»Aber sie haben den Krieg verloren«, sagte Austin. »Tesla war nicht der Einzige, der Probleme mit seiner Glaubwürdigkeit hatte. Kovacs ist offensichtlich ebenfalls gescheitert.«
Hibbet schüttelte den Kopf. »Es war ein wenig komplizierter, Kurt. Unterlagen, die nach dem Krieg entdeckt wurden, besagten, dass er dicht davor stand, einen Durchbruch auf dem Gebiet der elektromagnetischen Kriegführung zu erzielen. Glücklicherweise ist es nicht mehr dazu gekommen.«
»Warum nicht?«
»Die Russen überfielen das Labor in Ostpreußen, in dem er angeblich arbeitete. Doch Kovacs war bereits verschwunden. Nach dem Krieg betrieben die Russen Forschungen, die auf den Kovacs-Theoremen basierten. Die Vereinigten Staaten hatten davon Wind bekommen und hätten sich liebend gerne mit Kovacs unterhalten. Die Bedeutung elektromagnetischer Strahlung war unserem Militär nicht entgangen. Vor Jahren fand in Los Alamos eine Konferenz statt, in der über angewandte Waffentechnologie im Zusammenhang mit seinen Forschungen diskutiert wurde.«
»Dort war doch auch das Manhattan Project angesiedelt, nicht wahr? Offenbar der ideale Ort für solche Dinge«, sagte Austin.
»Und das in vieler Hinsicht. Die Manipulation elektromagnetischer Strahlen konnte auf ihre Art weitaus vernichtendere Auswirkungen haben als eine Atombombe. Das Militär nahm Kovacs sehr ernst. So wurden während des Golfkriegs elektromagnetische Impulswaffen getestet. Einige Fachleute sind der Auffassung, dass durch diese Experimente und durch ähnliche, die die Sowjets durchführten, Erdbeben, Vulkanausbrüche und Riesenwellen oder auch ozeanische Wirbel ausgelöst wurden. Deshalb mein Interesse an den hellen Lichterscheinungen am Himmel.«
»Was ist denn so bedeutsam an diesen Blitzen?«, fragte Austin.
»Zeugen, die den von den Amerikanern und den Russen durchgeführten Experimenten beigewohnt haben, berichteten, sie hätten so etwas wie ein Polarlicht oder helle Lichterscheinungen beobachtet, die von elektromagnetischen Impulsen ausgelöst wurden«, antwortete Hibbet.
»Erzählen Sie uns mehr von diesen Experimenten«, bat Austin.
»Es sind heftige Kontroversen ausgebrochen wegen eines Projekts, das die Bezeichnung HAARP trägt — der vollständige Namen lautet High Frequency Active Aural Research Program — und von den Vereinigten Staaten verfolgt wird. Im Prinzip geht es darum, einen gebündelten elektromagnetischen Strahl in die Ionosphäre zu schießen. Verkauft wird das Ganze als rein wissenschaftliches Programm zur Optimierung der weltweiten Kommunikation. Einige Kreise glauben hingegen, dass es sich im Wesentlichen um ein militärisches Programm handelt, das eine ganze Reihe von Zielen verfolgt, die von der ›Star Wars‹-Verteidigung bis hin zur totalen Gedankenkontrolle reichen. Ich weiß nicht, was ich glauben soll, aber das Projekt fußt auf den Kovacs-Theoremen.«
»Sie erwähnten etwas von einer Tesla-Spule«, sagte Austin. »Was haben Sie damit gemeint?«
»Im Grunde nichts anderes als einen einfachen Typ von Resonanzumformer, der aus zwei Spulen besteht. Energieimpulse werden von der einen zur anderen geschickt und erzeugen eine von einem Blitz begleitete Entladung. Bestimmt haben Sie so etwas schon mal in einem Kinofilm gesehen, wo eine solche Anlage offenbar zum Grundinventar im Labor des verrückten Wissenschaftlers gehört.«
Gamay hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt. Sie beugte sich vor. »Wir haben gerade davon gesprochen, diese Wellen ins Erdreich oder in die Atmosphäre zu leiten«, ergriff sie jetzt das Wort. »Was würde denn passieren, wenn man sie zum Meeresboden schickte?«
Hibbet spreizte die Hände in einer Geste der Ratlosigkeit.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Die Meeresgeologie ist nicht mein Arbeitsgebiet.«
»Aber meins«, meldete Paul Trout sich. »Eine Frage, Al, können verstärkte elektromagnetische Wellen hinreichend tief in die Erdkruste eindringen?«
»Das steht außer Frage.«
»In diesem Fall ist es möglich, dass die Impulse in der Erdkruste genauso mehr oder weniger heftige Störungen auslösen können, wie das HAARP-Programm, das Sie erwähnten, die Atmosphäre beeinflusst hat.«
»An welche Art von Störungen haben Sie gedacht?«, fragte Adler.
