Sie wusste sehr genau, dass Hatcher sich wahrscheinlich gerade jetzt in der Hütte versteckte, die Riley von ihrem Vater geerbt hatte – mit Rileys vollem Wissen und Einverständnis.
Wie sollte sie jemals vorgeben können, versucht zu haben, ihn zur Gerechtigkeit zu bringen.
Bill fragte Roston, "Wie läuft es bisher?"
Roston lächelte.
"Oh, ich fange gerade erst an – bis jetzt bin ich noch mit der Recherche beschäftigt."
Dann, mit einem Blick zu Riley, sagte Roston, "Vielen Dank für den Zugang zu den Dateien."
"Ich freue mich, wenn ich helfen kann", sagte Riley.
Roston verengte leicht ihre Augen und ihr Gesicht nahm einen neugierigen Ausdruck an.
"Oh, sie waren eine große Hilfe", sagte sie. "Sie haben viele Informationen zusammengetragen. Auch wenn ich überrascht war, nicht mehr über Hatchers Finanzen zu finden."
Riley unterdrückte ein Schaudern, als sie sich daran erinnerte, dass sie etwas Unüberlegtes getan hatte.
Vor der Zugangsfreigabe für Roston zu ihren Dateien, hatte sie eine mit dem Titel "GEDANKEN" gelöscht – eine Datei, die nicht nur Rileys persönliche Gedanken und Beobachtungen über Hatcher enthielt, sondern auch finanzielle Informationen, die vermutlich zu Hatchers Verhaftung geführt hätten. Oder zumindest dafür gesorgt hätten, dass seine finanziellen Ressourcen abgeschnitten wurden.
Was habe ich mir nur dabei gedacht, schoss es Riley durch den Kopf.
Aber es war geschehen und konnte nicht rückgängig gemacht werden, selbst wenn sie es wollte.
Riley fühlte sich jetzt eindeutig unwohl unter Rostons Blick.
"Er ist schwer zu fassen", sagte Riley zu Roston.
"Ja, das habe ich gemerkt", sagte Roston.
Rostons Blick blieb auf Riley fixiert.
Rileys Unbehagen wuchs.
Weiß sie bereits etwas? fragte Riley sich.
Dann sagte Meredith, "Das ist vorerst alles, Agentin Roston. Ich habe noch etwas mit Paige, Jeffreys und Vargas zu diskutieren."
Roston stand auf und verabschiedete sich höflich.
Sobald sie das Büro verlassen hatte, sagte Meredith, "Es sieht aus, als hätten wir einen neuen Serienmörderfall in Südkalifornien. Jemand hat drei Ausbildungsoffiziere in Fort Nash Mowat ermordet. Sie wurden alle von einem erfahrenen Scharfschützen aus langer Distanz erschossen. Das neueste Opfer wurde heute Morgen gefunden."
Riley war interessiert, aber auch ein wenig überrascht.
"Ist das nicht eher ein Fall für die Militärstrafverfolgungsbehörde?", fragte sie. Sie wusste, dass die CID normalerweise Verbrechen aufklärte, die innerhalb der US Armee begangen wurden.
Meredith nickte.
"Die CID arbeitet bereits daran", sagte er. "Sie haben eine Außenstelle in Fort Mowat, also sind sie vor Ort. Aber wie Sie wissen, leitet Provost Marshal General Boyle die CID. Er hat mich vor kurzem angerufen, um das FBI um Mithilfe zu bitten. Es sieht aus, als würde es ein besonders unschöner Fall werden, insbesondere mit all der negativen Presse. Davon wird es eine Menge geben und auch politischen Druck. Je eher der Fall gelöst wird, desto besser für alle Beteiligten."
Riley fragte sich, ob das wirklich eine gute Idee war. Sie hatte noch nie gehört, dass das FBI und die CID gemeinsam an einem Fall arbeiteten. Sie befürchtete, dass sie sich gegenseitig auf die Zehen treten würden und dadurch mehr Unheil anrichten als Gutes tun.
Aber sie erhob keine Einsprüche. Es war nicht ihre Entscheidung.
"Also, wann geht es los?", fragte Bill.
"So schnell wie möglich", sagte Meredith. "Haben Sie ihre Taschen griffbereit?"
"Nein", sagte Riley. "Ich befürchte, so schnell hatte ich nicht damit gerechnet."
"Dann sobald Sie Ihre Sachen gepackt haben."
Riley spürte einen plötzlichen Stich.
Jillys Stück ist heute Abend! dachte sie.
Wenn Riley jetzt losfuhr, dann würde sie es verpassen.
