Guy Maupassant - Bel-Ami

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Erotische Bibliothek Band 20: Bel-Ami von Guy de Maupassant
Sammlung klassischer erotischer Werke der Weltliteratur
Mit beißender Ironie schildert Maupassant den Aufstieg des ungebildeten aber ambitionierten ehemaligen Unteroffiziers Georges Duroy im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der dank der Hilfe eines Freundes zu beruflichem und gesellschaftlichen Ansehen gelangt. Er heiratet nach dem Tod des Freundes dessen Witwe, die er, ihrer überdrüssig, in flagranti beim Ehebruch erwischt und ehelicht anschließend die Tochter eines reichen Verlegers, womit er an die Spitze der Gesellschaft aufsteigt.

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Bel-Ami

Erotische Bibliothek

Band 20

Guy de Maupassant

Bel-Ami

Erstmals erschienen 1884 unter dem Titel

Bel-Ami

Aus dem Französischen von Max Schönau 1922

© Lunata Berlin 2019

Inhalt

Erster Teil Erster Teil

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

Zweiter Teil

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

Über den Autor

Die erotische Bibliothek

Erster Teil

I

Die Kassiererin gab auf sein 5-Francs-Stück das Geld heraus und Georges Duroy verließ das Lokal. Stattlich gewachsen, richtete er sich auf mit der Haltung eines ehemaligen Unteroffiziers und drehte schneidig-militärisch seinen Schnurrbart zwischen den Fingern. Er warf auf die übriggebliebenen Gäste einen schnellen, flüchtigen Blick; einen jener Blicke des schönen Burschen, die unfehlbar treffen, wie der Raubvogel seine Beute.

Die Frauen blickten ihm neugierig nach: es waren drei kleine Nähmädchen, eine Musiklehrerin unbestimmten Alters, schlecht gekämmt, nachlässig gekleidet mit einem alten, verstaubten Hut und einem Kleid, das niemals sitzen wollte. Dazu zwei bürgerliche Frauen mit ihren Männern, Stammgäste des kleinen Lokals mit »festen Preisen«.

Auf der Straße blieb er einen Augenblick stehen und überlegte, was er unternehmen sollte. Es war der 28. Juni — in der Tasche blieben ihm 3 Francs 40 Centimes für den Rest des Monats übrig. Dafür konnte er sich zwei Mittagessen leisten, dann allerdings kein Frühstück, oder umgekehrt. Er überlegte sich, daß ein Frühstück nur 22 Sous, ein Mittagessen dagegen 30 kostete. Begnügte er sich bloß mit dem Frühstück, so würden ihm 1 Francs 20 Centimes verbleiben, das bedeutete zweimal Würstchen mit Brot und zwei Glas Bier auf dem Boulevard. Dies war sein kostspieliges Vergnügen, das er sich abends gönnte.

Daraufhin ging er die Rue Notre-Dame de Lorette hinunter.

So schritt er dahin, wie zur Zeit, als er die Husarenuniform trug, in strammer Haltung mit etwas gespreizten Beinen, wie ein Reiter, der eben vom Pferde gestiegen ist. Ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen, ging er seinen Weg durch die Straßenmenge. Er stieß die Passanten und wollte niemandem ausweichen. Seinen alten Zylinderhut rückte er etwas auf das eine Ohr, und laut klangen seine Schritte auf dem Pflaster. Verächtlich und herausfordernd betrachtete er die Menschen, die Häuser, die ganze Stadt: er — der schicke, schneidige Soldat, der zufällig Zivilist war.

Sein fertiggekaufter Anzug kostete nur 60 Francs, trotzdem trug er eine gewisse betont knallige Eleganz zur Schau; etwas ordinär, dafür echt und eindrucksvoll. Groß und schön gewachsen, hatte er dunkelblondes, rötliches, von Natur krauses Haar, das in der Mitte gescheitelt war; mit einem kecken Schnurrbart, der sich auf seiner Oberlippe kräuselte, und hellen, blauen Augen mit kleinen Pupillen, sah er dem Mordskerl aus einem Hintertreppenroman ähnlich.

Es war ein heißer Sommertag. Kein frischer Luftzug regte sich in Paris. Die Stadt glühte wie ein Kessel und erstickte in der schwülen Nacht. Die Straßenkanäle hauchten üblen Duft aus ihren Granitrachen, und aus den Küchen und Kellerräumen drangen ekle Gerüche von Spülwasser und alten Speiseresten auf die Straße.

Unter den Haustoren saßen die »Concièrges« (Hauswarte) in Hemdsärmeln rittlings auf ihren Strohsesseln und rauchten die Pfeife. Träge schlichen die Menschen dahin, mit entblößtem Kopf, den Hut in der Hand tragend.

