Guillam blickte ihn an und wartete auf die Lösung. »Aber wie erklären Sie es sich?« fragte er. »Dachte Karla jemals wirklich daran zu bleiben?«
»Ich bin überzeugt, daß es ihm nicht im Traum einfiel«, sagte Smiley angewidert. »Ich habe mich wie ein armer Irrer benommen. Der Archetypus eines knieweichen westlichen Liberalen. Aber ich möchte trotz allem lieber nach meiner Fasson den Narren spielen, als nach der seinen. Ich bin überzeugt«, wiederholte er, »daß ihn weder meine Argumente noch seine prekäre Lage gegenüber der Moskauer Zentrale letztlich auch nur im geringsten beeinflußten. Vermutlich hat er während dieser Nacht einen Plan ausgearbeitet, wie er nach seiner Rückkehr nun seinerseits Rudnew abschießen könnte. Rudnew wurde übrigens wirklich einen Monat später erschossen. Karla bekam Rudnews Job und machte sich daran, seine alten Agenten wieder zu aktivieren. Unter ihnen zweifellos auch Gerald. Komisch, wenn man bedenkt, daß er vielleicht die ganze Zeit über mich angesehen und dabei an Gerald gedacht hat. Vermutlich haben die beiden sich später darüber halb totgelacht.«
Die Episode habe eine weitere Folge gezeitigt, sagte Smiley. Seit seinem Abenteuer in San Francisco habe Karla nie wieder einen Geheimsender angefaßt. Kam für ihn nicht mehr in Frage. Er strich es ein für allemal von seiner Liste: »Botschaftsverbindungen sind etwas anderes. Aber seine Außenagenten müssen die Finger davon lassen. Und Anns Feuerzeug hat er noch immer.«
»Ihr Feuerzeug«, berichtigte Guillam.
»Ja. Ja, meines. Natürlich. Sagen Sie«, fuhr er fort, als der Kellner mit dem Geld abgezogen war, »hat Tarr sich auf irgend jemanden besonders bezogen, als er diese unschöne Anspielung auf Ann machte?«
»Hat er leider. Ja.«
»Das Gerücht ist also schon so konkret?« erkundigte sich Smiley.
»Und bereits überallhin gedrungen? Sogar bis zu Tarr?«
»Ja.«
»Und was besagt es, ganz genau?«
»Daß Bill Haydon ein Verhältnis mit Ann Smiley hatte«, sagte Guillam und spürte, wie ihn jene Kälte überkam, die sein Schutzmantel war, wenn er schlechte Nachrichten für jemanden hatte: Sie sind hochgegangen; Sie sind geschaßt; Sie liegen im Sterben.
»Ah; Aha. Ja. Vielen Dank.« Verlegenes Schweigen.
»Und gab es, gibt es eine Mrs. Gerstmann?« fragte Guillam. »Karla war früher einmal mit einem Mädchen in Leningrad verheiratet, einer Studentin. Sie beging Selbstmord, als er nach Sibirien deportiert wurde.«
»Karla ist demnach gegen alles gefeit«, sagte Guillam schließlich. »Er ist nicht zu kaufen, er ist nicht zu schlagen.« Sie gingen zum Wagen zurück.
»Eigentlich ziemlich teuer, im Verhältnis«, gestand Smiley. »Glauben Sie, der Kellner hat mich beschummelt?« Aber Guillam war nicht in der Stimmung, über den Preis miserabler Mahlzeiten in England zu plaudern. Als er wieder hinter dem Steuer saß, wurde der Tag für ihn aufs neue zum Alptraum, ein trüber Wirbel aus nebelhaft erfaßten Gefahren und argwöhnischen Gedanken.
»Und wer ist nun Quelle Merlin?« fragte er. »Woher könnte Alleline diese Information haben, wenn nicht von den Russen selbst?«
»Oh, er hatte sie natürlich von den Russen.«
»Aber um Gottes willen, wenn die Russen Tarr ausschickten . . .«
»Haben sie nicht. Und Tarr hat auch nicht die britischen Pässe benutzt, nicht wahr? Die Russen haben es mißverstanden. Was Alleline in die Hände bekam, war der Beweis, daß Tarr sie übertölpelt hat. Das ist die wichtige Botschaft, die dieser Sturm im Wasserglas uns zugetragen hat.«
»Was zum Teufel meinte Percy dann mit >Verwirrung stiften