Der unendliche Mensch : Gedichte
von Arthur Drey
Literarische Gedanken Edition präsentiert
Der unendliche Mensch : Gedichte,
von Arthur Drey
Impressum
Texte: Arthur Drey
Veröffentlichung: 1919
Herausgeber: Jacson Keating
c/o Papyrus Autoren-Club,
R.O.M. Logicware GmbH
Pettenkoferstr. 16-18
10247 Berlin
jacson@jacsonkeating.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzichtet derzeit auf eine Ablieferung von Kindle-E-Books. (Stand: Mai 2016)
Weitere Titel aus der Literarische Gedanken Edition finden Sie auf unserer Homepage unter www.literar ischegedanken . de
Die Luft bebt wie ein Schall, der mir gebietet,
Daß ich die Düsterheit der Zeit zersprenge,
Daß alle Stirn, von Sonnen überblütet,
Zu einem lichten Menschentag gelänge.
Gesang von Worten, menschenheiliges Gut,
Die Harfe Ozean, der auferregt
Den Segler Erdgefährten, Strom und Blut
Der Pulse: – ist in meine Macht gelegt.
Wie wird mein Atemdasein heiß und schwer,
Wenn ich mich tief besinne in die Pflicht,
Daß ich der Sprache nachtumtostes Heer
Umfange im gesungenen Gedicht.
Doch wie ich leise, lauter, heller singe,
Erschwebt frohlockend meinem Licht und Blick
Ein Wissen: Daß ich in die Menschen dringe,
Mein Urwunsch Güte in das arme Glück.
Als sei ein Allumlieben zu erschwingen,
Wird mir der Erde stürmisches Gezelt
Voll jubelnd kühnen Lieds verliebtem Singen.
Und schlanke Leiber, flackernd aufgehellt,
Tollen den Tanz der Küsse ... im Gewühl
So linienwild, bis sie, sich überbiegend,
Hinsinken, mild, ein ausgespieltes Spiel,
Dem weich verwirrten Fliederbild erliegend.
Da ist Vergebung. Knaben sinnen treu
Den Ritter wie den Räuber; denn der böse
Entmenschte Feind ist ihnen fremd, und frei
Aufbäumt und beugt sich weite Herrschergröße,
Kein Wille klebt am eignen kleinen Weh.
Und auch der rauhe Mann ist wie ein Kind,
Voll froher Frommheit hält er die Idee,
Daß Sonne, Erde, Mensch das Heilige sind.
Oft hat mein Sehnen vor sich selbst gebebt!
Mein Aufwärtswollen wird auch dann nicht still,
Wenn über meinen Kopf die Welt sich hebt
Und wie ein giftiger See mich töten will.
Wie ein gehetztes Gemsenwild der Felsen
Errette ich den Stolz der freien Höhn.
Und von den Himmeln, da sich Donner wälzen,
Fühl’ ich Berufung wogend mich durchwehn.
Zurück! Hinab! Wo irrendes Entsetzen,
Wo Schlacht aufheult und metzelndes Verwühlen,
Geschürt von Führern, die die Völker hetzen,
Wo auf Ministerthronen Schurken spielen,
Wo blühnde Leiber, hingefällt in Stücke
Verklumpten Bluts, und Millionen Augen
In Nacht versinken – Eine Meuchlerclique
Will Krieg, daraus Tyrannenmut zu saugen!
Nicht stöhne, Stimme! Weit wie Firmament
Sei Zorn und Kraft und Heilung allem Dürsten
Des Volkes Mensch! Die waren nie getrennt,
Nur mordgepeitscht von roh’ und eitlen Fürsten!
Dein Wutwort, heller Sänger, es zertrete
Die Untat, die in Lügen sich verlarvt!
Bis ein Homer des Friedens im Gebete
Erwachse, weinend brausend hingeharft ...
Wie Blütenflut aus tiefen Wiesen dringt,
So bricht der Klänge Brandung aus dem Sänger,
Der blindgeboren noch die Sonne singt.
Wie einer Krone göttlicher Empfänger
Nimmt er die ganze buntgewirkte Zier
Der endlos wilden Erde ... so geeint
Mit jeder Blume, Pflanze, jedem Tier,
Daß Mensch zu sein uns wie ein Ruhm erscheint!
Laß mich deine Hände küssen,
Laß mich deine Hände fühlen!
