Riley schloss die Augen und versuchte, sich den Tatort so vorzustellen, wie er zum Zeitpunkt des Mordes ausgesehen haben musste.
Die entsprechenden Bilder und Töne konnte sie sich bemerkenswert leicht vorstellen.
Draußen war es noch dunkel, und der Strand war schattig, aber es gab, dort wo die Sonne später aufgehen würde, Spuren von Licht am Himmel über dem Wasser. Es war nicht zu dunkel, um etwas zu sehen.
Es herrschte Flut, und das Wasser began wahrscheinlich nur einen Steinwurf entfernt, also war das Geräusch der Brandung laut.
Laut genug, damit er sich kaum selbst graben hören konnte, erkannte Riley.
In diesem Moment hatte Riley keine Probleme, in diesen fremden Geist einzutauchen…
Ja, er grub, und sie konnte die Anstrengung in seinen Muskeln und eine Mischung aus Schweiß und Seeluft auf seinem Gesicht spüren, als er die Schaufeln voller Sand so weit weg warf, wie er nur konnte,.
Das Graben war nicht einfach. Tatsächlich war es ein bisschen frustrierend.
Es war nicht einfach, so ein Loch in den Sand zu graben.
Sand hatte diese Eigenschaft, wieder in sich zusammenzufallen und den Raum, in dem er gegraben hatte, teilweise wieder aufzufüllen.
Er dachte....
Es wird nicht sehr tief sein. Aber es muss gar nicht tief sein.
Die ganze Zeit blickte er dabei über den Strand und suchte nach seiner Beute. Und tatsächlich kam sie bald in Sichtweite und joggte nicht allzu weit entfernt zufrieden vor sich hin.
Und zur richtigen Zeit war das Loch genau so tief, wie es sein musste.
Der Mörder schob die Schaufel in den Sand, hob die Hände und winkte.
„Komm her!“, rief er dem Jogger zu.
Nicht, dass es darauf ankäme, was er schrie––der Jogger würde nicht in der Lage sein, seine genauen Worte herauszuhören, bloß einen gedämpften Schrei.
Der Jogger hielt bei dem Geräusch an und schaute in seine Richtung.
Dann ging er zu dem Mörder hinüber.
Der Jogger lächelte, als er sich näherte, und der Mörder lächelte zurück.
Bald befanden sie sich in Hörweite.
„Was ist los?“, schrie der Jogger über die Brandung hinweg.
„Komm her und ich zeige es Ihnen", schrie der Mörder zurück.
Der Jogger lief unbedacht zu dem Ort, wo der Mörder stand.
„Schauen Sie da runter", sagte der Mörder. „Sehen Sie genau hin."
Der Jogger beugte sich vor, und mit einer schnellen, geschickten Bewegung nahm der Killer die Schaufel, schlug sie ihm auf den Hinterkopf und schubste ihn in das Loch....
Riley wurde durch den Klang von Direktor Belts Stimme aus ihrer Träumerei gerissen.
„Agentin Paige?"
Riley öffnete die Augen und sah, dass Belt sie mit einem neugierigen Blick ansah. Er hatte sich von Jenns Fragen nicht lange abgelenkt lassen.
Er sagte: „Sie scheinen uns für einen Moment verlassen zu haben."
Riley hörte Jenn in der Nähe kichern.
„Das macht sie manchmal", erklärte Jenn dem Direktor. „Keine Sorge, sie arbeitet hart."
Riley wiederholte schnell die Eindrücke, die sie gerade gewonnen hatte––alles sehr hypothetisch, natürlich, und natürlich kaum eine genaue Wiedergabe dessen, was tatsächlich passiert war.
Aber sie war sich sehr sicher, dass der Jogger einer Einladung des Mörders gefolgt war und sich ihm ohne Angst genähert hatte.
Dies gab ihr einen kleinen, aber entscheidenden Einblick.
Riley sagte zum Polizeidirektor: „Der Mörder ist charmant und sympathisch. Die Leute vertrauen ihm."
Die Augen des Direktors weiteten sich.
„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte er.
Riley hörte hinter sich ein Lachen von jemandem, der sich ihr von Hinten näherte.
„Vertrauen Sie mir, sie weiß, was sie tut."
Sie wirbelte beim Klang der Stimme herum.
Bei dem was sie sah, verbesserte sich ihre Stimmung abrupt.
Direktor Belt trat auf den Mann zu, der sich ihnen näherte.
