Andrew verstand sich selbst nicht, als er ihr seine angeschwitzte Hand entgegenstreckte und die ihre umfasste, ehe sie ihn daran wie an einer Hundeleine hinter sich herzog.
»Wir haben wohl vergessen etwas Wesentliches zu erwähnen«, meldete sich Bailey, nachdem sie erneut die Kontrolle über das Mikrofon erlangt hatte und jetzt mit einem äußerst nervös wirkenden, mageren Burschen auf der Bühne vor allen stand. »Aber Cat und ich werden natürlich auch am Wettbewerb teilnehmen. Also hütet euch besser, Bitches, denn ich weiß, dass ich das Game mit meinem Protegé rocken werde!«
Ihre Worte brachten ihr einen tosenden Beifall ein.
»Wie steht’s mit dir, Schwesterherz?«, fuhr Bailey fort und schenkte Cataleya ein herausforderndes, liebevolles Lächeln.
»Oh, da mach‘ dir mal nur keine Sorgen, Schwesterchen! Ich habe meine Sarah!«, schoss Cataleya unmittelbar zurück und zog Andrew fest am Arm zu sich heran.
Augenblicklich füllten sich seine Sinne mit dem berauschend süßen Duft ihres Parfüms. Inzwischen klopfte sein Herz derart heftig, dass es sich für ihn anfühlte, als würde es jeden Augenblick seine Brust zerreißen und herausspringen.
»Wir sind bereit es mit dir und jeder von euch«, sie schaute in die Runde, »aufzunehmen! … Nicht wahr, Sally, meine Süße?«
So seltsam es auch klang, als sie ihn auf › Sarah ‹ taufte, mit › Sally ‹ und › Süße ‹ ansprach, es ließ ihn am ganzen Körper zittern, denn irgendwie hatte er das Gefühl, den Namen schon einmal gehört zu haben, und ganz tief in seinem Innersten wusste er, dass er perfekt zu ihm passte.
»Nicht wahr, meine Süße?!«, zischte Cataleya ihn bedrohlich an und packte seinen Arm so fest, dass er ihre perfekt gemachten, rotlackierten Nägel spüren konnte.
»Ja …«, krächzte Andrew, kaum fähig seiner Stimme eine ausreichende Festigkeit zu verleihen, als er alle Augenpaare auf sich spürte.

Kapitel 4
K
napp fünf Minuten später wurde Andrew von Cataleya durch die Haupttür des › Theatres ‹ auf den Campus geführt. Inzwischen war es dunkel geworden. In den Fenstern der Studentenunterkünfte leuchten fast überall die Lichter und der über ihnen am Himmel hängende Vollmond schenkte zusätzlich sein milchiges, weiches Licht.
»Falls du für diese Woche irgendwelche Pläne hattest, Sally«, setzte Cataleya an, während sie durch den Innenhof schritten, »dann betrachte sie als gecancelt! Denn für die nächsten sieben Tage gehörst du mir!«
»Willst du … nicht meinen richtigen Namen wissen?«, fragte Andrew, der seine Stimme immer noch als erbärmlich schwach empfand, noch immer geschockt von den Ereignissen der letzten Minuten. Er wandte ihr leicht seinen Kopf zu, derweil er verzweifelt zu verarbeiten versuchte, was da gerade passiert war.
»Nicht wirklich«, gab sie direkt zurück. Sie holte ihr Smartphone heraus und begann auf den Bildschirm zu tippen.
Sofort füllte sich die Luft mit dem Klang ihrer perfekt gepflegten Fingernägel, als sie gegen das Glas des Touchscreens klickten.
»Ich heiße Andrew«, murmelte er, bezweifelte aber, dass sie ihn überhaupt gehört hatte, fiel in die düstere Stille zurück und sah zu, wie die anderen Mistresses ihre Protegés ebenfalls durch die Dunkelheit des Campus führten. »Also, ähm, … was passiert jetzt?«, wagte er sie erneut anzusprechen, nachdem sie einige Minuten in einem für ihn unangenehmen Schweigen gegangen waren.
»Wir nehmen uns jetzt ein Taxi und fahren zu meiner Wohnung. Ich wohne nämlich nicht hier auf dem Campus«, erwiderte sie sachlich, als sie den Hauptzugang zur Universität erreichten.
