Da unterdrückte Emotionen bei Reiz oder Stress leicht getriggert werden, verschärfen sich zwischenmenschliche Angelegenheiten oft schlagartig. Der Klassiker, wenn Emotionen unterdrückt werden ist, dass wir z.B. wütend werden ohne es wahrzunehmen. Auf die Frage unseres Gegenübers - warum wir plötzlich so wütend sind - schreien wir vielleicht zurück, „ich bin nicht wütend!!!“ Nach einigen Minuten wird uns bewusst wie verärgert wir wirklich waren. Wir hatten bis dahin weder Wut noch unseren intensiven Ausdruck bemerkt. Wenn unterdrückte Wut aufsteigt, hält sie in der Regel eine geraume Zeit an.
Viele Verhandlungen, Besprechungen und zwischenmenschliche Kontakte werden durch unterdrückte Emotionen, die wie heimtückische Fallgruben sind, erschwert oder beschädigt. Es ist ein wirtschaftlicher Störfaktor der leicht als normal abgetan wird.
Ein Mensch der emotionale Reife erreicht hat wird nur selten getriggert. Er bleibt meist ganz bei sich, auch wenn sein gegenüber gerade wütet. Dies bedeutet nicht, dass er Wut nicht mehr wahrnimmt, sondern es löst in ihm keine oder nur geringfügige Reaktionen aus, die nach wenigen Minuten abklingen.
Er kann sich, wenn nötig mit Intensität ausdrücken, was für den Laien auf den ersten Anblick wie Wut aussieht. Diese Intensität zeichnet sich aber dadurch aus, dass sie nach Belieben abgeschaltet werden kann und nicht nachhallt. Diese Person besitzt deutlich mehr innere Freiheit und Handlungsspielraum. Er ist meist deutlich entspannter und mitfühlender im Umgang mit seinen Mitmenschen.
Der wirtschaftliche Nutzen von emotionaler Reife
Folgende Punkte würden sich in Unternehmen merkbar verändern, wenn mehr Führungskräfte und Mitarbeiter emotionale Reife erreichen würden:
- Führung wird einfacher indem sich die Führungsstile verändern.
- Die allgemeine Führungskompetenz sowie soziale Kompetenz steigt.
- Die Anzahl und Qualität potentieller Führungskräfte erhöht sich.
- Die allgemeine Motivation steigt.
- Die zwischenmenschlichen Reibungsverluste verringern sich.
- Es wird mehr aufs Wesentliche fokussiert.
- Es wird besser zugehört.
- Viele zwischenmenschliche Probleme erledigen sich wie von alleine.
- Unser Einfühlungsvermögen nimmt zu.
- Stress und Burn-Out-Syndrome nehmen ab.
Da wir diese Punkte nicht auf Anhieb mit Euro und Dollar einstufen können, mögen sie erst mal vernachlässigbar erscheinen. Aber welchen dieser Punkte würden sie gern missen wollen?
Der Weg von emotionaler Verdrängung zur emotionalen Reife
kann wie folgt beschrieben werden:
- Von Projektion zur Verantwortung.
- Von Ablenkung zur Konzentration auf das Wesentliche.
- Von Reaktion zur Reflexion und Aktion.
- Vom langen schmoren zur raschen Klärung.
- Von Frust zur Ausgeglichenheit.
- Von Vernebelung zur Klarheit.
- Von Rache zur Vergebung, etc.
Warum Emotionen (heute) nicht in die Wirtschaftswelt passen
Emotionen passen bis heute nicht in die Wirtschaft, da wir in den ersten Entwicklungsstufen stecken geblieben sind. Um zur emotionalen Reife zu gelangen, müssen wir durch mehrere Entwicklungsphasen laufen, wie:
1) Unterdrückte Emotionen
2) Teilweise Unterdrückung
3) Wiederentdeckung
4) Intensität
5) Integration
6) Ausgeglichenheit
7) Reife
8) Emotionale Meisterschaft
Alles was über die obige Stufe 4, Intensität, hinausgeht ist in unserer Gesellschaft eher eine Seltenheit. Diese Entwicklung von der emotionalen Intensität hin zur emotionalen Reife zu erleben ist rein menschlich gesehen ein Geschenk und das Resultat wäre wirtschaftlich sogar sehr lukrativ.
Durch eine emotionale Reife kommt der ganze Mensch zum Strahlen, nicht nur die Emotionen. Zudem wird uns erst im Nachhinein bewusst wie viel unserer und anderer Energien wir durch diese Intensität vergeudet haben. Energie, die wir sinnvoller einsetzen können.
