»Das mag Euch unbenommen bleiben, Sir. Ich gestehe Euch aber, daß Ihr mich mit Weller nicht ängstlich machen könnt. Seinen Sohn kann er nicht befreien, denn dieser ist von dem Herkules erwürgt worden, und wenn wir den Alten ergreifen, was ich mit Sicherheit erwarte, so werden wir wegen Mordversuches sehr kurzen Prozeß mit ihm machen. Hat er Euch erzählt, daß sein Sohn in unsere Hände geraten ist, so wird er Euch wohl auch gesagt haben, daß er mit ihm den Herkules ermorden wollte. Da dieser aber einen äußerst harten Schädel besitzt, ist ihm der Kolbenhieb ganz gut bekommen und er wartet mit Schmerzen darauf, mit dem Alten ebenso abrechnen zu können, wie er mit dem jungen abgerechnet hat.«
Melton sah mich eine ganze Weile betroffen an und rief dann aus:
»Der kleine Weller tot! Ihr wollt mir damit doch wohl nur einen krassen Bären aufbinden?«
»Ganz und gar nicht. Ich versichere Euch mit meinem heiligen Worte, daß er zwischen den gewaltigen Fäusten des Athleten entschlafen ist, und der Alte wird demselben Schicksale wohl schwerlich entgehen. Wenigstens befürchte ich nicht, daß er mit den Yumas über uns herfallen wird. Diese vortrefflichen Menschen werden wohl, wenn es nicht bereits geschehen ist, sehr bald zu der Einsicht gelangen, daß Eure Freundschaft eine verräterische und sehr gefährliche ist.«
»Möchte den Grund wissen!« spottete er.
»Dieser Grund heißt ›listige Schlange‹.«
»Inwiefern? Er ist mein treuester Verbündeter und wird Weller alle seine Krieger gegen Euch zur Verfügung stellen.«
»Ihr meint, daß Weller dies von ihm verlangen wird?«
»Ja, sobald er mein Verschwinden erfährt.«
»So, so! Ich denke, daß im Indianerlager nicht nur von Eurem Verschwinden, sondern auch von demjenigen der ›listigen Schlange‹ die Rede sein wird. Oder solltet Ihr noch nicht wissen, daß der Häuptling ganz plötzlich verschwunden ist?«
»Ich weiß kein Wort. Verschwunden? Wohin denn?«
»Hinunter in den Schacht!«
Er wendete mir bei diesen Worten sein Gesicht mit einem so scharfen Rucke zu, als ob er einen Schlag an den Kopf erhalten habe, sah mich mit großen, starren Augen und weit offenem Munde an und rief dann aus:
»In den Schacht? Wie meint Ihr das?«
»O, gar nicht anders, als wie es in Wirklichkeit geschehen ist. Er ist im Schachte unten eingesperrt und zwar von derselben Person, welche auch die schöne Judith unten eingeriegelt hat.«
»Judith?« fragte er wie abwesend.
»Freilich, Judith. Sie verzichtete auf das Gold, die edlen Steine, den Palast und das Schloß, auch auf die schönen Kleider, welche ihr versprochen worden waren, weil ihr in Beziehung auf ihren Vater nicht Wort gehalten wurde und weil der Häuptling ihr das alles auch geben wollte. Da wurde sie in den Schacht gelockt und dort eingesperrt von einem gewissen Melton.«
»Mensch, seid Ihr bei Sinnen?!«
»Sogar sehr! Sie wurde eingesperrt, obgleich sie gedroht hatte, daß der Häuptling nach ihr suchen und sie von Euch fordern würde. Sie hatte sich nämlich am Abende vorher mit dem Häuptlinge verlobt und diesen auf Eure Absichten aufmerksam gemacht. Als die Jüdin verschwunden war, kam der Häuptling, um sich bei Euch nach ihr zu erkundigen. Er wurde überwältigt und auch in den Schacht geschafft.«
»Mann, Ihr redet da einen Roman, der geradezu unmöglich ist!«
»Es klingt allerdings wie ein Roman, wie eine phantastische Erfindung, wenn ich sage, daß er in dasselbe Loch gesperrt wurde, in welchem Judith steckte.«
»Ihr tut ja, als ob Ihr allwissend wäret!«
»Der Mensch braucht nicht allwissend zu sein, um von dem, was er gesehen und gehört hat, reden zu können.«
»Wie? Was?« fragte er, indem seine Stimme einen angstvollen Ausdruck annahm und seine Augen aus ihren Höhlen treten wollten. »Ihr wollt das gesehen und gehört haben?«
»Ich will nicht nur, ich behaupte es nicht bloß, sondern es ist in Wirklichkeit so.«
