Eine kurze Pause entstand. Lana ging dabei im Kreis umher und malte mit ihren nackten Zehen Muster in den langflorigen Teppichboden.
«Keiner traut sich darüber zu schreiben. So vieles passt nicht zusammen. Die Haushälterin sagte aus das Mister Coleman sie persönlich darum bat dafür zu sorgen, dass sich in jener Nacht keine Bediensteten in der Villa aufhalten. Warum, frage ich mich, hätte er das tun sollen?»
Lucy glaubte, für alles gebe es eine logische Erklärung. Von Verschwörungstheorien hielt sie nicht das Geringste. Madeleine Brock war für Lucy eine eiskalte und berechnende Mörderin. Von dieser Meinung liess sie sich nicht abbringen. Zwei Magazine rutschten fast lautlos auf den Teppich als sich Lana auf dem Bett einen Platz zum Sitzen freischaufelte. Da war es plötzlich wieder, ihr sympathisches Grinsen.
«Haha, Honey, das ist doch völliger Unsinn! Die Haushälterin ist wenige Tage nach ihrer Aussage spurlos verschwunden. Ich wollte daraufhin mit den restlichen Angestellten die in der Villa arbeiteten sprechen, doch die sind plötzlich auch alle unauffindbar. Das ist doch unheimlich?!»
Nach wenigen Sätzen fuhr Lana ihrer Freundin wieder ins Wort. «Sie rief Colemans Anwalt am Morgen an um ihn zu treffen. Madeleine wollte ihm sagen dass er ihren Mann bitten soll sie aus seinem Testament zu streichen. Woher ich das weiss? Nun, er hat es mir selbst gesagt! Ja, sein Anwalt. Und jetzt, halt dich fest, ist auch er verschwunden!»
Lucy wusste nicht was sie darauf antworten sollte. Seit Monaten versuchte sie Lana diese Verschwörungstheorien auszureden und endlich zur Vernunft zu kommen. Doch sie schien wie besessen von dem Fall.
«Honey, vielleicht habe ich mich da wirklich in etwas hineingesteigert. Ich bin nicht zu hundert Prozent von Madeleines Unschuld überzeugt, aber mein Gespür sagt mir, dass da eine ganz grosse Nummer läuft.»
Es klopfte völlig unerwartet an der Apartmenttüre.
«Meine Güte!»
Lana zuckte zusammen und hatte vor Schreck beinahe ihr Telefon fallen lassen. Es klopfte kein weiteres Mal. Ein knappes: «Warte kurz.» sagte sie zu Lucy, stand dann vom Bettrand auf um nachzusehen wer an der Tür wartete. Ihr erster Gedanke war, dass ihr Ex Freund unangemeldet auftauchen könnte. Aber als sie durch den Spion guckte sah sie niemanden warten. Bedächtig entriegelte sie das Schloss und öffnete die Wohnungstür. Als sie einen Schritt über die Schwelle setzte schaute sie umher. Keiner da und im Flur herrschte absolute Stille. Lana spürte, sie auf etwas getreten. Ein kleiner brauner Umschlag lag auf ihrer Fussmatte. Sie bückte sich, hob ihn auf und verschwand damit im Apartment. Das Telefon lag noch immer in ihrer Hand und sie vergewisserte sich das Lucy noch in der Leitung war.
«Da hat jemand etwas vor meiner Tür abgelegt!»
Während sie sprach schüttelte die den Umschlag. Da war etwas drin. Ohne das Telefon wegzulegen packte sie mit den Zähnen den Rand des Kuverts und riss es auf. Dazu plapperte sie unverständliche Sachen ins Telefon. Dann bekam sie den Umschlag auf. Lana spuckte ein kleines Stück Klebeband, dass an ihrer Zunge kleben geblieben war auf den Teppich. «Es ist ein USB Speicher Stick.»
Stirnrunzelnd packte sie ihn während der Umschlag flatternd zu Boden sank. An ihren Lippen klebte der bitterliche Geschmack des Klebers.
«Ich sollte mir gleich ansehen was da drauf ist.»
Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr auf. Sie eilte zum Küchentisch neben dem ihre Tasche stand, in dem wiederum ein kleiner Laptop verstaut war.
«Honey, was soll da schon passieren?» Sprach sie ins Telefon. Man hörte wie aufgeregt Lana gerade war. «Mach dir keine Sorgen. Ich melde mich gleich wieder!»
Sie berührte das rote Hörersymbol und legte das Handy ab. Der Laptop startete bereits mit einem leisen Surren das Betriebssystem. Sekunden später war es dann soweit. Auf dem Stick befand sich eine einzige Videodatei. Der Film startete im Video Player. Das Bild ruckelte war schwarz-weiss und von schlechter Qualität. Es musste sich um eine Aufnahme aus einer Überwachungskamera handeln. Lana bemerkte gleich das Datum und die laufende Uhr unten rechts im Bild. Sie erschrak.
«Die Mordnacht!»
