…....dann kam Fasching und ich ging zum Feiern in die Kneipe. Ab einem gewissen Level der ”Fröhlichkeit“ stieg die – seit Stunden durch meine Adern kriechende - Lust auf eine Kippe. Fröhlichsein ohne Nikotin ging einfach nicht. Wie konnte es sein, dass jemand an Fasching mit schlechter Laune unterwegs war? Irgendwann siegte die Unvernunft und ich beugte mich meiner ”Lust“.
Jedoch gab ich nicht ohne eine gewisse Einschränkung auf. Ich kaufte keine Zigaretten, sondern erwarb einen einzelnen Zigarillo namens ”krummer Hund“. In der Erwartung vom Geschmack und der Stärke angewidert, den ”Hund“ in die Ecke zu feuern, zündete ich das komisch aussehende Ding an.....
Es war so dermaßen gut!
Eigentlich hasste ich Zigarren und deren trocken-verstaubter Geruch erinnerte mich an die Mumie des Tutanchamun. Dieses ”Kind einer Zigarre“ jedoch schmeckte mir wirklich lecker und streichelte meine seit Wochen geschundene Seele. Ich genoss und war glücklich! Nach einiger Zeit hatte ich so viele ”Hunde“ konsumiert, dass ich damit ein ganzes Tierheim hätte auslasten können.
Dann kam die Erkenntnis: Ich hatte wieder geraucht! Oh mein Gott. Alles Leid der letzten 2 Wochen war umsonst ausgestanden. Die Enttäuschung wurzelte so tief, dass ich beschloss mich mit richtigen Zigaretten zu bestrafen.
Also eilte ich zum Automaten und bestrafte mich den Rest der wunderschönen Abends mit Marlboro. Am Aschermittwoch packte ich die Kopfschmerztabletten im Arzneischrank wieder nach vorne und Zyban ganz nach hinten. Ich war erneut Fahrgast im Zug der Krebsanwärter.
Da ich mein Kostüm der Faschingstage eher luftig gewählt hatte, der Kalender aber auf „Winter“ stand, zog ich mir eine anständige Erkältung an Land. Meine Mandeln schwollen auf kürbisgröße an und zwangen mich nach jedem Schlucken nachzuschauen ob nicht doch Scherben in meinem Speichel schwammen. Da stand ich wieder vor einem Problem: Wie sollte das denn mit dem Rauchen gehen? Beim Versuch, den Tagesablauf wie üblich zu gestalten, musste ich feststellen, dass das Inhalieren des Rauches so dermaßen weh tat, dass ich beim ersten Zug so zusammenzuckte, dass ich mir zusätzlich zu der üblen Erkältung noch eine Muskelzerrung im Nacken zuzog. Mit einer höllischen Wut im Bauch, weil einfach alles schief zu gehen schien, setzte ich meinen allseits bekannten Dickkopf auf und quälte mir Zug um Zug, an den jammernden Mandeln vorbei, in die Lunge. Nach einer halben Zigarette gab ich auf. Mit schweißnasser Stirn entfernte ich die Glut an der angerauchten Kippe und legte den Stummel an den Rand des Aschenbechers – für später. Da ich nicht begreifen konnte warum das mit dem Rauchen nicht klappte und gelernt hatte, dass eine halbe Zigarette gerade noch mit meiner Schmerztoleranz zu vereinbaren war, einigte ich mich mit Marlboro darauf halbe Kippen zu rauchen, solange mehr einfach nicht auszuhalten war. War es denn nicht schon genug Leid, dass ich nichts essen konnte und diese fiesen, fetten Penicillin-Tabletten an meinen Mandeln vorbei quälen musste?
Auch diese Zeit des Leidens und dem erzwungenen reduzieren des Nikotins fand ein Ende und alles ging weiter wie immer.
Der Zustand meines Asthmas verbesserte sich wie erwartet nicht, obwohl in meinem Hinterkopf die Theorie wohnte, dass ich mit Nikotin besser Husten und somit besser atmen könne.
Schließlich startete ich einen weiteren Versuch. Mittlerweile gab es Zyban auch auf dem deutschen Markt. Ich brauchte nur ein Rezept (selbstverständlich privat). Meine Ärztin war begeistert von meinem Plan endlich mit dem Rauchen aufzuhören und übergab mir, mit einem ermutigendem Augenzwinkern, das Rezept. Der Preis sorgte für ein großes Loch im Portemonnaie einer Alleinerziehenden..... aber welch Unmengen an Knete würde ich erst einsparen, wenn ich dieses widerwärtige Laster los war!
Am nächsten Morgen verabreichte ich mir die erste Pille und wartete auf den Verlust meiner Sucht. Glaube kann Berge versetzen. Ich rauchte nicht, obwohl es mich heftigst quälte. Am dritten Tag mit Zyban und ohne Zigaretten bemerkte ich – beim Toilettengang -, dass ich - außer verdauten Speisen – auch Blut ausschied. PANIK!!!