»An Wirbel und Wellenerscheinungen, zum Beispiel.«
»Könnten diese sich in irgendeiner Weise auf die Ozeane auswirken?«, wollte Austin wissen.
Hibbet massierte sein Kinn. »Die bewegliche flüssige Schicht unter der Erdkruste ist für die Existenz des Magnetfeldes, das die Erde umgibt, verantwortlich. Eine Veränderung dieses Feldes kann alle möglichen Folgen haben.«
Professor Adler schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich wusste es! Jemand hat an meinem Ozean herumgepfuscht!«
»Aber wir haben es hier mit riesigen Entfernungen und Flächenausdehnungen zu tun«, sagte Trout und dämpfte vorübergehend Adlers Überschwang. »Wenn ich diese Diskussion richtig verfolgt habe, so kommt sie gleich wieder auf Joes riesige Zündkerze — oder auf Als Spule — zurück. Selbst wenn diese Vorrichtung enorme Energien hervorbrächte, wäre dies doch im Vergleich mit der Masse der Erde verschwindend gering.«
Austin brach das Schweigen, das nach Trouts Einwand entstand. »Und wenn es mehr als nur einen dieser Apparate gäbe?«
Er schob den Laptop in die Mitte des Tisches und drehte ihn langsam, damit jeder die Lichtpunkte sehen konnte, die die in Mitleidenschaft gezogene Region umgaben.
Trout erkannte die Bedeutung des Gezeigten auf Anhieb.
»Vier Schiffe, von denen jedes seinen Energieausstoß auf einen kleinen Bereich konzentriert. Das könnte funktionieren.«
Austin nickte. »Ich habe noch etwas anderes Interessantes beobachtet.« Er rief das Satellitenbild auf, das kurz nach dem Untergang der Belle aufgenommen worden war. »Meine Vermutung läuft darauf hinaus, dass eins dieser Schiffe selbst den Störungen zum Opfer gefallen ist, die es erzeugt hat.«
Ein zustimmendes Murmeln verriet, dass darüber am Tisch Einigkeit herrschte.
»Das könnte immerhin das Wie erklären«, sagte Zavala.
»Worauf ich mir keinen Reim machen kann, ist das Warum. «
»Ehe wir diese Frage zu beantworten versuchen«, wandte Austin ein, »sollten wir vielleicht lieber ergründen, wer dahinterstecken könnte. Schließlich haben wir es nicht mit jemandem zu tun, der in einer Badewanne planscht und ein paar kleine Wellen erzeugt. Leute, bislang noch ohne Namen und ohne Gesicht, haben weder Kosten noch Mühen gescheut, den Ozean aufzuwühlen. Soweit wir bisher wissen, haben sie die Mannschaften von zwei Schiffen getötet und Schäden in Millionenhöhe verursacht — und alles nur in der Verfolgung irgendeines bislang noch unbekannten Ziels.« Er schaute die am Tisch Versammelten nacheinander an. »Sind wir alle bereit, uns in die Arbeit zu stürzen?«
Hibbet machte Anstalten, sich zu erheben.
»Ich hoffe, Sie holen Kaffee«, sagte Austin grinsend.
Hibbet senkte verlegen den Kopf. »Nein. Eigentlich wollte ich wieder in mein NUMA-Büro zurückkehren. Ich dachte, Sie hätten jetzt alles, was Sie brauchen.«
»Joe, erzähl Al mal etwas über unsere ›Hotel California‹-Regel.«
»Mit Freuden. Es ist wie in dem alten Song von den Eagles, Al. Sobald man ins Spezialteam für Sondereinsätze aufgenommen wurde, kann man sich vorübergehend abmelden, aber man kann nicht aussteigen.«
»Wir brauchen Ihre Kenntnisse über Elektromagnetismus«, sagte Austin. »Es wäre uns eine große Hilfe, wenn Sie vom rein technischen Standpunkt aus darüber nachdenken könnten, ob diesen Hirngespinsten auch nur eine Spur von Plausibilität zugrunde liegt. Wo können wir mehr über die Kovacs-Theoreme erfahren?«
»Mein bester Rat ist, gehen Sie zum Ursprung. Die Forschungen wurden in Los Alamos durchgeführt. Da draußen gibt es sogar eine Kovacs Society, die ein Museum für seine Arbeiten und Dokumente unterhält. Ich habe mich von Zeit zu Zeit mit Fragen an sie gewandt.«
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