10
Das große Opfer in Lu
Der Meister sprach: »Beim großen Opfer (für den Ahn der Dynastie) mag ich vom Ausgießen der Libation an nicht mehr zusehen.«
11
Die geheimnisvolle Bedeutung des großen Opfers für die Regierung
Es fragte jemand nach der Bedeutung des großen Opfers (für den Ahn der Dynastie). Der Meiser sprach: »Weiß nicht. Wer davon die Bedeutung wüßte, der wäre imstande, die Welt zu regieren, – so leicht wie hierher zu sehen!« Dabei deutete er auf seine flache Hand.
12
Ernst im Verkehr mit den Überirdischen
Er opferte (den Ahnen) als in ihrer Gegenwart. Er opferte den Göttern als in ihrer Gegenwart. Der Meister sprach: »Wenn ich bei der Darbringung meines Opfers nicht anwesend bin, so ist es, als habe ich gar nicht geopfert.«
13
Herdgott und Hausgeist
Wang Sun Gia fragte und sprach: »Was ist der Sinn des Sprichworts: Man macht sich eher an den Herdgeist als an den Geist des inneren Hauses?« Der Meister sprach: »Nicht also; sondern wer gegen den Himmel sündigt, hat niemand, zu dem er beten kann.«
14
Kulturfortschritt
Der Meister sprach: »Die Dschoudynastie sieht auf zwei Dynastien zurück. Ihre ganze Bildung ist daher verfeinert. Ich schließe mich der Dschoudynastie an.«
15
Geschicklichkeit in der Religion
Als der Meister das königliche Heiligtum betrat, erkundigte er sich nach jeder einzelnen Verrichtung. Da sprach jemand: »Wer will behaupten, daß der Sohn des Mannes von Dsou die Religion kennt, da er sich beim Betreten des großen Tempels erst nach jeder einzelnen Verrichtung erkundigt?« Der Meister hörte es und sprach: »Das eben ist Religion.«
16
Geschicklichkeit nicht rohe Kraft
Der Meister sprach: »Beim Bogenschießen kommt es nicht darauf an, durch die Scheibe durchzuschießen, weil die Körperkraft der Menschen verschieden ist. So hielt man's wenigstens in alter Zeit.«
17
Das Opferschaft
Dsï Gung wollte, daß das Opferschaf bei der Verkündigung des neuen Mondes abgeschafft würde. Der Meister sprach: »Mein lieber Sï, dir ist es leid um das Schaf, mir ist es leid um den Rauch.«
18
Verkannte Gewissenhaftigkeit im Fürstendienst
Der Meister sprach: »Wenn man heutzutage im Dienst des Fürsten alle Gerechtigkeit erfüllt, so halten es die Leute für Schmeichelei.«
19
Fürst und Beamte
Fürst Ding fragte, wie ein Fürst seine Beamten behandeln und wie die Beamten ihrem Fürsten dienen sollen. Meister Kung entgegnete und sprach: »Der Fürst behandle den Beamten, wie es die Sitte verlangt, der Beamte diene dem Fürsten, wie es sein Gewissen verlangt.«
20
Maß im Ausdruck der Empfindung
Der Meister sprach: »Das Guan Dsü Lied ist fröhlich, ohne ausgelassen zu sein, ist sehnsuchtsvoll, ohne das Herz zu verwunden.«
21
Noli tangere
Fürst Ai erkundigte sich bei Dsai Wo über (die alten Bräuche in betreff des) Erdaltars. Dsai Wo erwiderte und sprach: »Die Herrscher aus dem Hause Hia pflanzten Föhren darum, die Leute der Yindynastie Zypressen, die Leute der Dschoudynastie aber Zitterpappeln, wohl um die Untertanen zittern zu machen.« Der Meister hörte es und sprach: »Über Taten, die geschehen sind, ist es umsonst, zu sprechen. Bei Taten, die ihren Lauf genommen haben, ist es umsonst, zu mahnen; wollen wir, was vorüber ist, nicht tadeln.«
22
Verschwendung und Anmaßung als Zeichen beschränkten Charakters
Der Meister sprach: »Guan Dschung war doch im Grunde ein beschränkter Geist.« Jemand sprach: »War Guan Dschung zu einfach?« (Der Meister) sprach: »Guan hat sich den prächtigen San Gui Palast gebaut, und für jede einzelne Verrichtung hatte er einen besonderen Angestellten. Wie kann man da behaupten, daß er einfach war?« »Aber dann verstand sich Guan Dschung wohl besonders gut auf die Etikette?« (Der Meister) sprach: »Die Landesfürsten haben das Vorrecht, eine Schutzwand vor ihrem Palasttor zu errichten. Guan hatte dieselbe Schutzwand vor seinem Tor. Die Landesfürsten pflegen bei ihren Zusammenkünften besondere Kredenztische zu benutzen, Guan benutzte ebenfalls einen solchen Kredenztisch. Wenn Guan sich auf die Etikette verstand, wer versteht sich dann nicht auf Etikette?«
23
Der rechte Vortrag der Musik
Der Meister redete mit dem Musikmeister von Lu über Musik und sprach: »Man kann wissen, wie ein Musikstück ausgeführt werden muß. Beim Beginn muß es zusammenklingen. Bei der Durchführung müssen in harmonischer Weise die einzelnen Themen herausgehoben werden in fließendem Zusammenhang bis zum Ende.
