„SCHADE“
von
Susanne Elisabeth Jellinek
„SCHADE“
von
Susanne Elisabeth Jellinek
Copyright: © 2013 Susanne Elisabeth Jellinek
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN 978-3-8442-7688-6
Ihre Wohnungssuche hatte fast drei Monate gedauert, sich aber gelohnt. Die Lage war gut und die Räumlichkeiten, wie für sie geschaffen. Es war seit ihrer Hochzeit 1950, der siebzehnte Umzug. Der Arbeitswechsel ihres Mannes war damals oft der Grund oder weil wieder ein weiteres Kind dazukam. Später, als sie verwitwet war, kam der Ortswechsel von Ost- nach Westdeutschland und dann das Bedürfnis, immer in der Nähe ihrer fünf Kinder zu sein. Mit der neuen schönen Wohnung, sich und der Welt zufrieden, versuchte sie einen Neubeginn. Versuchte sie, im Alter von siebzig Jahren, ihre Träume noch zu erfüllen.
Dazu gehörte eine Arbeitsecke", die sie sich dann auch einrichtete.
Die Schreibmaschine, mit welcher sie, falls die Zeit dazu reichte und sie von der Muse geküsst wurde, Gedichte und Kurzgeschichten schrieb, hatte ihre Pflicht getan und wurde nun von einem Computer ersetzt.
Der Herausforderung, die sie nunmehr an sich stellte, lag nicht nur die Begeisterung für das „Neue" zugrunde, sondern auch der optimistische Gedanke an einen erfüllten Lebensabend. Die Frage, womit anfangen? war für sie jetzt im Alter von bedeutender Wichtigkeit. Sie überlegte und fragte sich, welches Buch sie wohl zuerst schreiben müsste. Sicher das, was ihren Kindern verdeutlichen sollte, wie es „Damals" war. Richtig, was wussten ihre Kinder eigentlich von ihr, also aus ihrer Jugendzeit? Sie erlebte damals doch den Zweiten Weltkrieg…
Sollte sie aber wirklich die Zeit gedanklich noch einmal erleben? Sie würde sicher, so sensibel wie sie war, es gefühlsmäßig schlecht verkraften. Oder?
Eines Abends stand sie vor dem Spiegel und sprach zu sich:
„Also, dann setze dich mal an den Computer, Susanne!
Wie lange träumst du eigentlich schon davon, deine Bücher zu schreiben?
Gedichte auf Zeitungsrändern und Kurzgeschichten auf Schmierzetteln, so fingst du als Kind an. Hole deine Manuskripte hervor und erschließe das Reservoir deines Langzeitspeichers!
Ja, ich werde beginnen und ich freue mich darauf!
Den letzten Satz hatte sie recht laut gesprochen und beruhigt ging sie ins Bett
Die Frühlingssonne durchflutete am Morgen von der Terrasse her, ihr Wohnzimmer. Sie öffnete die Tür, begrüßte die zwitschernden Vögel und legte eine CD ein. „Musik zum Streicheln" von J. R. Köhler. Und dann setzte sie sich in ihrer Arbeitsecke auf den Drehstuhl. Wie von der Stimmung beflügelt, tippten ihre Finger den Titel der Geschichte in das eben noch leere Fenster des Wunderwerkes „Computer" ein.
Dickgedruckt stand dann als Arbeitstitel die Überschrift:
„ Meine erste Liebe."
„Der Anfang ist gemacht!", sagte sie und schloss die Augen.
Sie schaute für einige Sekunden in die Vergangenheit. Und dann war sie mitoffenen Augen - acht Monate lang - weit entfernt vom Heute und vom Hier.
„Autorin Mutter" schrieb und schrieb.
Sie nannte ihr Buch: „Schade“.
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