Die Wachen waren zu wenige, um die Mauer zu halten. Einige machten sich aus dem Staub. Diejenigen, die ihr Glück versuchten, bezahlten mit ihrem Leben. Einer rannte mit einem Speer auf Ceres zu und sie spürte, wie er ihr Bein aufschlitzte, als sie knapp auswich. Sie schlug auf Beinhöhe zu, um ihren Gegner auszubremsen. Dann schlitzte sie ihm den Hals auf, um ihm endgültig den Garaus zu machen.
Diese eilig errichtete Bastion weitete sich schnell in etwas aus, das einer sich nähernden Wellenfront ähnelte. Ceres machte Stufen aus, die sie zu den Toren führen würden. Sie nahm vier Stufen gleichzeitig und hielt nur an, um die Schläge eines Wächters abzuwehren. Sie verpasste ihm einen Tritt, sodass er zu Boden ging. Der Kampfherr hinter ihr kümmerte sich um den Wächter, und Ceres konnte sich wieder auf die Tore konzentrieren.
Ein großes Rad, mit dem man offenbar das Bollwerk öffnen konnte, stand neben den Toren. Fast ein dutzend Wächter umringten es. Sie versperrten den Zugang zum Rad und versuchten mit der Horde Menschen dahinter fertigzuwerden.
Ceres stürmte, ohne zu zögern, auf das Rad zu.
Sie durchbohrte die Rüstung eines Wächters, zog ihr Schwert und duckte sich unter dem Hieb eines Zweiten hinweg. Sie ritzte ihm den Oberschenkel auf, sprang wieder auf die Füße und säbelte einen Dritten zu Boden. Sie hörte das Prasseln von Pfeilen auf den Pflastersteinen und schleuderte eine ihrer Klingen. Sie hörte einen Schrei, als sie ihr Ziel erreichte. Sie griff nach dem Schwert eines sterbenden Wächters, gesellte sich wieder zu den andern Kämpfenden und schon war sie mit den anderen wieder vereint.
Chaos brach aus, denn die Wächter verstanden, dass dies ihre letzte Chance sein würde, die Rebellion draußen zu halten. Einer kam mit zwei Klingen auf Ceres zu und sie setzte ihre beiden ihm Schlag für Schlag entgegen. Sie spürte die Kraft mit jedem Hieb, den sie mit einer Schnelligkeit abwehrte, der andere wohl kaum im Stande waren zu folgen. Dann rammte sie dem Wächter zwischen zwei Hieben ihre Klinge in die Kehle. Sie zog weiter, noch bevor er zusammengebrochen war und wehrte einen Axthieb ab, der einem Kampfherrn hätte gelten sollen.
Sie konnte nicht alle von ihnen retten. Ceres erblickte um sich scheinbar niemals endend wollende Auswüchse der Gewalt. Sie sah, wie einer der Kampfherren, der das Stadion überlebt hatte, an sich hinab auf ein Schwert blickte, das seine Brust durchbohrt hatte. Er langte nach dem Angreifer und versetzte ihm einen finalen Schlag mit seiner Klinge, während er selbst bereits zusammenbrach. Ceres sah einen anderen Mann gegen drei Wächter gleichzeitig kämpfen. Er tötete einen, doch noch bevor er seine Klinge wieder aus dem leblosen Körper ziehen konnte, wurde er von der Seite erstochen.
Ceres griff an und kämpfte die beiden Verbleibenden zu Boden. Der Kampf um das Rad, welches das Tor öffnen würde, stand kurz vor seiner unvermeidbaren Auflösung. Es war unvermeidbar, denn die Kampfherren sensten die Wächter wie reife auf die Ernte wartende Ähren nieder. Doch auch das machten die Gewalt und die Gefahr nicht weniger real. Ceres duckte sich gerade noch rechtzeitig unter einem Schlag hinweg und schleuderte den Angreifer zurück zu seinesgleichen. Sobald sie freie Bahn hatte, legte Ceres ihre Hände an das Rad und drehte es mit all der Kraft, die ihre Energie ihr gewährte. Sie hörte das Krächzen des Rades und das langsame Knarzen des sich auftuenden Tors.
Menschen strömten hinein, ergossen sich über den Innenhof. Ihr Vater und Bruder waren unter den ersten, die durch die Lücke kamen. Sie rannten auf sie zu, um sich ihr anzuschließen. Ceres gestikulierte mit ihrem Schwert.
„Verteilen!“ schrie sie. „Nehmt das Schloss ein. Tötet nur die, die ihr wirklich töten müsst. Jetzt ist die Zeit der Freiheit gekommen, nicht die des Schlachtens. Das Reich wird heute noch fallen!“
Ceres lief an die Spitze der Menge und geleitete sie in Richtung des Thronsaals. In Krisenzeiten würden sich die Menschen auf den Weg dorthin begeben, um herauszufinden, was vor sich ging und Ceres vermutete, dass die Machthaber des Schlosses dort so lange wie möglich dort bleiben und die Stellung halten würden.
