Leo Brescia - Finsterlicht

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Stünde die Welt am Abgrund, hätte sie Rettung verdient? Diese Frage muss sich eine Gruppe von Menschen stellen, die mit dem Ende allen Seins konfrontiert sind.
Die Gesellschaft zerbricht, Schreckenstaten werden vollbracht, das Böse treibt unaufhaltsam dem Sieg entgegen. Nur Wenige können sich gegen den Verfall stellen. Ausgerechnet ein Zweifler, eine geheimnisvolle Frau und ihr Beschützer haben die – scheinbar zufällige – Chance, die Welt zu retten.
Die ersten vier Kapitel führen in den herrschenden Wahnsinn ein. Ab dann folgt die Geschichte dem Weg von Dee, Hope und Harvey. Umgeben von einer toten und leeren Welt und alleine mit ihren inneren Dämonen, weigern sie sich beharrlich, einfach aufzugeben.

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Leo Brescia

Finsterlicht

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Inhaltsverzeichnis

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Detective Monroe

Pauly und Karen

Die dunkle Burg

Die leere Stadt

Rückkehr in die Welt

Schatten

Das Notizbuch

Am Abgrund

Die Hoffnung auf ein Ende

Epilog

Impressum neobooks

Detective Monroe

Das Telefon auf Detective Monroes Schreibtisch läutete in den von dicken Rauchschwaden durchzogenen Raum hinein. Nur eine brennende Schreibtischlampe verbreitete Helligkeit, obwohl draußen die Sonne schien. Die Jalousien war so weit heruntergelassen, dass nur durch einen kleinen Spalt etwas Sonnenlicht eindringen konnte. Wie dünne Lichtspeere stachen sie in die Dunkelheit hinein; Monroe nahm keine Notiz von diesem Schauspiel. Er schottete sich lieber von der Außenwelt ab, wollte sich nicht von ihr ablenken lassen. Jedes Fitzelchen Konzentration war ihm willkommen, das er sich vom Alltag zurückerobern konnte.

Monroe nahm die Zigarre aus dem Mund und legte sie in den Aschenbecher. Er kannte das Läuten zu genüge, stets war es der gleiche Klang. Diesmal jedoch transportierte das Klingeln eine gewisse Hektik.

Gemächlich wie immer beugte er sich in seinem Ledersessel nach vor, befreite das Telefon von den unzähligen Papieren, die auf seinem schweren Schreibtisch lagen und ihm die Arbeit erschwerten, und hob den Hörer ab. Mit der anderen Hand fuhr er sich durch sein unrasiertes Gesicht und unterzog seine Wangen einer schnellen Massage. Er war schon viel zu lange im Dienst. Sowohl betraf das den heutigen Tag als auch sein ganzes Leben.

„Detective Monroe“, meldete er sich übermüdet und angespannt. Während der zivile Bittsteller am anderen Ende der Leitung sein Anliegen vorbrachte, fuhren Monroes Finger über seine brennenden Augen. Dann hielt er plötzlich inne. Reglos lauschte er einen Moment auf die Worte des Anrufers. Monroe riss die Augen auf. Die Müdigkeit war wie weggeblasen. Überraschung und Unglaube hatten von ihm Besitz ergriffen.

„Sind Sie sicher?“, unterbrach er den Anrufer barsch. Er konnte nicht glauben, was er hörte.

Wie in Trance legte er dann den Hörer auf und starrte einen Moment lang auf das braune Telefon, das sich wie ein Götze zwischen Bergen aus weißem Papier erhob und ihm ein teuflisches Grinsen schenkte.

Monroe zog eine Lade in seinem Schreibtisch auf und fischte eine Pistole heraus. Er steckte sie in den Schulterhalfter, den er über dem zerknitterten, weißen Hemd trug, und stand auf. Auf halbem Weg zum Kleiderständer, der gleich neben der Bürotür stand, verharrte er und drehte sich dann mit einem wütenden Schnauben um. Hastig griff er wieder nach dem Hörer, hörte das garstige Lachen des Dämons, und wählte eine kurze Nummer.

„Sag dem Team bescheid. Wir müssen los.“ Nach der kurzen Anweisung durchschritt er wieder sein Büro, zog seinen braunen Mantel vom Haken und trat durch die Tür. Nur langsam drang der Inhalt des Telefonats und seine Bedeutung in seinen Geist. Er fühlte sich geschockt. Überfordert. Mit der seligen aber ermattenden Routine war es nun vorbei.

Als Detective Monroe die Tür hinter sich zuzog, begann er langsam den Ernst der Lage zu begreifen. „Verdammt!“, stieß er hervor.