»Dann müßtet Ihr doch unten im Schachte gewesen sein!«
»Das ist allerdings der Fall.«
Er blieb stehen, starrte mich abermals wie im Traume an und fragte:
»Wie wollt Ihr denn wieder heraufgekommen sein?«
Da es nicht meine Absicht war, ihm die Wahrheit zu sagen, antwortete ich:
»Kann ich nicht an der Kette des Förderkastens heraufgeturnt sein?«
»Nein, denn ich habe dann den Kasten ganz aufgewunden.«
»Ah, jetzt kommt's! Ihr sagt‹ daß Ihr den Kasten dann aufgewunden habt. Mit diesen Worten habt Ihr Euch soeben vergessen, ein Geständnis abzulegen!«
»Nun zum Henker, ja! Mag es meinetwegen ein Geständnis sein! Ich habe es nur zu Euch gesagt, werde es zu keinem andern wiederholen, und was Ihr behauptet, wird man nicht glauben. Übrigens werdet Ihr gar nicht zu einer solchen Behauptung kommen, denn Weller wird bald dafür sorgen, daß Euch die Lunge den giftigen Atem versagt. Ihr scheint mit dem Satan im Bunde zu stehen, denn nur dieser kann es sein, der Euch hinunter in den Schacht geführt hat. Aber verlaßt Euch nicht zu sehr auf ihn! Der Teufel ist ein schlechter Freund und läßt einen gerade dann im Stiche, wenn man seine Hilfe am nötigsten hat!«
»Ja, das habt Ihr wohl genügsam an Euch selbst erfahren, und gerade jetzt fühlt Ihr Euch ganz und gar von ihm verlassen,« antwortete ich, indem ich mich von ihm abwendete, denn ich möchte behaupten, daß der Anblick seines Gesichtes mir geradezu körperliche Schmerzen verursachte. Die Regelmäßigkeit und männliche Schönheit seiner Züge war mit einem Male verschwunden; er sah häßlich, diabolisch häßlich aus.
»Ich mich verlassen fühlen!« fuhr der Widerwärtige fort. »Da irrt Ihr Euch gewaltig! Ich bin Euch nicht so widerstandslos preisgegeben, wie Ihr denkt. Was wollt Ihr tun, wenn ich mich hier niedersetze und nicht von der Stelle zu bringen bin?«
Er warf sich bei diesen Worten auf die Erde nieder.
»Ihr habt den Kolben schon einmal gefühlt,« antwortete ich. »Er wird Euch auch dieses Mal zum Gehorsam bewegen.«
»Versucht es doch! Stoßt mich, schlagt mich! Ich bleibe hier und laß mich lieber zu schanden schlagen, als daß ich weiter gehe. Wir sind noch nicht zu weit von Almaden und von meinen Yumas. Sie werden nach mir suchen; sie werden unsere Fährte finden und uns folgen; dann werden sie Euch erwischen und mich befreien.«
»Denkt Euch das letztere nicht gar so leicht! Daß dies so ist, werde ich Euch beweisen, indem ich Euch nicht zum Weitergehen zwinge. Wir werden also hier bleiben und die Ankunft Eurer Yumas erwarten. Es wird sich dann zeigen, ob sie sich um Euertwillen an mich wagen. Ich werde sogar darauf verzichten, Euch die Füße wieder zusammenzubinden, damit Ihr, wenn sie kommen, versuchen könnt, ihnen entgegenzulaufen.«
Ich setzte mich neben ihm nieder; er legte sich ganz hin, spuckte vor mir aus und wendete sich dann um, damit er mich nicht anzusehen brauche. Das war mir lieb, denn in dieser Stellung sah er die Nahenden nicht, welche, wie ich jetzt bemerkte, nun in der Ferne erschienen. Bald waren sie uns so nahe, daß ich ihre Gesichter erkennen konnte. Der Mimbrenjo schritt voran. Er hatte uns gesehen, ging aber ruhig weiter, ohne Vorsichtsmaßregeln zu treffen, denn sein scharfes Auge hatte mich erkannt. Melton hatte ihn bei mir gesehen, und so wunderte ich mich darüber, daß es ihm nicht eingefallen war, nach ihm zu fragen. Daß der Indianer sich nicht bei mir befand, hätte doch seine Aufmerksamkeit erregen müssen, da die Abwesenheit desselben einen Grund haben mußte.
Nun waren sie uns so nahe, daß wir ihre Schritte hörten.
Melton horchte auf, richtete sich dann rasch empor, so daß er zu sitzen kam, und drehte sich um. Im nächsten Augenblicke sprang er ganz auf, starrte die Nahenden an, als ob sie Gespenster seien, und rief aus:
»Alle Wetter, was sehe ich; wer kommt da!«
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