24
Der Grenzwart
Der Grenzwart von I bat (beim Meister) eingeführt zu werden, (indem) er sprach: »Wenn ein großer Mann hier durchkommt, wurde es mir noch nie versagt, ihn zu sehen.« Darauf wurde er eingeführt. Als er herauskam, sprach er: »Meine Freunde, was seid ihr traurig, als wäre alles aus? Die Welt war lange ohne Wort Gottes; nun gebraucht der Himmel euren Meister als Glocke.«
25
Klangschönheit und Formvollendung in der Musik
Der Meister sprach von der Schau-Musik: »Sie erreicht die höchste Klangschönheit und ist auch in ihrem technischen Aufbau vollkommen.« Von der Wu-Musik sagte er: »Sie steht an Klangschönheit ebenso hoch, aber ist in ihrer Form nicht so vollkommen.«
26
Die rechte Gesinnung das Wichtigste
Der Meister sprach: »Hervorragende Stellung ohne Großartigkeit, Religionsübung ohne Ehrfurcht, Erledigung der Beerdigungsbräuche ohne Herzenstrauer: solche Zustände kann ich nicht mit ansehen.«
Das vierte Buch handelt in seinen ersten Abschnitten von einem der wichtigsten Begriffe der konfuzianischen Lehre, dem »jen«. Der Begriff hängt zusammen mit dem Begriff »jen« »Mensch«, ja der Begriff »Mensch« wird in dem Werk »Dschung Yung« direkt zur Erklärung herangezogen. Gewöhnlich wird das Wort übersetzt mit »Menschlichkeit«, »Humanität«, »Wohlwollen«, »Vollkommenheit«. Es sind das alles Übersetzungen, die möglich sind nach vorausgegangener Definition. »Menschlichkeit« hat aber eine etwas andre Klangfarbe, ebenso »Humanität«, deshalb haben wir, um einen möglichst umfassenden Begriff zu geben, den Ausdruck »sittlich«, »Sittlichkeit« gewählt. Es liegt darin das »sozial Bedingte, das mit der weiteren Entwicklung sich erweitert zum Ideal der gerecht-liebevollen Behandlung der Nebenmenschen im Sinn der möglichsten Förderung der Menschheit im eigenen und fremden Ich« (vgl. Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe). Diese Definition deckt sich genau mit dem chinesischen Begriff.
1
Gute Nachbarschaft
Der Meister sprach: »Gute Menschen machen die Schönheit eines Platzes aus. Wer die Wahl hat und nicht unter guten Menschen wohnen bleibt, wie kann der wirklich weise (genannt) werden?«
2
Seelenfrieden
Der Meister sprach: »Ohne Sittlichkeit kann man nicht dauernde Bedrängnis ertragen, noch kann man langen Wohlstand ertragen. Der Sittliche findet in der Sittlichkeit Frieden, der Weise achtet die Sittlichkeit für Gewinn.«
3
Die Kunst des Liebens und Hassens
Der Meister sprach: »Nur der Sittliche kann lieben und hassen.«
4
Ein guter Wille überwindet das Böse
Der Meister sprach: »Wenn der Wille auf die Sittlichkeit gerichtet ist, so gibt es kein Böses.«
5
Das Ideal und das Leben
Der Meister sprach: »Reichtum und Ehre sind es, was die Menschen wünschen; aber wenn sie einem unverdient zuteil werden, so soll man sie nicht festhalten. Armut und Niedrigkeit sind es, was die Menschen hassen; aber wenn sie einem unverdient zuteil werden, so soll man sie nicht loszuwerden suchen. Ein Edler, der von der Sittlichkeit läßt, entspricht nicht dem Begriff (des Edlen). Der Edle übertritt nicht während der Dauer einer Mahlzeit die (Gesetze der) Sittlichkeit. In Drang und Hitze bleibt er unentwegt dabei, in Sturm und Gefahr bleibt er unentwegt dabei.«
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