Ich hätte ihm dies auch später erzählen können, aber erstens hatte ich jetzt Zeit dazu und zweitens that ich es wegen der Aufregung, in welcher er sich befand. So plötzlich einige Millionen in die Hand zu bekommen, das kann nicht jedermann vertragen. Es war jedenfalls eine Wohlthat für seine Nerven, wenn ich ihn veranlaßte, seine Aufmerksamkeit auf meinen Bericht zu lenken.
Aus diesem Grunde erzählte ich möglichst umständlich, und zu meiner Genugthuung folgte er selbst dem Nebensächlichen mit ungeteiltem Interesse. Ich hörte erst auf, als ich mit meiner Erzählung bei dem gegenwärtigen Augenblicke angekommen war. Da holte er tief, tief Atem und sagte:
»Also unter solchen Umständen und mit solcher Lebensgefahr haben Sie die Tasche an sich gebracht! Sie müssen den Inhalt der Tasche mit mir teilen!«
»Oho! Sind Sie etwa der einzige Erbe?«
»Leider nein! Aber ich werde meinen Willen dennoch durchsetzen! Sie werden wenigstens gerade und genau soviel bekommen wie jeder einzelne Erbe!«
»Beleidigen Sie mich nicht! Schweigen wir darüber! Wenn Sie später Gutes thun wollen, so denken Sie an Ihr armes Heimatdörfchen und an dessen Bewohner, bei denen tausend Mark ein großes Vermögen sind! Jetzt will ich einmal nach dem alten Melton sehen. Wie hat er sich verhalten, seit er sich bei den Nijoras befindet?«
»Er hat kein Wort gesprochen.« »Auch mit Ihnen nicht?«
»Nein, obgleich ich mich immer bei ihm befunden habe. Nur wenn er schläft, da stöhnt, ächzt und murmelt er vor sich hin, als ob ihn große Schmerzen quälten. Ob dies das böse Gewissen ist?«
»Nein, sondern der Grimm über den Verlust seines Geldes. Er thut Ihnen nicht den Gefallen, denselben zu erwähnen, träumt aber des Nachts davon. Der Aerger, der sich nur im Traume äußert, aber des Tages jedenfalls wie ein Tiger an ihm frißt und säuft, ist ihm sehr gern zu gönnen. Er hat weit andern Lohn als das verdient und wird ihn auch bekommen.«
Ich ging zu Melton. Dieser hatte unsere Unterredung nicht gehört, weil Franz Vogel mir vorhin entgegengekommen war und wir uns also in guter Entfernung von ihm befunden hatten. Auch gesehen war ich nicht von ihm geworden, denn er lag mit dem Rücken auf der Erde, den Kopf uns zugewendet. Als ich nun ganz plötzlich zu ihm trat, starrte er mich wie ein Gespenst an, schloß die Augen, um sich zu besinnen, ob er wache oder träume, und stieß dann stöhnend hervor:
»Der Deutsche, der tausendmal verdammte Deutsche!«
»Ja, es ist der Deutsche,« antwortete ich. »Ihr freut Euch doch, Master Melton, mich so gesund, frisch und wohl wieder vor Euch stehen zu sehen?«
Da öffnete er die Augen wieder, riß und zerrte wie ein Verrückter an seinen Fesseln und schrie dabei:
»Er ist's; er ist's wirklich! O wäre ich frei, o hätte ich meine Hände los! Umkrallen würde ich dich und dir das Fleisch von den Knochen reißen, du Hund! Haben dich die Mogollons denn nicht erwischt? Oder warst du so feig, vor ihnen davonzulaufen?«
»Nein, Mr. Melton, sie haben mich nicht erwischt, obgleich sie mich wohl gern gehabt hätten, zumal Euer lieber Jonathan mich ihnen sehr angelegentlich auf die Seele gebunden hatte.«
Da beherrschte er sich, nahm eine lauernde Miene an und fragte:
»Jonathan! Habt Ihr ihn etwa gesehen?«
»Es ist möglich; genau kann ich es Euch aber leider nicht sagen.« »Wenn noch nicht, so werdet Ihr ihn ganz gewiß bald zu sehen bekommen!« »Das ist's ja, was ich wünsche!«
»Wünscht es nicht, wünscht es ja nicht!« geiferte er. »Er wird mich befreien, wird mich rächen, wird wie eine Kugel über Euch kommen, die Euch den Kopf zerschmettert!«
»Das werde ich abwarten.«
»Lacht nicht über mich; lacht ja nicht über meine Drohung, denn sie wird sich erfüllen! Er kommt mit den MogolIons; sie werden ihre Feinde niederschmettern und Euch ergreifen. Dann wehe Euch, dreimal wehe, wehe, wehe!«
»Ihr seid ja, während wir uns nicht sahen, außerordentlich dramatisch geworden! Leider befinde ich mich gerade jetzt nicht in der Stimmung, Eure Drohungen so tragisch zu nehmen, wie Ihr es wünscht. Wir fürchten die Mogollons keineswegs, denn wir kennen ihre Absichten und sind eben, dabei, dieselben zu Schanden zu machen.«
Er sah mich forschend an, veränderte den Ausdruck seines Gesichtes abermals und fragte:
»Ihr kennt ihre Absichten? Ah, wirklich? Ihr glaubt, denselben begegnen zu können? Solltet Ihr Euch da nicht zu viel zutrauen, Sir?«
»Schwerlich! Ihr kennt mich doch, wenn auch noch nicht ganz genau. Ich pflege den Büffel stets bei den Hörnern, nicht aber bei dem Schwanze anzufassen. Geradeso werden wir es auch mit den Mogollons thun. Wir wissen alles. Euer Jonathan kommt mit den Mogollons; aber wir haben ihnen eine recht hübsche Falle gestellt, in welcher sie sich so leicht fangen werden, daß wir nur die Thür zuzuklappen brauchen.