Er sagte: „Mein Herr, dieser Bereich ist gesperrt. Haben Sie die Absperrung nicht gesehen?“
„Das geht in Ordnung.“, sagte Riley. „Das ist Special Agent Bill Jeffreys. Er gehört zu uns.“
Riley eilte zu Bill und führte ihn gerade so weit weg, dass sie von den anderen nicht gehört wurden.
„Was ist passiert?“, fragte sie. „Warum hast du meine Nachrichten nicht beantwortet?“
Bill lächelte schüchtern.
„Ich war einfach nur ein Idiot. Ich …“ Seine Stimme verblasste und er sah weg.
Riley wartete auf seine Antwort.
Dann sagte er schließlich: „Als ich deine Nachrichten bekam, wusste ich einfach nicht, ob ich bereit bin. Ich rief Meredith an, um Details zu erfahren, aber ich wusste immer noch nicht, ob ich bereit bin. Verdammt, ich wusste nicht einmal, ob ich bereit bin, als ich hier herfuhr. Ich wusste nicht, ob ich bereit bin, bis ich gerade eben sah....“
Er zeigte auf die Leiche.
Er fügte hinzu: „Jetzt weiß ich es. Ich bin bereit, wieder an die Arbeit zu gehen. Ich bin dabei.“
Seine Stimme war fest und sein Ausdruck sah so aus, als ob er es wirklich ernst meinte. Riley atmete erleichtert auf.
Sie führte Bill zurück zu den Beamten, die sich um die Leiche im Loch versammelt hatten. Sie stellte ihn dem Direktor und dem Gerichtsmediziner vor.
Jenn kannte Bill bereits und sie schien froh, ihn zu sehen, was Riley gefiel. Das Letzte, was Riley brauchte, war, dass Jenn sich an den Rand gedrängt oder verärgert fühlte.
Riley und die anderen erzählten Bill, was er bisher noch nicht wussten. Mit großem Interesse hörte er zu.
Schließlich sagte Bill zum Gerichtsmediziner: „Ich denke, es wäre in Ordnung, die Leiche jetzt mitzunehmen. Das heißt, wenn es Agentin Paige recht ist.“
„Ist mir recht.“, stimmte Riley ihm zu. Sie war froh, dass Bill wieder ganz der Alte und darauf bedacht war, Autorität auszustrahlen.
Als das Team des Gerichtsmediziners begann, die Leiche aus dem Loch zu ziehen, inspizierte Bill die Umgebung.
Er fragte Riley: „Hast du den Tatort des vorherigen Mordes schon überprüft?“
„Noch nicht.“, antwortete sie.
„Dann sollten wir das jetzt tun.“, sagte er.
Riley sagte zu Direktor Belt: „Lassen Sie uns einen Blick auf den anderen Tatort werfen.“
Der Direktor stimmte zu. „Bis zum Naturschutzgebiet sind es einige Kilometer.“, fügte er hinzu.
Wieder schafften sie es kommentarlos an den Reporter vorbeizukommen. Riley, Bill und Jenn stiegen in den Geländewagen des FBI ein, während Direktor Belt und der Gerichtsmediziner einen anderen Wagen nahmen. Der Direktor führte sie vom Strand weg, über eine sandige Straße in ein bewaldetes Gebiet. Dort, wo die Straße endete, parkten sie ihre Autos. Riley und ihre Kollegen folgten den beiden Beamten zu Fuß auf einen Trampelpfad, der durch die Bäume führte.
Der Direktor führte die Gruppe am Wegrand entlang und deutete auf einige deutlich erkennbare Fußspuren am Boden.
„Gewöhnliche Turnschuhe.“, kommentierte Bill die Situation.
Riley nickte. Sie konnte die Abdrücke erkenne, die in beide Richtungen zeigten. Aber sie war sich sicher, dass sie ihnen nicht viel mehr Informationen als die Schuhgröße des Täters liefern würden.
Allerdings wurden die Fußspuren von weiteren interessanten Abdrücken durchbrochen. Zwei wackelige Linien gruben sich in den Boden.
„Was hältst du von diesen Linien?“, fragte Riley Bill.
„Spuren einer Schubkarre, die irgendwo hin- und dann wieder zurück führen.“, sagte Bill. Er blickte über die Schulter zur Straße zurück und fügte hinzu: „Ich schätze, der Mörder hat geparkt, wo wir jetzt parken und nahm seine Werkzeuge mit sich.“
„Das haben wir uns auch gedacht.“, stimmte Belt zu. „Und in diese Richtung hat er den Ort wieder verlassen.“
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