Sie sah, wie es um sie zu Gewaltausbrüchen kam, die unmöglich unter Kontrolle gebracht werden konnten. Sie konnte nur versuchen, sie nicht weiter anzufachen. Sie sah, wie ein junger Adliger vor sie trat und die Menge sich auf ihn stürzte, um ihn mit einer Waffe, die der Einzelne gerade zur Hand hatte, niederzuknüppeln. Eine Dienerin kam ihnen in die Quere und wurde von ihnen erst gegen die Wand gedrückt und dann erstochen.
„Nein!“ schrie Ceres als sie sah, wie das gemeine Volk begann nach den Wandteppichen zu greifen oder den Adligen nachzujagen. „Wir sind hier, um dem ein Ende zu setzen, nicht um zu plündern!“
Doch in Wahrheit war es dafür bereits zu spät. Ceres sah, wie Rebellen einem der Bediensteten nachjagten, während andere nach den goldenen Verkleidungen griffen, mit denen das Schloss gefüllt war. Sie hatte den Stein ins Rollen gebracht, und nun konnte sie ihn mit bloßen Worten nicht wieder zum Stehen bringen.
Eine Einheit royaler Leibwächter stand vor den Türen zur Großen Halle. In ihren vergoldeten Rüstungen, auf denen sich Muskelberge abzeichneten, sahen sie angsteinflößend aus.
„Gebt auf und euch wird kein Leid geschehen“, versprach Ceres ihnen. Sie hoffte, dass sie dieses Versprechen würde halten können.
Die königlichen Leibwächter zögerten keine Sekunde. Sie zogen ihre Schwerter und griffen an. Innerhalb eines Augenblicks versank alles erneut im Chaos. Die Leibwächter gehörten zu den besten Kämpfern des Reiches. Ihre Fähigkeiten waren in stundenlangem Training feingeschliffen worden. Der Erste, der es auf sie abgesehen hatte, war so schnell, dass selbst Ceres Mühe hatte, rechtzeitig ihre Klinge zu heben, um den Hieb abzuwehren.
Sie parierte ihn erneut und versenkte ihre zweite Klinge an der Waffe des Leibwächters vorbei in dessen Kehle. Neben ihr konnte sie die Geräuschkulisse aus kämpfenden und sterbenden Menschen hören, doch sie wagte es nicht, sich umzusehen. Sie war zu sehr damit beschäftigt, einen anderen Gegner auszuschalten. Sie stieß ihn in das wuselnde Durcheinander.
Es ging hier nur darum, Körper auszuschalten. Schwerter ragten aus dem brausenden Meer menschlichen Fleisches. Sie sah, wie ein Mann gegen die Türen geschleudert wurde, die bloße Masse an Menschen zermalmte ihn. Im gleichen Zuge riss sie sie mit nach vorne.
Ceres wartete, bis sie nahe genug dran war, dann verpasste sie der Tür zum Großen Saal einen Tritt. Die Tore des Schlosses waren solide gewesen, doch unter der Gewalt ihrer Kräfte wurde die Tür aufgesprengt, sodass ihre Flügel zu beiden Seiten gegen die Wände krachten.
In der Großen Halle sah Ceres kleine Ansammlungen aus Adligen, die nicht sicher schienen, wohin sie nun gehen sollten. Sie hörte, wie einige adlige Damen schrien, als würden sie sich einer Horde aus Mördern gegenüber sehen. Aus ihrem Blickwinkel sahen sie wahrscheinlich genauso aus, vermutete Ceres.
Sie sah Königin Athena in ihrer Mitte stehen. Sie saß auf dem hohen Thron, den normalerweise der König besetzte und wurde von zwei großen Leibwächtern flankiert. Sie stürmten im Gleichschritt nach vorne, und Ceres trat auf sie zu, um sie abzupassen.
Ceres trat nicht nur auf sie zu, sie rollte sich förmlich nach vorne.
Sie warf sich selbst nach vorne, tauchte unter den tanzenden Klingen der Angreifer ab, drehte sich und kam in der gleichen weichen Bewegung wieder zum Stehen. Sie drehte sich um, schlug mit beiden Schwertern gleichzeitig zu und brachte genügend Kraft auf, die Rüstungen beider Leibwächter zu durchbohren. Sie fielen geräuschlos zu Boden.
Ein Geräusch jedoch erhob sich über das Getöse klirrender Klingen an der Tür: das Geräusch von Königin Athenas betont langsamen Applaus.
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