„Wie hast du da draußen überlebt?”, fragte Kevin.
„Ich habe getan, was ich tun musste“, sagte Chloe und hörte sich abwehrend an, aber auch wieder ein wenig in die Enge getrieben. „Warte, du meinst, als alle anderen verwandelt wurden? Ich war… Ich glaube, ich hatte einfach Glück. Ich war drinnen, weit weg von allem, als das passierte und die Menschen sagten, da wäre Gas oder so, aber als ich rausgekommen bin, waren da nur diese Kreaturen, die versuchten, Menschen zu greifen und sie anzuatmen.“
„Als du rausgekommen bist?“, fragte Kevin.
„Dieser Metzger hat mich in seine Fleischkammer gesperrt. Er hat behauptet, ich wollte ihn bestehlen.“
War das ein Ort, in den der Dampf der Aliens nicht eindringen konnte? Hieß das, dass Luna und er ihre Masken nicht mehr brauchten?
„Es wird alles gut werden“, sagte Kevin.
Chloe zuckte ein weiteres Mal mit den Schultern. „Du bist doch der Junge aus dem Fernsehen, oder? Als du gesagt hast, dass dein Name Kevin ist, habe ich es erst nicht kapiert, aber ich wusste, ich kenne dich von irgendwo her. Bist du deswegen hier? Sie haben dich an einen sicheren Ort gebracht, weil du der Junge bist, der alles über Aliens weiß?“
Kevin schüttelte den Kopf und ging zu ihr. „Sie haben mich hier nicht hingebracht. Dr. Levin hat mir einen Schüssel für die Bunker gegeben und mir von dem einen unter dem NASA-Forschungszentrum erzählt, aber das lief schief. Luna und ich mussten den Ort hier selber finden.“
Chloe nickte. „Luna… ist sie deine Freundin?“
Alle dachten das immer. Kevin verstand das nicht. Es schien offensichtlich für ihn, dass Luna nie seine Freundin sein würde.
„Sie ist eine Freundin“, sagte Kevin. „Wir sind nicht… ich meine…“
Es war merkwürdig, dass es einfacher war über Aliens zu sprechen, als darüber was er und Luna eigentlich waren.
„Merkwürdig”, sagte Chloe. „Ich meine, du wirkst nett. Ich würde dich auf keinen Fall als nur einen Freund akzeptieren. Ich frage mich –“
Kevin erfuhr nicht, was sie sich fragte, denn aus Richtung der Tür war ein Husten zu hören. Luna warf den beiden einen seltsamen Blick zu, als Kevin sich umdrehte.
„Ich wollte mal sehen, was ihr beide so lange macht“, sagte sie und hörte sich nicht glücklich an.
Sie sah schon fast… eifersüchtig aus und das machte keinen Sinn, weil hier nichts passiert war und überhaupt war da zwischen Kevin und Luna nichts. Oder?
„Hallo, Luna“, sagte Kevin. „Chloe hat mir gerade etwas über sich erzählt.”
„Das denke ich mir“, sagte Luna. „Vielleicht kann sie mir auch etwas davon erzählen. Und während sie das tut, können wir uns vielleicht überlegen, was wir alle als Nächstes tun können.“
***
Sie gingen in den Küchenbereich, weil bis jetzt noch niemand von ihnen gefrühstückt hatte. Kevin holte ein paar Konserven aus dem Lagerraum und war sich nicht ganz sicher, ob er Luna und Chloe jetzt alleine lassen sollte.
Er fand ein Päckchen, das nach Blaubeer-Pfannkuchen aussah, und nahm es heraus. Sie waren still, was schon ein wenig beunruhigend war – Luna war fast nie still.
„Ich habe Blaubeerpfannkuchen gefunden“, sagte er.
„Das ist toll“, sagte Luna. „Ich liebe Blaubeerpfannkuchen.“
„Ich mag sie auch“, sagte Chloe, obwohl Kevin das Gefühl bekam, dass sie das nur sagte, weil Luna es gesagt hatte.
„Naja, ich weiß nicht, wie gut sie schmecken werden“, sagte Kevin.
Die Antwort war einfach: sie schmeckten wie etwas, das länger in einem Paket gelagert worden war, als es sollte. Dennoch war er so hungrig, dass er seine alle aufaß.
„Wie hast du von diesem Ort hier erfahren?”, fragte Kevin Chloe, während sie aßen.
„Mein Vater… sein Job, er… wusste Dinge“, sagte sie, aber ging nicht näher darauf ein. Kevin nahm an, dass wenn Luna sie gefragt hätte, sie wahrscheinlich nicht einmal das gesagt hätte.
„Du bist also einfach hier hergekommen und hast an der Tür gehämmert, bis dich jemand hineingelassen hat?“, fragte Luna. Sie hörte sich für Kevin nicht so an, als wenn sie ihr glaubte.