Monroe warf sich mit solcher Wucht gegen die reich verzierte Tür der Kapelle, dass er noch zwei Schritte weit in den einladenden Vorraum hinein stolperte, als das Schloss brach. Er stellte sich äußerst ungeschickt an und verfluchte sich in Gedanken dafür. Trotzdem kümmerten ihn seine Fehler nicht mehr viel. Den anderen ging es genauso. In der Ausbildung hatte er es natürlich anders gelernt. Sie alle mussten es besser wissen. Aber Monroe und sein vierköpfiges Team waren wie ausgewechselt, seit sie erfahren hatten, dass es um einen von ihnen ging.

Harold Blager, einer der besten seiner Zunft, war offensichtlich durchgedreht. Er war in die Katakomben der Stadt eingedrungen, die noch aus einer Zeit stammten, als der Platz auf den Friedhöfen knapp zu werden begann. Die alten Toten wurden exhumiert und ihre Gebeine in den unterirdischen Katakomben gebracht, um Platz für neue Tote zu schaffen.

Eine schön gestaltete Kapelle erhob sich über dem Eingang, der hinab in das Reich der Toten führte. Schaudernd stürmten Monroe und sein Team durch die Kapelle und rannten die steinernen Stufen hinab.

Die Nackenhaare stellten sich ihnen allen auf, als sie daran dachten, dass die Katakomben ein beliebtes Touristenziel waren. Wie viele mochten dort unten sein? Wie viele waren dem übergeschnappten Harold Blager ausgeliefert, der sie mit einer Waffe bedrohte?

Das Team von Detective Monroe, das außer ihm noch aus zwei Männern und zwei Frauen bestand, kamen an den Nischen der Toten vorbei, versuchten, nicht an die Vergänglichkeit zu denken sondern nur an ihre Aufgabe.

Nach einem schier endlosen Weg und nach vielen nervenzehrenden Schritten hatten sie den großen Raum erreicht, das Heiligtum der Gruft. Bei den Grabungsarbeiten war man auf diesen natürlichen Hohlraum gestoßen, der von einem praktisch veranlagten Priester zuerst in eine religiöse Pilgerstätte und dann in einen Touristenmagneten verwandelt wurde.

Auch jetzt fanden sich eine handvoll Menschen hier, die bloß gekommen waren, um etwas zu sehen. Stattdessen fuchtelte das sechste Mitglied aus Detective Monroes Team mit seiner Dienstwaffe hektisch vor ihren Augen herum.

Fünf Erwachsene, zwei Kinder und ein Priester waren in seiner Gewalt. Harold hielt gerade zwei der Touristen mit dem Lauf seiner Waffe in Schach. Den Bedrohten stand das Leid in die von der Waffe abgewandten Gesichter geschrieben; Ströme von Tränen flossen aus ihren vor Furcht geschlossenen Augen und bildeten Flecken auf ihren weißen T-Shirts. Monroe erfasste die Situation mit einem Blick.

„Harold!“, rief er durch die Kaverne, um die Aufmerksamkeit seines guten Freundes zu erlangen. Der Angesprochene fuhr nervös herum und zielte im selben Moment auf Monroe. In seinen Augen konnte Monroe die reinste Panik erkennen.

Beruhigend hob der Detective seine leeren Hände und sah Harold tief in die Augen. Dann trat Erkennen in den Blick des Waffenmannes. Monroe konnte sehen, wie er sich entspannte und er ließ die Waffe sinken. Erleichterung zeigte sich auf seinem Gesicht.

Monroe bedeutete seinem übrigen Team zurückzubleiben und näherte sich betont langsam seinem guten Freund. Verdammt, was war nur mit Harold geschehen?

„Harold! Harold, hör mir zu!“ Detective Monroe kam Schritt für Schritt auf Harold zu, noch immer hatte er die Arme erhoben um zu signalisieren, dass er keine Bedrohung war. Er wollte nur, dass sich Harold ganz allein auf ihn konzentrierte und für einen Moment seine Geiseln vergaß.

Harold stieß erleichtert die Luft aus, als hätte er sie für eine lange Zeit angehalten. „Da bist du ja“, sagte er. Er wischte sich die Schweißperlen aus dem Gesicht und nickte zufrieden. Seine Augen glänzten feucht.

„Du hast damit rechnen müssen, dass wir kommen“, bestätigte Detective Monroe und hielt Harolds Blick mit seinem eigenen fest. Er konnte ihn nicht entkommen lassen.

Ohne Vorwarnung ruckte Harolds Waffe wieder in die Höhe und zielte auf einen Punkt hinter Monroe. Der Zeigefinger krampfte sich um den Abzug, zitterte. „Zurück!“, schrie er panisch. „Geht zurück!“

Monroe warf einen Blick über die Schulter und sah, dass sich Detective Johnson aus seinem Team einen Schritt vorgewagt hatte. Eine Hand griff gerade unter den Mantel. Johnson musste seine Waffe schon umfasst haben, zögerte aber angesichts der Bedrohung durch Harold, sie auch zu ziehen. Wie erstarrt stand er da und wagte nicht einmal zu atmen.

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