»Wie die Iren so schön sagen«, meinte Kurtz: »Me groin's foine.« Er langte sich zwischen die Beine, imitierte einen Sackgrabbier und schenkte Owen ein breites Grinsen.
»Schön.«
»Und Sie? Alles in Butter?«
»Me groin's foine«, sagte Owen, und Kurtz lachte.
Jetzt kam ein nagelneuer Lincoln Navigator die Straße herauf, langsam und vorsichtig, aber er hatte es einfacher als der Bus. Darin saßen drei Jäger in orangefarbener Kluft, allesamt kräftige Kerle, und begafften die Hubschrauber und die im Laufschritt herumeilenden Soldaten in ihren grünen Overalls. Vor allem begafften sie die Waffen. Sah aus wie in Vietnam - und das hier im nördlichen Maine. Bald würden sie sich zu den anderen im Internierungslager gesellen.
Ein halbes Dutzend Männer kam dazu, als der Lincoln hinter dem Bus mit den Aufklebern dran hielt, auf denen BLUE DEVIL PRIDE Und DIESER BUS HÄLT AN ALLEN BAHNÜBERGÄNGEN stand. Drei Anwälte oder Banker mit ihren eigenen Cholesterinproblemen und fetten Aktienportfolios, Anwälte oder Banker, die einen auf kumpelhaft machten,
weil sie glaubten (von dieser Illusion würde man sie bald befreien), immer noch in einem friedlichen Amerika zu leben. Bald würden sie im Stall sein (oder im Pferch, wenn ihnen frische Luft lieber war), wo man ihre Visa-Karten nicht akzeptierte. Ihre Mobiltelefone durften sie behalten. Die funktionierten hier oben in der Buttnick sowieso nicht, und so konnten sie sich damit vergnügen, immer wieder auf die Wahlwiederholungstaste zu drücken.
»Sind Sie im Bilde?«, fragte Kurtz.
»Ich denke schon, ja.«
»Immer noch so ein Schnell-Leser?«
Owen zuckte mit den Achseln.
»Wie viele Menschen insgesamt in der blauen Zone, Owen?«
»Wir schätzen achthundert. Und höchstens hundert in den Primärzonen A und B.«
Das war gut, vorausgesetzt, es ging ihnen niemand durch die Lappen. Was die mögliche Kontamination anging, spielte es keine Rolle, ob ein paar entwischten - dahingehend waren die Nachrichten bisher gut. Es konnte sich aber als Katastrophe für das Informationsmanagement erweisen. Es war heutzutage schwierig, ein Phooka-Pferd zu reiten. Zu viele Leute mit Videokameras. Zu viele Hubschrauber von Fernsehsendern. Zu viele Augen.
Kurtz sagte: »Kommen Sie mit in den Laden. Die richten mir einen Winnebago ein, aber der ist noch nicht da.«
»Uno momento«, sagte Underhill und eilte noch mal in den Bus. Als er wiederkam, hielt er eine fettfleckige Tüte von Burger King in der Hand, und ein Kassettenrekorder baumelte ihm an einem Riemen von der Schulter.
Kurtz wies mit einer Kopfbewegung auf die Tüte. »Das Zeug bringt Sie noch mal um.«
»Wir spielen die Hauptrollen in Krieg der Welten, und Sie zerbrechen sich den Kopf über Cholesterinwerte?«
Hinter ihnen verkündete einer der eben eingetroffenen
tapferen Jägersleut', er wolle seinen Anwalt anrufen. Das bedeutete wahrscheinlich, dass er Banker war. Kurtz führte Underhill in den Laden. Über ihnen waren wieder die Leuchtfeuer aufgetaucht und hüpften und tanzten wie Trickfilmfiguren in einem Disneyfilm.
Im Büro des alten Gosselin roch es nach Salami, Zigarren, Bier, Musterole-Creme und Schwefel - entweder von Fürzen oder faulen Eiern, schätzte Kurtz. Vielleicht auch von beidem. Und es roch, vage aber wahrnehmbar, nach Äthylalkohol. So rochen sie. Überall hier oben roch es jetzt danach. Jemand anderes hätte diesen Geruch vielleicht schlechten Nerven und einem Übermaß an Fantasie zugute gehalten, aber Kurtz konnte weder mit dem einen noch mit dem anderen dienen. Er glaubte jedenfalls nicht, dass den gut hundert Quadratmeilen Waldland um Gosselin's Country Store herum als lebensfähigem Ökosystem noch eine große Zukunft beschieden war. Manchmal musste man ein Möbelstück eben bis aufs blanke Holz abbeizen und ganz von vorne anfangen.
Kurtz saß am Schreibtisch und zog eine Schublade auf. Darin lag ein Karton mit der Aufschrift chem/ü. S./10 stück. Da hatte Perlmutter noch mal Glück gehabt. Kurtz nahm die Schachtel und machte sie auf. Darin lagen zehn kleine Atemmasken aus durchsichtigem Plastik, die über Mund und Nase passten. Er warf Underhill eine zu, setzte sich dann selbst eine auf und passte flink die elastischen Bänder an. »Ist das nötig?«, fragte Owen.