Deine Lichtheit hat zerrissen,
Mich erdrückt mit ihrem Zielen.
O wie ist die Nacht der Augen!
O die weiche Glut der Wangen!
Immer will ich blühend saugen,
Will ich deinen Hauch umfangen.
Könnt’ ich mich in Träume schwingen,
Himmlisch wollt’ ich dich erheben;
Betend, weinend, jubelnd dringen
Meine Lieder dir ins Leben.
Ein von Blüten süß beschneiter
Morgen ist in deiner Lust.
Löse denn die losen Kleider,
Weiße Sonne deiner Brust!
Wie gefangen an den Lippen
Küss’ ich deines Atems Laut —
Blickend, trinkend bin ich liebend
Deiner Liebe tief vertraut.
Wie Posaunen tönt die Erde,
Wild und weich in deiner Macht.
Wer hat dieses Bild der Treue,
Deinen milden Blick erdacht?
Oh, in deinen heißen Armen
Ist ein Pressen und ein Ziehen
Wie zum goldenen Vergessen,
Singen, Summen, Saugen, Blühen.
Schweiget, wilde Erdentöne,
Laßt mich sterben, wenn ich lebe,
Laßt mich leben, wenn ich sterbe,
Daß ich mich zum Himmel hebe!
Fühlst du dich noch allein,
Mein wildgeküßtes Kind?
Wir wollen die Ewigkeit sein,
Wie unsre Sterne sind.
Wir kennen das dunkle Glück,
Das an sich selbst zerschellt: —
Wir wollen mit einem Blick
Die ganze wehende Welt!
Wir wollen blühend singen,
Wie Kinder, die wandern gehn,
Uns fliehend und knieend umschlingen
Wie eine Welt so schön!
Vom Jubel mitgerissen,
Der über die Erde weht ...
Bis wir hinsinken müssen
Auf dunkelnder Wiese Beet —
Auch hier noch müde liebend,
In seligem Empfangen
Von Abend, weich und trübend,
Von Träumen, die aufgegangen.
DER ZWEIFEL
TRAUERMARSCH
I
Wer hat das Schwefelschwarz der Todesnacht,
Den Sturz der Leiber heimlich ausgedacht?
Von Dunst beglitzert ziehen wir dahin,
Unsinnig flackert unser Daseinssinn.
Wir tappen Tänze wie im Singsangspiel,
Am Bühnenhorizont zerplatzt das Ziel.
Als Vagabunden, nur mit etwas Geld,
Begaffen und begaunern wir die Welt.
Selbst Glückesgrübler, Künstler, Staatenlenker,
Die Welt-Erneurer – sind nur Menschenhenker.
Es ist das unheilbare Leidensmal:
Der höchste Aufstieg zeugt die schwerste Qual.
Nur dann erhöht sich unser Menschenschritt,
Wenn er die Schwachgebornen niedertritt.
Doch wie wir uns auch in die Weiten dehnen,
Wir sind verseucht vom engen Erdenstöhnen.
Wir bleiben tolle Tölpel ohne Taten,
Teils voller Wahn, teils in den Schlamm geraten.
Das Erdentsetzen winselt weh und wund
Wie ein getretener verheulter Hund.
Weiter als der Wolkenfülle Stürme
Brechen unsre Wünsche ins Getürme
All der dunkel brüllend wilden Zeit,
Die kein Wille von sich selbst befreit.
Festgebunden an die Erdensperre,
Angekettet an das Schmerzgezerre,
Tragen wir den Ekel unsrer Lust,
Pfeile wilder Wachheit in der Brust.
Und wir beten, bitten, singen blind
In den leer verstreuten Aschenwind.
Und wir hängen an den milden Blicken,
Die wir träumen, um uns zu beglücken.
Freunde finden sich im Kämpfermut,
Todverwundet fluchen sie dem Blut.
Heulend, tosend tönen die Fanfaren,
Die den Tod der Erde offenbaren.
Der Lärm des Lebens knattert, pfeift und singt,
Ein Hagelsausen, das die Leiber düngt.
Muß an der Erde wie an einem Stein
Die unbegrenzte Brust gekreuzigt sein?
O möchte doch Aufruhrmusik erklingen,
In einen Taumeltraum die Leiber schwingen!
Doch schweige, Lust! Dein Aug’ ist nachtbenetzt,
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