- O nein. doch Gott, mein braver Kriegsgefährte!« antwortete der Pater Esperante.
Inzwischen verstrich die Zeit, und die Dinge kamen um keinen Schritt weiter. Warum zögerte eigentlich Jacques Helloch, sich offen auszusprechen? Meinte er vielleicht, sich doch zu täuschen?. O nein, weder über seine eigenen Gefühle, noch über die, die er Jeanne von Kermor eingeflößt hatte. Nur eine ihn gewiß ehrende Zurückhaltung gebot ihm Schweigen. Das Gegentheil hätte ja ausgesehen, als beanspruche er nun den Preis für die von ihm geleisteten Dienste.
Sehr zu gelegener Zeit brachte Germain Paterne indeß »den Stein zum Rollen«, und eines Tages begann er zu seinem Freunde:
»Nun. wann reisen wir denn wieder ab?
- Sobald Du willst, Germain.
- Das ist ja recht schön, nur wirst Du es nicht wollen, wenn ich es will.
- O. warum denn?
- Weil Fräulein von Kermor dann verheiratet sein wird.
- Verheiratet!.
- Ja. denn ich werde um ihre Hand anhalten.
- Was kommt Dir in den Sinn? rief Jacques fast heftig.
- Na, na, nur gelassen! Natürlich nicht für mich, sondern für Dich!«
Und das that er denn auch, ohne sich durch Einwendungen, die ihm unangebracht erschienen, abhalten zu lassen.
Jacques Helloch und Jeanne von Kermor traten in Gegenwart Germain Paterne's und des Sergeanten Martial vor den Missionär, der sie nach ihrem Begehr fragte.
»Jacques, begann das junge Mädchen mit tief erregter Stimme, ich bin bereit, die Ihrige zu werden. das wird in meinem ganzen Leben nicht genug sein, Ihnen meine Dankbarkeit zu bezeugen.
- Jeanne, meine theure Jeanne, antwortete Jacques Helloch, ach, ich liebe Sie. ja, ich liebe Sie schon längst!
- Nun, sage nichts weiter, lieber Freund, rief Germain Paterne. Etwas Besseres würdest Du doch nicht zu sagen finden!«
Der Oberst von Kermor zog seine beiden Kinder an sich, die, an seinem Herzen liegend, den Bund für's Erdenleben schlossen.
Die Trauung des jungen Paares sollte in Santa-Juana nach Verlauf von vierzehn Tagen stattfinden. Nachdem der Pater Esperante als Standesbeamter in der Mission die Civiltrauung verrichtet hätte, würde er auch die kirchliche Einsegnung der Neuvermählten folgen lassen und ihnen dabei den väterlichen Segen ertheilen. Jacques Helloch, der völlig frei dastand und dessen Familie der Oberst von Kermor früher gekannt hatte, brauchte keine Genehmigung einzuholen. Sein Vermögen und das vom Sergeanten Martial verwaltete Vermögen Jeannes mußte den jungen Leuten ein reichliches Auskommen sichern. Einige Wochen nach der Hochzeit sollten sie abreisen und dann über Havana fahren, um dort die Familie Eridia aufzusuchen. Darauf würden sie nach Europa reisen, in Frankreich, in der Bretagne, ihre Angelegenheiten ordnen und schließlich nach Santa-Juana zum Oberst von Kermor und zu dem alten Soldaten zurückkehren.
So lauteten die Bestimmungen, die allseitigen Beifall fanden, und am 25. November vollzog, im Beisein der festlich gekleideten Einwohnerschaft und in Gegenwart Germain Paterne's und des Sergeanten Martial, die als Zeugen dienten, der Vater die civile und die kirchliche Trauung seiner Tochter Jeanne von Kermor mit dem überglücklichen Jacques Helloch.
Es war eine ergreifende Feierlichkeit, die im Dorfe allgemeinster Theilnahme begegnete und eine tiefe Erregung zurückließ. Die wackern Guaharibos gaben dabei ihrer Freude in lautester Weise Ausdruck.
Nahezu ein Monat ging noch dahin, dann kam Germain Paterne der Gedanke, daß es doch wohl Zeit wäre, der wissenschaftlichen Mission, womit sein Genosse und er vom Minister für öffentliche Aufklärung betraut worden waren, endlich Rechnung zu tragen. Man sieht, daß es immer der Minister war, den er als Vermittler seiner Absichten zu Hilfe nahm.
»Schon jetzt?« antwortete ihm Jacques Helloch auf seine Erinnerung.
Jacques Helloch hatte eben die Tage nicht gezählt. er war zu glücklich, um solche Rechnungen anzustellen.