Da meine Cousine Carmen irgendwann in ihrem Leben mal bei einen ”Popoarzt“ gearbeitet hatte und sich auch sonst immer als das allwissende Orakel ausgab, rief ich sie an. Mit rasendem Herzen und zugekniffenen Pobacken schilderte ich ihr die Situation - soweit es aus ethischen Gründen möglich war. „Dr. Carmen“ erteilte mir sofortiges Zyban-Verbot und riet mir ins Krankenhaus zu fahren um meinen Darm untersuchen zu lassen. Dankend lehnte ich ab und versprach die Pillchen abzusetzen.
Jetzt war er wieder da der Moment der höheren Gewalt. Wer auch immer das steuerte, wollte offensichtlich nicht, dass ich dem Staat die Steuereinnahmen auf Tabak strich. Es war von ganz oben gesteuert, dass ich die Tabletten nicht vertrug und es ohne Hilfsmittel leider nicht schaffte vom Tabak abzulassen. Also..............auf zum Automaten! Wenn der liebe Gott wirklich wollte, dass ich damit aufhöre, dann würde er mir die Kraft und jede erdenkliche Hilfe zuteil werden lassen, oder nicht? So, jetzt war der Mann im Himmel schuld. Erstklassige Lösung und so unwiderlegbar!
Im Laufe der Zeit folgten einige erfolglose Versuche mit Nikotinkaugummis (welche mir Magenschmerzen verursachten) und -pflaster (von dem ich einen herrlichen Ausschlag bekam wo auch immer ich sie aufklebte).
Ein von der Krankenkasse gefördertes Nichtraucher-Seminar gab mir den Rest. Es war so deprimierend, sich die Augen der anderen Süchtigen anzusehen welche sich vor Scham über die eigene Schwäche kaum mehr vom Boden lösten. Wir führten Tagebuch über die gerauchten Zigaretten und gingen brav zu den wöchentlichen Treffen. ”Mein Name ist Yvonne und ich bin RAUCHER“! Wir tauschten unsere guten sowie schlechten Erfahrungen der Woche aus, verteilten Lob oder machten uns Mut. Nach der endlosen Stunde Diskutieren mit uns und unserem Seminarleiter (ohne einen Zug), verließen wir das Gebäude und rauchten erst mal eine vor der Tür. Nach 10 Wochen Kurs gingen wir voller Hoffnung und mit großen Plänen auseinander. Leider hatten die besagten Pläne nichts mit dem Leben ohne Nikotin zu tun. Wir waren einfach alle froh, dass dieser Stress der mit der Parkplatzsuche einherging, mit Beendigung des Seminars nun auch endlich vorbei war.
Viele Jahre vergingen ohne weitere Versuche mit dem Rauchen aufzuhören. Dann lernte ich meinen Mann kennen. Er rauchte - wie ich - weil es ihm schmeckte und er die ”Stängel“ als Genuss und Entspannung ansah. Was wäre ein netter Plausch beim Kaffee ohne eine Fluppe? Ein Vertreter meiner Gott-Theorie wurde er allerdings nie.
Die ersten Jahre hatten wir, abgelenkt durch Stress und diversen Ärger, nie über das Rauchen und die Gefahren bzw. Nachteile die damit einhergehen gesprochen...... war es doch neben Rotwein, dass Einzige was das Leben erträglich machte. Da meine Atmung nicht besser wurde und ich mittlerweile drei verschiedene Medikamente täglich zu mir nahm, beschlossen wir es gemeinsam nochmal anzugehen.
Immer wieder rauchten wir unsere ”letzte Zigarette“. Sonntag Abend, nach einem reichlich verrauchten Wochenende, sprachen wir darüber wie unsinnig das Rauchen doch sei und dass es diesmal klappen werde. Am nächsten Morgen – also Montag – beschlossen wir, dass der Montag ein übler Tag ist um Gutes zu tun, zumal mit diesem Tag eine nie enden wollende Arbeitswoche beginnt, er somit für schlechte Laune sorgt und eine negative Grundstimmung wäre eine schlechte Voraussetzung um Gutes zu bewirken.
Aufgrund dieser Weisheiten, verlegten wir den Start unseres neuen Lebens wiedermal um ein paar Tage. Als ”Aufhörtag“ bevorzugten wir - trotz schlechter Prognosen immer wieder einen Montag. Da 1. der Anfang der Woche einen klaren Schnitt darstellte und 2. für den Fall, dass man diesen zukünftig als persönlichen Feiertag einrichten wolle, ein Montag besser zu merken wäre als z.B. ein Donnerstag. Da wir ja an diesemMontag nochmal rauchen würden, wäre es ratsam, wenn man den Neustart unseres Lebens auch bis nach dem nächsten Wochenende verschieben würden. Schließlich sollte unser großer Tag ja ein Montag sein........
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