BRIESTUnd?
LUISEEin schnippisches Lachen. Der Vetter sei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnantsuniform. Und einen Kadetten könne sie nicht einmal lieben, geschweige heiraten. Und dann sprach sie von Innstetten, der ihr mit einem Male der Träger aller männlichen Tugenden war.
BRIESTUnd wie erklärst du dir das?
LUISEGanz einfach. Sie redet zwar von Liebe, sogar mit Nachdruck, aber doch nur, weil sie irgendwo gelesen hat, Liebe sei nun mal das Höchste, das Schönste, das Herrlichste. Aber sie empfindet nicht viel dabei. Wohl möglich, dass es alles mal kommt, aber noch ist es nicht da.
BRIESTUnd was ist da? Was hat sie?
LUISESie hat nach meinem und auch nach ihrem eigenen Zeugnis zweierlei: Vergnügungssucht und Ehrgeiz.
BRIESTNun, das kann passieren. Da bin ich beruhigt.
LUISEIch nicht. Innstetten ist – von Streber will ich nicht sprechen, das ist er auch nicht, - ein Karrieremacher, und das wird Effis Ehrgeiz befriedigen.
BRIESTDas ist doch gut.
LUISEAber es ist erst die Hälfte. Ihr Ehrgeiz wird befriedigt werden, aber ob auch ihr Hang nach Spiel und Abenteuer? Er wird sie nicht in einer geistigen Öde lassen, dazu ist er zu klug und zu weltmännisch, aber er wird sie auch nicht sonderlich amüsieren. Und was das Schlimmste ist, er wird sich nicht einmal recht mit der Frage beschäftigen, wie das wohl anzufangen sei. Das wird eine Weile so gehen, ohne viel Schaden anzurichten, aber zuletzt wird sie’s merken. Und dann wird es sie beleidigen. Denn so weich und nachgiebig sie ist, sie hat auch was Rabiates – und lässt es auf alles ankommen.
Ankunft in Kessin. Oktober.
INNSTETTENUnsere guten Kessiner. ruft Roswitha! Dass sie wirklich gut sind, will ich nicht gerade behaupten, aber sie sind anders als die andern. Das ist Roswitha. Sie ist für dich da, wenn du was brauchst.
EFFIUnd ganz dahinten das, was aussieht wie eine große Zigarre?
INNSTETTENDas ist ein junges Krokodil. Doch nun zu Bett, es war ein langer Tag. Das Frühstück dann bei dir, den Tee regelmäßig bei mir. Dann kommt jeder zu seinem Recht, und ich bin gespannt, wo mir’s am besten gefallen wird.
EFFIDas ist eine Morgen- und Abendfrage.
INNSTETTENGewiss, aber wie sie sich stellt, oder richtiger, wie wir uns dazu stellen, das ist es eben.
Kessin. Oktober.
EFFIGeert!... Geert!...
INNSTETTENSchon? Roswitha, sag Kruse, in zehn Minuten bin ich soweit.
EFFISchon, sagst du. Natürlich um mich zu verspotten.
INNSTETTENEffi, du bist ein entzückendes, liebes Geschöpf. Du weißt gar nicht, wie sehr ich's finde und wie gern ich dir in jedem Augenblick zeigen möchte, dass ich's finde.
EFFINun, dazu ist ja noch vollauf Zeit, ich bin ja erst siebzehn und habe noch nicht vor zu sterben.
INNSTETTENWenigstens nicht vor mir. Freilich, wenn ich dann stürbe, nähme ich dich am liebsten mit. Ich will dich keinem anderen lassen hier.
EFFIIch spreche nicht gern von Tod, ich bin für Leben. Und nun sage mir, wie leben wir hier? Dass in Kessin alles anders ist als in Hohen-Cremmen , das sehe ich wohl, aber wir müssen doch auch so etwas wie Umgang und Gesellschaft haben.
INNSTETTENIn der Nähe haben wir ein paar Adlige, die du kennenlernen wirst, aber hier in der Stadt ist gar nichts.
EFFIIhr seid doch bis zu dreitausend Menschen, und unter dreitausend Menschen muss es doch auch noch eine Elite geben, Honoratioren oder dergleichen.
INNSTETTENJa, natürlich haben wir einen Prediger und einen Amtsrichter und einen Rektor, und von solchen Leuten findet sich schließlich wohl ein ganzes Dutzend zusammen, aber die meisten davon: gute Menschen und schlechte Musikanten.