Offensichtlich eine Aufzeichnung aus Greg Colemans Arbeitszimmer. Vor einigen Jahren war sie in seiner Stadtvilla um ihn zu interviewen. Sie erinnerte sich ganz genau an die Räumlichkeiten. Die Kamera nahm aus einem ungewöhnlichen Winkel auf. Sie schien in einer Ecke des Zimmers ziemlich weit unten platziert worden zu sein. So konnte der Raum beinahe vollständig eingefangen werden.
Die Uhr im Bild zeigte 21:33 Uhr. Eine Weile lang passiere gar nichts. Ungeduldig führte Lana den Finger über den Cursor um den Film vorspulen zu lassen, doch sie liess es dann bleiben. Stattdessen wartete sie gespannt ab. Endlich, um 21:39 Uhr tauchte jemand im Bild auf. Es war Coleman persönlich. Sie erkannte wie er die Lippen bewegte. Lana schob den Lautstärkeregler hoch aber das brachte nichts. Leider hatte der Film keine Tonspur.
«Mit wem unterhält er sich da?» fragte sie sich.
Gregory stand nun direkt vor seinem Schreibtisch. Ein weiterer Mann betrat das Arbeitszimmer. Dieser sah wahnsinnig gross und kräftig aus. Er wirkte beinahe wie ein Riese. In einer Hand hielt er eine Waffe die auf Greg gerichtet war. Jetzt war es 21:41 Uhr. Coleman unterhielt sich weiterhin angeregt mit dem Fremden, der ihn mit der Waffe bedrohte. Beide bewegten sich kaum. Sie blieben an Ort und Stelle stehen. Ab und zu hatte Lana den Eindruck, Coleman schaue gezielt zur Kamera. Es wirkte als hätte er gewusst, dass alles gefilmt wird. Er nahm eine Position ein durch die idealerweise auch sein Gegenüber gut sichtbar ins Bild passte. 21:43 Uhr, ein Lichtblitz verriet das Abfeuern der Waffe. Gregory Coleman fasste sich an die Brust, seine Beine gaben sofort nach und er sank zu Boden. Ein zweiter stummer Schuss wurde abgefeuert. Entsetzt hatte Lana soeben mitverfolgt wie einer der reichsten und mächtigsten Männer des Landes das Zeitliche segnete.
«Mein Gott!»
Hat Madeleine Brock ihren Mann also wirklich nicht erschossen? Warum wusste die Polizei und das FBI nichts von dieser Aufnahme? Handelte es sich womöglich um eine Fälschung? Und natürlich musste sich Lana fragen wer ihr den USB Stick zukommen liess. Ihre Neugier war geweckt, mehr denn je. Nun lag Coleman, offensichtlich tot, vor seinem Schreibtisch am Boden. Sein Mörder ging auf die Leiche zu und beugte sich über sie. Das Licht der Arbeitsleuchte wurde etwas durch die Stellung des Riesen verdeckt, wodurch das Bild noch dunkler und körniger wurde. Der Mörder fasste an Gregs Hals. Nach einer ruckartigen Bewegung hielt er etwas Glänzendes hoch das aussah wie eine Kette mit einem Anhänger. Sie erkannte, der Fremde trug Handschuhe aus dunklem Leder. Der Riese wandte sein Gesicht in Richtung Kamera. Der grobe Kontrast der Aufnahme liess ihn noch furchteinflössender aussehen. Etwas auf seiner Stirn sah aus wie eine grosse Narbe. Die Haare waren kurz geschoren und sein Bart wirkte ungepflegt, das konnte aber auch an der schlechten Qualität der Aufnahme liegen. Ein eisiger Schauder lief Lana den Rücken runter, als sie die grossen dunklen Augen des Mörders regelrecht anstarrten. Um 21:44 Uhr verschwand der Riese aus dem Zimmer. Die Kamera lief weiter. Ein Blick auf den Zeitbalken des Video Players zeigte, dass der Film immer noch etwas über fünf Minuten dauerte. Bis um 21:47 Uhr passierte nichts weiter. Lana erkannte wie sich eine Blutspur von der Leiche weg in Richtung der Kamera bewegte. Zeitlupenartig bannte sich die zähe Flüssigkeit, die in Schwarz-Weiss wie Schokoladencreme aussah, ihren Weg über das Parkett. Dann, plötzlich tauchte der Riese wieder im Bild auf. Er setzte sich hinter Gregs Arbeitstisch, riss eine Schublade nach der anderen aus den Führungen und entleerte deren Inhalt auf die Tischplatte. Hektisch durchwühlte er alles. Scheinbar erfolglos richtete er seine Aufmerksamkeit eine Minute später auf die beiden Bücherregale hinter dem Pult. Es war genau 21:49 Uhr als der Mörder zornig mit der Faust gegen die Arbeitsleuchte schlug. Die Lichtquelle war aus und Lana starrte auf den dunklen Monitor. Die Aufnahme stoppte schlussendlich um 21:50 Uhr. Sie griff sich ihr Handy und schrieb Lucy eine kurze Nachricht ehe die sich noch Sorgen machen würde. «Bei mir alles Okay, melde mich später.»
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