»Ja wohl. schon! erwiderte Germain Paterne. Seine Excellenz muß ja annehmen, wir wären von venezuolanischen Jaguaren aufgezehrt worden, wenn unsre Erdenlaufbahn nicht etwa im Magen von Caraiben geendet hätte!«
In Uebereinstimmung mit dem Pater Esperante wurde nun die Abreise auf den 22. December festgesetzt.
Nicht ohne schwere Beklemmung des Herzens sah der Oberst von Kermor die Stunde herannahen, wo er sich von seiner Tochter trennen sollte, wenn es auch beschlossen war, daß diese nach einigen Monaten zu ihm zurückkäme. Die jetzige Reise erfolgte ja unter wesentlich günstigeren Bedingungen, und Frau Jacques Helloch war dabei nicht solchen Unannehmlichkeiten und Gefahren wie Jeanne von Kermor ausgesetzt. Die Thalfahrt auf dem Strome bis Ciudad-Bolivar verlief voraussichtlich schnell genug - freilich ohne die Gesellschaft der Herren Miguel, Felipe und Varinas, die San-Fernando jetzt jedenfalls wieder verlassen hatten.
Es war zu erwarten, daß die Piroguen binnen fünf Wochen Caicara erreichten, und von da aus sollte einer der auf dem untern Orinoco verkehrenden Dampfer benutzt werden. Was aber die schließliche Rückkehr nach Santa-Juana betraf, konnte man Jacques Helloch wohl zutrauen, daß er sie mit größter Schnelligkeit und in möglichster Sicherheit auszuführen wissen werde.
»Obendrein, mein Herr Oberst, bemerkte der Sergeant Martial, hat unsre Tochter den besten Ehemann, sie in Schutz zu nehmen, und der ist mehr werth als so ein DreiviertelsInvalid. ein alter dummer Kerl, der nicht einmal im Stande war, sie zu retten. weder aus den Fluthen des Orinoco, noch vor der Liebe dieses braven, ehrenfesten Jacques Helloch!«
Vierzehntes Capitel
Auf Wiedersehen!
Am Morgen des 22. December lagen die beiden Piroguen bereit, den Strom wieder hinunter zu fahren.
Zu dieser Zeit des Jahres war der Wasserstand des Orinoco noch nicht besonders gestiegen. Die »Gallinetta« und die »Moriche« hatten deshalb gegen fünf Kilometer stromabwärts bis zur Mündung eines kleinen Rios des rechten Ufers, wo sich hinreichende Wassertiefe vorfand, mühsam geschleppt werden müssen. Von hier aus liefen sie höchstens noch Gefahr, einige Stunden lang da und dort den Grund zu streifen, nicht aber bis zum Eintritt der Regenzeit etwa gar auf dem Trocknen sitzen zu bleiben.
Der Pater Esperante wollte seine Kinder bis zu dem neuen Halteplatze der Falcas geleiten. Der jetzt wieder ganz hergestellte Sergeant Martial schloß sich ihm ebenso an, wie der junge Indianer, der inzwischen zum richtigen Adoptivkinde der Mission von Santa-Juana geworden war.
Etwa fünfzig Guaharibos bildeten die weitere Begleitung, und Alle langten glücklich an der Einmündung des Rios an.
Als die Stunde zur Abfahrt schlug, nahm Valdez seinen Platz auf der »Gallinetta« ein, auf der Jacques Helloch und seine Gattin sich einschiffen sollten. Parchal begab sich auf die »Moriche«, deren Deckhaus die kostbaren Sammlungen Germain Paterne's und seine nicht minder kostbare Person aufzunehmen hatte.
Da die beiden Falcas beisammen bleiben und häufig dicht Bord an Bord segeln sollten, würde Germain Paterne nicht auf seine eigene Gesellschaft beschränkt sein, sondern, so viel er wollte, mit dem jungen Ehepaare in Berührung bleiben können. Außerdem sollten, wie sich das ja von selbst versteht, die Mahlzeiten gemeinschaftlich an Bord der »Gallinetta« eingenommen werden, wenn Jacques und Jeanne Helloch nicht ausnahmsweise einer Einladung Germain Paterne's nach der »Moriche« folgten.
Die Witterung war günstig, das heißt, es wehte ein mäßig frischer Wind aus Osten, und da die Sonnenstrahlen durch einen leichten Wolkenschleier gemildert wurden, herrschte auch eine recht erträgliche Temperatur.
Der Oberst von Kermor und der Sergeant Martial gingen bis zum Rande des Wassers hinab, um ihre Kinder noch einmal zu umarmen. Weder die einen, noch die andern suchten ihre natürliche Erregung zu verbergen. Jeanne, die ja sonst so energisch war, weinte still in den Armen ihres Vaters.
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