Bei ihren Worten verspürte sie trotz all der Sachlichkeit eine enorme Aufregung und Neugierde – wenngleich das Ganze total erniedrigend und demütigend war. Ihm war bewusst, dass Cataleya Davis ihn ganz offensichtlich für nichts Anderes als ein peinliches, erbärmliches Nichts ansah, das sie nach Herzenslust herumkommandieren konnte. Dennoch faszinierte ihn der Gedanke, mit ihr tatsächlich zu ihrer Wohnung zu fahren – abgesehen von seiner stetig zunehmenden Nervosität. Aber er musste sich eingestehen, dass es um Längen interessanter war, als mit Caleb an diesem Abend ins Kino zu gehen, oder, was noch viel schlimmer war, im Wohnheim abzuhängen und ihm beim Videospielen zuzusehen.
In diesem Moment hielt eines der schwarzen › London Cabs ‹ nur wenige Yards vor ihnen und Cataleya winkte dem Fahrer freundlich zu, ehe sie langsam in ihrem engen schwarzen Kleid und mit klackernden Absätzen hinüberschritt, ihre Hand ausstreckte und die hintere Tür aufhielt.
Andrew brauchte einen Moment, um zu verarbeiten, dass sie das für ihn tat.
»Ladies first«, bemerkte sie und bedachte ihn mit einem sarkastischen Lächeln.

Andrew war aus einem ihm unerfindlichen Grund davon ausgegangen, dass Cataleya und Bailey zusammenleben würden, aber es stellte sich heraus, dass sie allein wohnte – und als er zum erstem Mal ihre elegante Wohnung betrat, die sich hoch oben in einem schicken Block, nur wenige Kilometer von der Universität, befand, war ihm sofort klar, dass sie begütert war oder zumindest über ein wohl situiertes Elternhaus verfügte, das sie finanziell unterstützte. Denn wie zum Teufel, so fragte er sich, konnte sich eine Studentin im letzten Semester eine derartig tolle Unterkunft leisten?
Voller Ehrfurcht sah er sich um und betrachtete die große schwarze › Vintage ‹-Ledercouch, den riesigen Flachbildschirm an der Wand, die gerahmten Kunstwerke und die Glastüren am gegenüberliegenden Ende, die aussahen, als würden sie auf einen abgelegenen privaten Balkon hinausführen.
»Möchtest du etwas trinken, ehe wir anfangen?«, erkundigte sich Cataleya und nickte in Richtung ihrer Küche.
»Sehr gern«, antwortete Andrew, wobei sie ihm einen kurzen Blick auf ihren erstaunlichen Hintern gewährte, der in dem dünnen Stoff ihres knappen schwarzen Kleides wackelte. Er fühlte, wie ihm das Blut trotz seiner Nervosität bis in den Schritt raste. Dann vernahm er, wie sich ein Kühlschrank öffnete und etwas eingegossen wurde.
Zwei Sekunden später kehrte Cataleya mit zwei großen Gläsern Weißwein zurück. »Hier«, sagte sie und reichte ihm eines, ehe sie einen langen, langsamen Schluck nahm. Ihre Augen schlossen sich vor Vergnügen, als sie dabei genießerisch ein weiches, kehliges »Mhmm …« ausstieß.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Andrew nie wirklich etwas Anderes als Bier in seinem Leben getrunken. Deshalb war er sich nicht sicher, was ihn erwarten würde, als er das große Glas an die Lippen hob und einen ersten Schluck nahm. Der Wein war viel stärker und säuerlicher, als er es sich vorgestellt hatte, aber er hatte auch etwas Gutes an sich, dachte er bei sich, denn er stellte fest, dass er schnell einen zweiten, dann einen dritten Schluck nahm und die süßsaure Flüssigkeit in seinem Mund rollen ließ, ehe er sie hinunterschluckte und fast augenblicklich ein warmes Summen in seinem Magen spürte.
»Jetzt, wo du ein wenig französischen Mut in deinen Adern hast«, bemerkte Cataleya und lächelte ihn teuflisch an, »lass‘ mich sehen, mit welchem Material ich arbeite werde … Zieh‘ dich aus.«
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