EFFIDu bist in einer spöttischen Laune, Geert, und magst auch wohl recht haben. Aber ich muss dir gestehen, dass ich dies alles entzückend finde. Gleich gestern Abend das merkwürdige Schiff draußen im Flur. Dahinter der Haifisch und das Krokodil. Alles so orientalisch, alles wie bei einem indischen Fürsten ...
INNSTETTENMeinetwegen. Ich gratuliere, Fürstin... Er will los.
EFFIUnd dann oben der Saal mit seinen langen Gardinen, die über die Diele hinfegen.
INNSTETTENWas weißt du denn von dem Saal, Effi?
EFFINichts, als was ich dir eben gesagt habe. In der Nacht war mir, als ob ich Schuhe auf der Erde schleifen hörte. Und als würde getanzt und fast auch wie Musik. Aber alles ganz leise. Das hab ich dann Roswitha erzählt. Und da sagte sie mir, das sei von den langen Gardinen oben im Saal. Ich denke, wir machen kurzen Prozess damit und schneiden die Gardinen etwas ab oder schließen wenigstens die Fenster. Es wird ohnehin bald stürmisch genug werden. Mitte November ist ja die Zeit.
INNSTETTENDu hast ganz recht, Effi, wir wollen die Gardinen kürzer machen. Aber es eilt nicht damit, umso weniger, als es nicht sicher ist, ob es hilft. Es kann auch was anderes sein, im Rauchfang oder der Wurm im Holz oder ein Iltis. Wir haben hier nämlich Iltisse...
EFFIIltisse...
INNSTETTENJa, Iltisse. Eh wir Änderungen vornehmen, musst du dich in unserem Hauswesen erst umsehen. Und dann machst du Toilette, nur ein ganz klein wenig, denn eigentlich bist du so am reizendsten – Toilette für unseren Freund Gieshübler. Er ist unsere beste Nummer hier, Schöngeist und Original und vor allem Seele von Mensch. Das mit dem Saal oben wollen wir noch überlegen. Es wird aber wohl am besten sein, wir lassen es beim Alten.
Kessin. Oktober.
EFFIMein Mann...
GIESHÜBLERDer gute Herr Landrat...
EFFI…ist drüben auf dem Amt und kann jeden Augenblick zurück sein...
GIESHÜBLERJa, der Herr Landrat und Sie, meine gnädigste Frau, da sind zwei liebe Menschen zueinander gekommen. Denn wie Ihr Herr Gemahl ist, das weiß ich, und wie Sie sind, meine gnädigste Frau, das sehe ich.
EFFIWenn Sie nur nicht mit zu freundlichen Augen sehen. Ich bin so sehr jung. Und Jugend...
GIESHÜBLERAch, meine gnädigste Frau, sagen Sie nichts gegen die Jugend. Die Jugend, auch in ihren Fehlern ist sie noch schön und liebenswürdig, und das Alter, auch in seinen Tugenden taugt es nicht viel. Persönlich kann ich in dieser Frage freilich nicht mitsprechen, vom Alter wohl, aber von der Jugend nicht, denn ich bin eigentlich nie jung gewesen. Personen meines Schlages sind nie jung. Ich darf wohl sagen, das ist das traurigste von der Sache. Man hat keinen rechten Mut, man hat kein Vertrauen zu sich selbst, man wagt kaum, eine Dame zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegenheit ersparen will, und so gehen die Jahre hin, und man wird alt, und das Leben war arm und leer.
EFFIAch, Sie dürfen so was nicht sagen. Dass ich Ihnen sagen könnte, welche Freude Sie mir gestern durch die schönen Blumen und Ihre Karte gemacht haben. Ich hörte sofort auf, mich hier als eine Fremde zu fühlen, und als ich dies Innstetten aussprach, sagte er mir, wir würden überhaupt gute Freunde sein.
GIESHÜBLERSagte er so?
EFFIUnd dann sehe ich doch auch gleich, dass Sie anders sind als andere, dafür haben wir Frauen ein scharfes Auge. Vielleicht ist es auch der Name, der in Ihrem Falle mitwirkt. Das war immer eine Lieblingsbehauptung unseres alten Pastors: der Name, so liebte er zu sagen, habe was geheimnisvoll Bestimmendes. Und Alonzo Gieshübler schließt eine ganz neue Welt vor einem auf, ja, fast möcht ich sagen dürfen, Alonzo ist ein romantischer Name, ein Preziosaname.
Читать дальше