Als Georges Duroy den Boulevard erreichte, blieb er stehen, unschlüssig, was er nun tun sollte. Er hatte Lust, in die Champs-Élysée und die Avenue du Bois de Boulogne zu gehen, um unter den Bäumen etwas frische Luft zu schöpfen.

Aber ein anderes Verlangen regte sich in ihm, und zwar nach einem Liebesabenteuer. Wie ihm so ein Abenteuer in den Weg laufen sollte, davon hatte er keine Ahnung, aber seit drei Monaten wartete er darauf jeden Tag und jeden Abend. Dank seiner schönen, stattlichen Erscheinung hatte er wohl hier und da ein bißchen Liebe kosten dürfen; genügen tat ihm das nicht, er hoffte immer auf mehr und auf Besseres.

Mit heißem Blut aber leerer Tasche erregten ihn die Dirnen, die ihm an den Straßenecken zumurmelten: »Komm mit, feiner Junge«, doch er getraute sich nicht, ihnen zu folgen, denn bezahlen konnte er sie nicht, und dann träumte er auch von anderem, von etwas vornehmerer Liebe und minder gemeinen Küssen.

Trotzdem liebte er die Orte, wo es von jenen öffentlichen Mädchen wimmelte; er suchte gern ihre Balllokale, ihre Cafés, ihre Straßen auf. Er liebte, sie anzusprechen, sie zu duzen, ihre aufdringlichen Parfüms einzuatmen und ihre Nähe zu fühlen. Sie waren doch schließlich Frauen; Frauen, die zur Liebe bestimmt waren. Verachten tat er sie nicht, so wie jeder Mann sie verachtete, der im Schoß der Familie aufgewachsen ist.

Er lenkte seine Schritte nach der Madeleinekirche und folgte dem Menschenstrom, der sich, von der Hitze bedrückt, schwerfällig dahinwälzte.

Die Cafés waren überfüllt, dichtgedrängt saßen die Menschen am Bürgersteig, im grellen, blendenden Licht der erleuchteten Fenster. Vor ihnen auf kleinen runden oder viereckigen Tischen standen Gläser mit roten, gelben, grünen und in allen Farben schillernden Flüssigkeiten, und in den Karaffen sah man große, durchsichtige Eisstücke glänzen, die das schöne, klare Wasser kühlten.

Duroys Schritte wurden langsamer, und das Verlangen nach einem erfrischenden Getränk trocknete ihm die Kehle. Ihn packte ein glühender Durst, ein Durst eines heißen Sommerabends; er dachte immerfort an das köstliche Gefühl, wenn ihm etwas Kaltes durch die Kehle rinnt. Wenn er sich aber heute auch nur zwei Glas Bier gestattete, dann war es morgen mit seinem kargen Abendbrot vorbei, und die Stunden des Hungers am Monatsende waren ihm nur zu wohl bekannt.

Er sagte sich: »Bis zehn Uhr muß ich aushalten, und dann trinke ich einen Bock à l'Americain. Donnerwetter, habe ich jetzt einen Durst!« Und er blickte all diese Menschen an, die an den Tischen saßen, tranken und ihren Durst löschen konnten, soviel sie wollten. Und während er äußerlich keck und zuversichtlich an den Cafés vorüberging, taxierte er mit raschem Blick nach dem Aussehen und der Kleidung eines jeden Gastes, wieviel Geld er wohl mit sich trug. Eine Wut ergriff ihn gegen diese ruhig dasitzenden Leute. Wenn man ihre Taschen durchsuchte, so würde man Gold, Silber und Kleingeld finden. Durchschnittlich mußte jeder wohl zwei Zwanzigfrancsstücke bei sich haben, etwa hundert Menschen saßen in jedem Café, und hundertmal zweimal zwanzig macht viertausend Francs. »Schweinehunde!« murmelte er vor sich hin und ging mit wiegenden Schritten weiter. Hätte er nur einen an irgendeiner dunklen Straßenecke fassen können, würde er ihm weiß Gott ohne Bedenken den Hals umgedreht haben, wie er es mit den Dorfhühnern an den Tagen der großen Manöver tat.

Er dachte an seine zwei Dienstjahre in Afrika und an die Art und Weise, wie man in den kleinen Vorposten im Süden den Arabern das Geld abnahm. Ein grausames, zufriedenes Lächeln glitt über seine Lippen, als er eines Streiches gedachte, der drei Männern vom Stamme der Uled-Alan das Leben kostete und ihm und seinen Kameraden zwanzig Hühner, zwei Schafe und Gold einbrachte und heiteren Gesprächsstoff für sechs Monate.

Die Schuldigen waren nie entdeckt worden, man hatte sie auch freilich nie gesucht, da der Araber sozusagen als natürliche Beute der Soldaten galt.

In Paris war das anders. Hier konnte man nicht mit dem Säbel an der Seite und dem Revolver in der Faust, fern vom wachsamen Auge der bürgerlichen Gerichtsbarkeit, in voller Freiheit herumplündern.

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