Emotionen sind nicht das wirkliche Problem,sondern unser unprofessioneller Umgang damit.
Das weibliche Geschlecht hat in der Regel einen leichteren Zugang zu Emotionen, warum sie meist auf der Stufe Wiederentdeckung und Intensität vorzufinden sind. Das männliche Geschlecht hingegen, verweilt deutlich öfter in Stufe 1, unterdrückte Emotionen, und 2, teilweise unterdrückte Emotionen.
Um aber Menschen gut führen zu können sollten wir uns in den Stufen Integration, Ausgeglichenheit oder Reife befinden. Das Dilemma für die Wirtschaft ist, dass die emotionale Reifung nicht an Universitäten unterrichtet wird, denn es geht dabei nicht um den Intellekt. Im Gegenteil, Emotionen behindern oft unseren Intellekt, vor allem in den ersten drei oder vier Entwicklungsstufen.
Emotionen sind der Stoff des Lebens.Unsere Unterdrückung hat sie aber zuheimtückischen Fallgruben gemacht.
Unterdrückte Emotionen, wie in Stufe 1 und 2 scheinen erst mal die bessere Wahl zu sein, aber ist das wirklich so? Ja, so lange wir nicht wissen wie wir sinnvoll damit umgehen sollen, ist das ein ziemlich sinnvoller Weg.
Das berühmte therapeutische Kissenklopfen kann uns beispielsweise helfen das Ausmaß der eigenen Wut zu entdecken, d.h. die Stufe 3, Wiederentdeckung, zu erklimmen, aber selbst hundert Jahre klopfen von Kissen bringt uns nicht zur erwünschten emotionalen Reife der Stufe 7.
Jede gesunde Entwicklung durchläuft eine oder mehrere schwierige Phasen, bevor es dann besser wird. Viele wagen deswegen erst gar nicht den Aufbruch aus den unterdrückten Emotionen. Eine Gruppe Menschen die sich vorwiegend in der Stufe der Wiederentdeckung oder der Intensität befinden, ist verständlicher Weise ein Albtraum für jede Seminarleiter, Manager oder Führungskraft. Warum selbst also das Alte und Vertraute verlassen, oder warum andere ermuntern sich auf den Weg zu begeben?
Emotionen passen also nicht in die Wirtschaft, weil wir nicht sinnvoll damit umgehen können. Es gibt wenig Konzepte für eine Entwicklung und Reifung der Emotionen. Es sollte uns jedoch klar sein, dass dieses Gebiet enormes Potential beinhaltet.
Was braucht es in der Wirtschaft, um emotionale Reife zu entwickeln?
Herkömmliche Programme der emotionalen Arbeit ziehen sich oft über Jahre hin. Zudem gehen sie selten über Stufe 3, Wiederentdeckung hinaus und so gut wie nie jenseits der Stufe 4, der Intensität. Das muss nicht sein, wenn wir folgende Punkte beachten:
- Wir brauchen Vorbilder, die den Umgang mit Emotionen gemeistert haben.
- Wir brauchen ein praktisches Verständnis für was Emotionen wirklich sind.
- Wir sollten das Prinzip des Loslassens wirklich verinnerlicht haben.
- Wir sollten ein Gefühl dafür entwickeln, wie wertvoll emotionale Reife ist.
- Wir sollten uns selbst sowie andere auf der emotionalen Skala realistisch einschätzen können.
- Wir sollten das Gegenmittel gegen ausartende Emotionen konsequent kultivieren.
- Wir sollten emotionale Reife zu etwas wahrhaft Erstrebenswerten einstufen.
- Wir sollten dessen Verbindung zu Motivation und Integrität verstehen.
Was ist das Gegenmittel gegen ausartenden Emotionen?
Weder das Unterdrücken noch das Ausleben unserer Emotionen ist die Lösung, insbesondere, wenn wir emotionale Reife anstreben. Das Gegenmittel entsteht vielmehr durch innere Klarheit und Neutralität. Dies beinhaltet auch das Bewusstsein, dass es an sich keine „guten“ oder „schlechten“ Emotionen gibt. Sie führen letztendlich zum gleichen Ziel. Wer also Liebe der Wut vorzieht ist zwar ganz normal, aber kaum weise.
So wie das Yin/Yang Symbol uns zeigt, dass der Kern des „Bösen“ im „Guten“ stets enthalten ist und umgekehrt, ist auch der Gegenpol automatisch in der Liebe enthalten.
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