»Wir wissen es nicht. Und fühlen Sie sich nicht privilegiert; in einer Stunde werden alle welche tragen. Von den Jims und Janes im Lager natürlich mal abgesehen.«
Underhill legte ohne weiteren Kommentar seine Atemmaske an. Kurtz saß hinterm Schreibtisch und lehnte den Kopf an das neueste Plakat der Behörde für Arbeitsschutz (wenn Sie das nicht aufhängen, werden Sie erschossen), das hinter ihm an die Wand geheftet war.
»Und wirken die?« Underhills Stimme war kaum gedämpft. Der klare Kunststoff beschlug beim Atmen nicht. Er sah keine Poren oder Filter, bekam aber trotzdem ganz einfach Luft.
»Sie wirken gegen Ebola, sie wirken gegen Anthrax, sie wirken gegen die neue Super-Cholera. Wirken sie auch gegen Ripley? Wahrscheinlich schon. Wenn nicht, sind wir im Arsch, Soldat. Wir sind vielleicht sowieso schon im Arsch. Aber noch tickt die Uhr, und noch läuft das Spiel. Soll ich mir das Band anhören, das Sie ja zweifellos in diesem Ding da an Ihrer Schulter haben?«
»Sie müssen es sich nicht komplett anhören, aber reinhören sollten Sie, glaube ich, schon mal.«
Kurtz nickte, drehte den Zeigefinger (wie ein Schiri beim Homerun, fand Owen) und lehnte sich weiter auf Gosselins Stuhl zurück.
Underhill nahm den Rekorder ab, stellte ihn vor Kurtz auf den Schreibtisch und drückte auf play. Eine tonlose Roboterstimme sagte: »NSA Funkabhör-Mitschnitt. Mehrband. 62914A44. Dieses Material ist als streng geheim eingestuft. Zeitpunkt des Mitschnitts: 0627, vierzehnter November Zwo Null Null Eins. Der Mitschnitt beginnt nach dem Signalton. Wenn Sie keine Freigabe für diese Geheimhaltungsstufe haben, drücken Sie jetzt bitte auf Stop.«
»Tja«, sagte Kurtz nickend. »Gute Idee. Das dürfte die meisten nicht autorisierten Personen aufhalten, glauben Sie nicht auch?«
Es folgten eine Pause und ein zwei Sekunden währender leP, und dann sagte eine junge Frau: »Eins. Zwei. Drei. Tut
uns bitte nichts. Ne nous blessez pas.« Ein zweisekündiges cnweigen, und dann sagte ein junger Mann: »Fünf. Sieben.
Elf. Wir sind wehrlos. Sommes sans defense. Tut uns bitte nichts, wir sind wehrlos. Ne nous faites -«
»Bei Gott, das ist ja wie ein Berlitz-Kursus aus den Weiten des Alls«, sagte Kurtz.
»Erkennen Sie die Stimmen?«, fragte Underhill.
Kurtz schüttelte den Kopf und hielt sich den Zeigefinger vor die Lippen.
Die nächste Stimme war die Bill Clintons. »Dreizehn. Siebzehn. Neunzehn.« Clinton sprach es mit breitem Arkansas-Akzent aus. »Wir haben nichts Ansteckendes. // n'y a pas d'infection id.« Eine weitere zweisekündige Pause, und dann sprach Tom Brokaw aus dem Kassettenrekorder. »Dreiundzwanzig. Siebenundzwanzig. Neunundzwanzig. Wir sterben. On se meurt, on creve. Wir sterben.«
Underhill drückte auf stop. »Falls Sie sich das fragen -die erste Stimme war von Sarah Jessica Parker, einer Schauspielerin. Die zweite ist von Brad Pitt.«
»Wer ist das?«
»Ein Schauspieler.«
»Aha.«
»Nach jeder Pause kommt eine andere Stimme. Und alle Stimmen sind einem Großteil der Leute hier in der Gegend vertraut. Wir haben Alfred Hitchcock, Paul Harvey, Garth Brooks, Tim Sample - das ist ein Humorist hier aus Maine, sehr beliebt in der Gegend - und hunderte andere, von denen wir einige noch nicht identifiziert haben.«
»Hunderte andere? Wie lange haben sie die denn abgehört?«
»Genau genommen musste das gar nicht abgehört werden, weil es sich dabei um eine unverschlüsselte Sendung handelt, die wir seit 0800 Uhr stören. Was bedeutet, dass viel davon durchgekommen ist, aber wir bezweifeln, dass jemand, der das empfangen hat, viel damit anfangen konnte. Und falls doch -« Underhill zuckte mit den Achseln ä la Da kann man nichts machen. »Es geht immer noch weiter. Die
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