diesem Zeitpunkt. Wir werden dann vielleicht später in Schwierigkeiten kommen, aber vielleicht gibt es ansonsten gar kein später..."
Fenth räusperte sich und legte seine Hand auf Amandas.
"Ist schon in Ordnung Amanda. Mir passiert schon nichts, wenn ich ab und wann mal wirklich Magie anwende und nicht nur theoretisch darüber diskutiere und über ihre Überlegenheit prahle. Magie hat seinen Preis, aber manchmal ist ein Preis es wert, dass man ihn zahlt." Er lächelte und sah einen Moment ihr direkt in die Augen, bevor er mit leicht geröteten Wangen wieder wegblickte und auf den Stofffetzen starrte.
"Gebt mir einen Moment um mich zu sammeln."
Amanda nahm die Hand langsam von seiner Schulter und die drei entfernten sich etwas von ihrem Magier, welcher das Stück Stoff in seiner Linken hielt und mit der rechten Hand einige Figuren vollzog.
Amanda sah mit kindlichem erstaunen, wie seine Hände anfingen ein wenig bläulich zu schimmern und kleine rot-gelbe Funken zwischen seinen Händen tanzten. Schließlich schloss er behutsam beide Hände um den Stoff und führte seine Hände zum Mund und küsste seinen Ring. Dann sah er auf und drehte sich ein wenig hin und her.
"Wo seid ihr?", fragte er und Amanda zog die Augenbraue hoch und überbrückte die drei Schritt zu ihrem Magier und legte ihm wieder die Hand auf die Schulter.
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