Ich weiß genau, daß ich imstande bin, Euch schon nach einigen Stunden die Mogollons samt Euerm Jonathan als Gefangene zu zeigen.«
Er schien mich mit den Augen verschlingen zu wollen, als er auf meine Worte erwiderte:
»Gefangene? Auch Jonathan? Pshaw! Ihr wollt mich ängstigen, mich ärgern; aber das soll Euch nicht gelingen!«
»Ihr seid für immer kalt gestellt, Mr. Melton; ob Ihr Euch freut oder ärgert, ist mir unendlich gleichgültig. Ich spreche der Wahrheit gemäß, und wenn Ihr das nicht glaubt, werdet Ihr den Beweis sehr bald zu sehen bekommen.«
»Alle Wetter, Ihr scheint wirklich Eurer Sache sicher zu sein! Uebrigens ist es mir sehr gleichgültig, ob die Mogollons die Nijoras ermorden oder diese jene umbringen. Mir ist es um etwas ganz anderes zu thun. Und wenn Ihr gescheit seid, könnt Ihr ein außerordentlich gutes Geschäft dabei machen. Wollt Ihr?«
»Warum nicht, wenn das Geschäft ein ehrliches ist,« antwortete ich, sehr neugierig auf die Mitteilung, welche er für mich auf der Zunge hatte.
»Sehr ehrlich, außerordentlich ehrlich, wenn nämlich Ihr selbst es auch ehrlich dabei meint.« »Ich bin kein Schuft; das könntet Ihr nun wohl endlich wissen.«
»Ich weiß es und eben darum glaube ich, daß die MogolIons in eine Falle gehen werden. Und darauf gründe ich das Geschäft, welches ich Euch vorzuschlagen beabsichtige.«
»So redet!«
»Ich verlange von Euch einen Gefallen, einen ganz kleinen, geringen Dienst, und ich verspreche Euch dafür einen Lohn, welcher unendlich größer ist, als dieser armselige Dienst.«
»Ja, Ihr werdet es versprechen, aber nicht halten!«
»Stellt Euch sicher, stellt Euch sicher, Sir! Ihr thut mir den Gefallen erst dann, wenn Ihr den Lohn erhalten habt.«
»Das ist ein Vorschlag, der sich hören läßt. Welchen Dienst verlangt Ihr?«
»Ihr laßt mich frei und gebt mir das Geld wieder, welches Ihr mir abgenommen habt.«
»Das ist allerdings ein außerordentlich geringer Dienst, den ich Euch erweisen soll. Also Ihr verlangt Eure Freiheit und dazu das Geld, welches ich Euch aus den Stiefeln genommen habe! Wunderbar!«
»Werdet nicht höhnisch, Sir, denn Ihr wißt noch gar nicht, was ich Euch dafür geben werde!«
»Ihr? Was habt Ihr denn noch? Was könntet Ihr mir geben?«
»Millionen!«
»Alle Wetter! Wo befinden sich denn Eure Millionen?«
»Das kann ich Euch erst sagen, wenn Ihr mir die Freiheit und mein Geld versprecht.« »Und ich soll die Millionen eher bekommen, als ich mein Versprechen zu halten brauche?« »Ja, zu Eurer Sicherheit. Ihr seht, daß ich es ehrlich mit Euch meine.«
»Allerdings. Mr. Melton, ich scheine mich in Euch geirrt, Euch vollständig falsch beurteilt zu haben!«
»Das ist wahr. Glücklicherweise biete ich Euch jetzt die vortreffliche Gelegenheit, diesen Fehler zu Eurem größten Nutzen gut zu machen.«
»Schön! Bei diesem gegenseitigen großen Vertrauen wird sich das Geschäft wohl machen lassen. Millionen, das hat etwas zu bedeuten! Also, wo habt Ihr sie?«
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