Carsten Both
Redewendungen: Episoden 2005
Redewendungen – Oft verwendet, Ursprung unbekannt?! – EPISODE 51 bis 56 (Eisen und Federn)
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Inhaltsverzeichnis
Titel Carsten Both Redewendungen: Episoden 2005 Redewendungen – Oft verwendet, Ursprung unbekannt?! – EPISODE 51 bis 56 (Eisen und Federn) Dieses ebook wurde erstellt bei
Episode 51: Eisern sein
Episode 52: Die Eisenbahn
Episode 53: Alteisen
Episode 54: Geklauter Federschmuck
Episode 55: Schriftsteller im Bett
Episode 56: Sinnloses mit Federn
Episode 57
Impressum neobooks
Besteht etwas fiktiv aus Eisen, dann findet oft das Adjektiv „eisern“ Anwendung, mit teils differierender Bedeutung, je nachdem, welchem Substantiv man bescheinigt, eisern zu sein oder gewesen zu sein.
Den Eisernen Vorhanggibt es längst nicht mehr – zum Glück! Geblieben ist bis heute – neben seiner geschichtlichen – seine begriffliche Bedeutung für etwas Undurchlässiges, Undurchdringliches. Jene, die unglücklicherweise östlich von ihm wohnten, sind bereits größtenteils westlich einverleibt worden, in EU , NATO , Kapitalismus und Co.
Der Begriff „Eiserner Vorhang“ wurde von Winston Churchill (1874-1965) gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs geprägt und stand damit am Anfang des aufziehenden Kalten Krieges bzw. Ost-West-Konflikts. Seit Churchills „Iron Curtain Speech“ vom März 1946 stand das politische Schlagwort für die undurchlässige Frontlinie zwischen „West“ und „Ost“, die durch Abschottungsmaßnahmen der Sowjetunion und ihres Machtbereichs – insbesondere von Westeuropa – entstand. Für Waren, Informationen und Reisende bedeutete dies – bis in die 80er Jahre hinein – eine ziemlich undurchlässige Grenze zwischen „Ost-“ und „Westblock“. Die hermetische Abriegelung [siehe Episode 38] zeigte sich besonders an der innerdeutschen Grenze mit „Berliner Mauer“, Todesstreifen, Schießbefehl und Zonifütterung per Weihnachtspaket (das zuvor stets gewissenhaft durchsucht und erleichtert wurde). Die Einreise von Osten über den offiziell nach Westen gerichteten „Antifaschistischen Schutzwall“ führte zu zahlreichen Mauertoten; wollte man von Westen her in die DDR eindringen, wurde man gefilzt und schikaniert und durfte zusätzlich Deutsche Mark gegen Blech Mark zwangsumtauschen.
Und ganz plötzlich, gleich nachdem einige mutige Republikflüchtlinge die aufgetretenen Korrosionslöcher flink genutzt hatten, war der Eiserne Vorhang gefallen. Und wie im Theater haben (fast) alle brav applaudiert, in der Hoffnung, einen eisernen Vorhang nie mehr sehen zu müssen. Auch nicht den nicht-fiktiven, denn beim Auftauchen des (hoffentlich) feuersicheren und rauchdichten Vorhangs, der bei Feuergefahr die Bühne gegen den Zuschauerraum abschließt, sollte man anstatt ans Applaudieren lieber an die (geordnete) Flucht denken. Der durch Churchill bekannt gewordene Begriff soll übrigens tatsächlich der Theatersprache entlehnt worden sein. Vielleicht liegt es daran, dass Winston Leonard Spencer-Churchill nicht nur ein profaner Politiker war, sondern auch Interesse an kulturellen Dingen bewies.
Wir gehen noch weiter zurück in der europäischen bzw. deutschen Geschichte und treffen auf einen preußischen Mann, der chronisch eisern war, also unerbittlich und skrupellos in der Interessendurchsetzung. Man kann ihn quasi als den Paten des eisernen Willensund sämtlicher dieser Starrköpfigkeit untergeordneten Tätigkeiten bezeichnen (eisernes Lernen, eisernes Sparen und ähnlicher Unsinn). Er regierte mit eiserner Faust, gar mit eisernem Zepter, obwohl er selbst kein Monarch war und die Historiker behaupten, dass da noch welche neben/unter ihm existierten. Rechtskonservative Kreise sagen zu diesem deutschen Preußen bzw. preußischen Deutschen noch heute ehrfürchtig: Der Eiserne Kanzler.