„Ich musste irgendwo hingehen“, erwiderte Chloe.
„Ich frage mich, ob es noch andere Orte wie diesen gibt, wo Menschen es hingeschafft haben, um sich zu verstecken“, warf Kevin ein, ehe das ganze in einem Streit ausartete. Er wollte, dass sie sich vertrugen, wenn sie hier schon festsaßen.
„Wenn es welche gibt, können wir sie nicht kontaktieren“, sagte Luna. „Es gibt immer noch keine Verbindung auf den Bildschirmen und all diese Kommunikationsmedien sind nutzlos, wenn wir nicht wissen, mit wem sie verbunden sind.“
„Vielleicht hast du sie einfach nicht richtig angemacht”, sagte Chloe.
Luna warf ihr einen verwerflichen Blick zu.
„Wir können hier sowieso solange bleiben wie wir wollen“, sagte Luna. „Hier sind wir sicher. Darüber haben wir doch gestern gesprochen, Kevin.“
Das hatten sie und in dem Moment war es ein angenehmer Gedanke gewesen, aber war es das? Würden die drei den Rest ihres Lebens hier bleiben müssen?
„Ich kenne vielleicht einen Ort“, sagte Chloe mit dem Mund voller Pfannkuchen.
„Du kennst vielleicht einen Ort?“, fragte Luna. „So wie du auch von diesem Ort hier gehört hast?“
Für Kevin hörte sich das argwöhnisch an. Er wollte Chloe einen Vertrauensbonus geben, aber Luna hörte sich nicht so an, als wenn sie ihr vertraute.
Chloe legte ihre Gabel weg. „Ich habe das auf dem Weg hier her von Menschen gehört, die ich getroffen habe. Ich dachte, dass dies hier näher und sicherer wäre. Aber wenn niemand hier gewesen wäre…“
„Wir sind hier“, sagte Luna. „Wir sind hier sicher.“
„Sind wir das?“, fragte Chloe und schaute Kevin an, als wenn sie auf Bestätigung wartete. „Es soll eine Gruppe in der Nähe von LA geben, die Flüchtlinge vereint. Sie stellen ihnen einen sicheren Ort zur Verfügung. Sie nennen sich selbst die Überlebenden.“
„Du willst also, dass wir nach LA gehen und nach diesen Menschen suchen?“, fragte Luna.
„Was ist dein Plan? Einfach hier sitzen und darauf warten, dass die Situation besser wird?“
Kevin schaute von einer zur anderen und versuchte sein Bestes, um die Situation entspannt zu halten.
„Wir haben ausreichend Lebensmittel, die ewig reichen und vielleicht schaffen wir es, das Radio anzukriegen. Wir können nicht einfach da rausgehen, wenn alles mögliche passieren könnte.“
Chloe schüttelte den Kopf. „Die Dinge werden nicht besser. Vertrau mir.“
„Dir vertrauen?“, sagte Luna. „Wir kennen dich nicht einmal. Wir bleiben hier.”
Kevin kannte den Tonfall. Das hieß, dass Luna nicht aufgab.
„Hör auf das kleine perfekte Cheerleader-Mädchen, das glaubt, dass sie hier das Sagen hat“, schnauzte Chloe zurück.
„Du weißt doch gar nichts über mich“, sagte Luna in einem gefährlichen Tonfall.
Kevin verstand überhaupt nicht, warum sie stritten. Er hatte versucht sich nicht einzumischen, aber jetzt schien es, als wenn er es tun musste.
Er stand auf, um etwas zu sagen, aber hielt dann inne, weil ein Schmerz durch seinen Kopf raste, zusammen mit etwas anderem – ein Gefühl, das er seit Tagen nicht mehr hatte.
„Kevin?“, fragte Luna. „Geht es dir gut?“
Kevin schüttelte den Kopf. „Ich glaube… ich glaube, da kommt gerade ein neues Signal.”
Kevin gingen Zahlen durch den Kopf. Sie rasten in schnellen Sequenzen durch seine Gedanken und schienen sich schon fast in sein Gedächtnis zu brennen. Sie schienen zu schnell zu sein, um sie festhalten zu können, aber Kevin wusste, er musste es versuchen. Er griff nach ihnen…
Kevin wachte auf und schaute auf das Hochbett von seinem Schlafplatz im unteren Bett aus. Sein Kopf schmerzte, als wenn er sich irgendwo gestoßen hätte, aber das war es nicht. Es war einfach der Schmerz, der kam, als sein Körper versucht hatte, ein Signal der Aliens zu verarbeiten. Aber er konnte nicht damit umgehen und versuchte vergeblich, es zu erfassen. Er legte eine Hand an seine Nase, und als er sie wegzog, war eine dünne Blutspur darauf zu sehen.
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