"Chief Meredith––", begann sie.
"Ja, Agentin Paige?"
Riley hielt inne. Schließlich hatte das FBI ihr gerade eine Auszeichnung und eine Gehaltserhöhung gegeben. Wie konnte sie da jetzt einen Rückzieher machen?
Befehl ist Befehl, sagte sie sich streng.
Sie konnte nichts daran ändern.
"Nichts", sagte sie.
"Na dann", sagte Meredith und erhob sich. "Machen Sie sich auf den Weg. Und lösen sie den Fall so schnell wie möglich. Die nächsten warten schon."
Colonel Dutch Adams starrte aus seinem Bürofenster. Er hatte von hier aus einen guten Blick über Fort Nash Mowat. Er konnte sogar das Feld sehen, auf dem Sergeant Worthing an diesem Morgen getötet worden war.
"Verdammt nochmal", grummelte er vor sich hin.
Vor weniger als zwei Wochen war Sergeant Rolsky auf die gleiche Weise ermordet worden.
Dann, vor einer Woche Sergeant Fraser.
Und jetzt war es Worthing.
Drei gute Ausbildungsoffiziere.
So eine Verschwendung, dachte er.
Und bis jetzt waren die Agenten der CID nicht in der Lage gewesen, den Fall zu knacken.
Adams fragte sich: Wie zum Teufel bin ich hier als der Leiter dieses Schlamassels gelandet?
Er hatte eine gute Karriere gehabt. Er hatte seine Auszeichnungen mit Stolz getragen – die Legion of Merit, drei Bronze Stars, Meritorious Service Medaillen, eine Meritorious Unit Auszeichnung und jede Menge andere.
Er dachte über sein Leben nach, während er aus dem Fenster sah.
Was waren seine besten Erinnerungen?
Sicherlich seine Kriegseinsätze im Irak, sowohl in der Operation Desert Storm, als auch der Operation Enduring Freedom.
Was waren seine schlimmsten Erinnerungen?
Wahrscheinlich die akademische Schinderei, um genug Abschlüsse für eine Kommission zu sammeln.
Oder vielleicht vor einer Klasse unterrichten.
Aber selbst das war nicht so schlimm, wie diesen Stützpunkt hier zu leiten.
Am Schreibtisch sitzen, Berichte einreichen, Besprechungen leiten – all das war das bisher Schlimmste, soweit es ihn betraf.
Zumindest hatte er gute Zeiten gehabt.
Seine Karriere war nicht ohne persönliche Kosten gewesen – drei Scheidungen und sieben erwachsene Kinder, die kaum mit ihm sprachen. Er war sich nicht einmal sicher, wie viele Enkel er hatte.
So war das einfach.
Die Armee war immer seine wahre Familie gewesen.
Aber jetzt, nach all diesen Jahren, fühlte er sich seltsam entfremdet von der Armee.
Wie würde sich also sein endgültiger Abschied vom Militär anfühlen – wie eine erfreuliche Pensionierung oder wie eine weitere hässliche Scheidung?
Er seufzte bitter.
Wenn er sein Ziel erreichen würde, wäre sein Rang bei der Pensionierung Brigadegeneral. Er würde danach trotzdem alleine sein. Aber vielleicht war das auch gut so.
Vielleicht könnte er einfach leise verscheiden – "verblassen", wie einer von Douglas MacArthurs sprichwörtlichen "alten Soldaten."
Oder wie ein wildes Tier, dachte er.
Er war sein ganzes Leben lang ein Jäger gewesen, aber er konnte sich nicht erinnern, jemals den Kadaver eines Bärs oder Rehs oder sonstigen wilden Tieres gefunden zu haben, das auf natürliche Weise verendet war. Andere Jäger hatten ihm das gleiche erzählt.
Was für ein Rätsel ihm das immer gewesen war! Wo gingen diese wilden Tiere hin, um zu sterben und zu verrotten.
Er wünschte, er wüsste es, damit er ebenfalls dorthin gehen konnte, wenn seine Zeit kam.
Plötzlich hatte er Lust auf eine Zigarette. Unglaublich, dass man in seinem eigenen Büro nicht rauchen durfte.
Da klingelte sein Schreibtischtelefon. Es war seine Sekretärin.
Die Frau sagte, "Kommandant, ich habe den Provost Marshal General in der Leitung. Er will mit Ihnen reden."
Adams war überrascht.
Er wusste, dass der Provost Marshal General der Brigadegeneral Malcom Boyle war. Soweit er sich erinnern konnte, hatte Adams noch nie mit ihm gesprochen.
Читать дальше