Diese Bewunderung rührt nicht nur daher, weil Otto Eduard Leopold , seit 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen , seit 1871 ferner Fürst von Bismarck und seit 1890 obendrein noch Herzog von Lauenburg , so seine Probleme mit dem widerspenstigen Abgeordnetenhaus hatte, das er am liebsten mit eisernem Besen ausgekehrthätte. Viel imposanter war, dass Otto von Bismarck (1815-1898) der frechen Sozialdemokratie mit eiserner Stirnbegegnete, etwa per „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“. Zeitgenössische Konservative zögern übrigens lediglich mit der Forderung nach einer Neuauflage des 1878 im Reichstag verabschiedeten „Sozialistengesetzes“, da heutzutage die Unterscheidung der politischen Richtungen weitaus schwerer fällt als zu Bismarcks Zeiten. Ich vermute sogar, dass „soziale Demokraten“ gar nicht mehr auffindbar sind?!
Aber nicht nur die Sozialdemokraten waren dem Gründer und ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches suspekt, das ganze parlamentarische Mitgerede passte ihm nicht. Seine Aversion gegen parlamentarische Gepflogenheiten sowie seine Affinität zum starken Eisen zeigte Otto bereits durch einen legendären Ausspruch in der Sitzung der Haushaltskommission des Preußischen Abgeordnetenhauses am 30.09.1862: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden (...), sondern durch Eisen und Blut.“
Medizinisch geschulte naive Pazifisten hoffen, er hätte vielleicht „Eisen im Blut“ gemeint, aber ich befürchte, der spätere Eiserne Kanzler favorisierte damals tatsächlich eher „Blut am Eisen“.
Folglich kann man getrost konstatieren, dass im Zusammenhang mit Bismarck , der so bedeutend war, dass man sogar einen Hering nach ihm benannte (oder war es umgekehrt?), „eisern“ immer Rücksichtslosigkeit, Unerbittlichkeit, Stärke, Gewalt bedeutet:
Die eiserne Faust ist Sinnbild für die rohe Gewalt bei der Interessendurchsetzung. Manchmal spricht man lediglich von der eisernenoder harten Hand, mitder man etwas führtoder lenkt, denn ohne aggressive Ballung hört sich Machtmissbrauch und Unterdrückung schon nicht mehr ganz so schlimm an.
Ein bekannter Ritter [vgl. Episode 39] war tatsächlich mit einer eisernen Hand ausgestattet – die rechte war ihm nämlich bei der Ausübung seines Berufs 1504 verlustig gegangen.
Ob Gottfried von Berlichingen (um 1480-1563) jedoch dementsprechend herrschte, ist mir nicht bekannt, aber durchaus wahrscheinlich. Laut Goethes Drama „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (1773) war der „Ritter mit der eisernen Hand“ zumindest äußerst direkt im Umgang mit Zeitgenossen.
Reicht die Faust nicht aus, um sich gebührenden Respekt zu verschaffen, kommt daseiserne Zepterzum Einsatz, das der Tyrann oder die Ehefrau schwingenkann. Als Alternative bietet sich überdies das Regieren mit eiserner Rutean.
Der Einsatz des gefürchteten Züchtigungsmittels betont die große Strenge, mit der man – nicht nur als Eiserner Kanzler im 19. Jh., sondern schon immer und in alle Homo-sapiens-Ewigkeit – als wohlwollender Schreckensherrscher das Volk erziehen und gegen das basisdemokratische Chaos vorgehen musste und muss.
Der Ursprung des eisernen Zepters wie der eisernen Rute ist in der gewaltverherrlichenden Bibel zu finden: In der offiziellen Luther -Übersetzung der Offenbarung (2, 27) heißt es zwar „und er soll sie weiden mit eisernem Stabe, und wie die Gefäße eines Töpfers soll er sie zerschmeißen“ . Aber ob nun Stab oder Rute, ... Hauptsache Prügel. „Weiden“, also „beaufsichtigen“, soll man übrigens die Nichtgläubigen, die sogenannten Heiden. Im Psalm 2, 9 wird gar über das Schwingen hinaus vorgeschlagen: „Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeißen.“
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