»Mag das nun sein, wie es will, ich möchte nie dazu raten, in dem Kloster zu nächtigen. Vor Angst würde ich sterben, wenn sich mir ein solch höllischer Bewohner zeigte.«
»Ei, ei, das ist noch gar nicht so sicher, denn es wird behauptet, er sei sehr schön.«
»Selbst wenn er der anziehendste Mensch wäre, möchte ich mich von keinem Manne küssen lassen, dem Schwefel aus dem Munde kommt.«
»Ach, daß Ihr doch selbst dann ans Küssen denken müßt, wenn von Teufeln die Rede ist.«
Auf diese Worte der Fürstin hin brachen sowohl Herr Mikolaj wie die beiden Edelleute aus Bogdaniec in Lachen aus, Danusia lachte mit, und auch Anna Danuta wurde von dem Beispiele der Drei angesteckt. Ofka aus Jarzabkow aber wandte sich ärgerlich zu Mikolaj aus Dlugolas und sprach: »Er wäre mir jedenfalls lieber als Ihr.«
»Ei, malt den Teufel nicht an die Wand,« entgegnete noch immer lachend der Masur, »der Dämon zeigt sich häufig auf der Landstraße zwischen Krakau und Tyniec, und am häufigsten gegen Abend. Mit einem Male wird er Euch in Schrecken versetzen, mit einem Male wird der Riese vor Euch stehen.«
»Vor dem bösen Blick mögen wir bewahrt bleiben!« rief Ofka.
In diesem Augenblick indessen hielt Macko von Bogdaniec, der von seinem hohen Hengste aus einen weiteren Umblick hatte als die, welche in der Kalesche saßen, die Zügel an und sagte: »O, so wahr mir Gott lieb ist, was ist das?«
»Was denn?«
»Ein leibhafter Riese reitet dort auf der Höhe vor uns.«
»Ein Wort kann zur Wirklichkeit werden!« bemerkte die Fürstin. »Schwatzt keine Dummheiten!«
Nun aber hob sich Zbyszko in den Bügeln und sagte: »Leibhaftig der Riese Walgierz, kein anderer.«
Daraufhin faßte der Kutscher die Pferde vor Schrecken fest an und bekreuzigte sich, ohne die Zügel aus den Händen zu lassen, denn auch er sah nun von seinem Bocke aus auf der gegenüberliegenden Höhe einen hoch zu Rosse sitzenden Reiter daher traben.
Unwillkürlich stand die Fürstin von ihrem Sitze auf, setzte sich aber dann, wenn schon mit schreckensbleichem Antlitz, gleich wieder nieder, und ohne weiteres barg Danusia ihr Köpfchen in dem Gewande Anna Danutas. Um die Kalesche drängte sich aber nun auch das ganze Gefolge, die Hofherren und die Hofdamen, sowie alle fahrenden Schüler. Die Männer trugen zwar noch immer eine lächelnde Miene zur Schau, aber ihre unruhigen Blicke zeugten von der inneren Erregung, während die jungen, todbleichen Hoffräulein gar nicht versuchten, ihre Furcht zu verbergen. Nur Mikolaj aus Dlugolas bewahrte seinen Gleichmut und versuchte die Fürstin zu beruhigen, indem er sprach: »Fürchtet nichts, erlauchte Frau. Die Sonne ist ja noch nicht einmal untergegangen, und selbst wenn es Nacht wäre, würde Euch der heilige Ptolemäus vor Walgierz zu schützen wissen.«
Vorläufig hielt der unbekannte Reiter, als er den lange sich hinstreckenden Höhenrücken erreicht hatte, sein Pferd an und stand regungslos still. Da die Strahlen der untergehenden Sonne gerade auf ihn fielen, konnte man ihn deutlich sehen, und in der That, seine Gestalt schien das menschliche Durchschnittsmaß unendlich zu überragen. Der Zwischenraum zwischen ihm und der fürstlichen Kalesche konnte höchstens dreihundert Schritte betragen.
»Weshalb blieb er wohl stehen?« fragte einer der fahrenden Schüler.
»Weil auch wir angehalten haben!« entgegnete Macko.
»Seht nur, er blickt nach uns, als ob er sich einen heraussuchen wollte,« bemerkte ein zweiter fahrender Schüler. »Wenn ich sicher wäre, daß dies ein Mensch und kein böser Geist ist, würde ich mich ihm nähern und ihm mit der Laute über den Kopf schlagen.«
Die Frauen wurden immer hoffnungsloser und begannen laut zu beten. Zbyszko jedoch, der sich im Beisein der Fürstin und Danusias mutig erweisen wollte, erklärte: »Ich reite ihm entgegen. Was liegt mir an Walgierz!«
Umsonst rief Danusia schmerzlich und unter Thränen: »Zbyszko, Zbyszko!« – er ritt unentwegt davon mit dem festen Vorsatze, selbst den wahrhaftigen Walgierz zu durchbohren, wenn es sein müsse.
»Der fremde Reiter erscheint so riesengroß, weil er auf einer Anhöhe steht,« ergriff jetzt Macko das Wort, der sehr scharfe Augen hatte. »Er ist zwar ein etwas langer Kerl, aber ein ganz gewöhnlicher Mensch – nichts anderes. Topp, auch ich folge dem Zbyszko nach, damit es nicht zum Kampfe zwischen diesem und dem fremden Reiter kommt.«
Zbyszko war inzwischen im Trabe vorwärts geritten, wobei er überlegte, ob er sofort den Spieß anlegen oder zuerst in der Nähe beobachten solle, wie es sich eigentlich mit jenem auf der Höhe stehenden Reiter verhalte. Nach reiflichem Ueberlegen beschloß er, zuerst prüfend vorzugehen, und bald überzeugte er sich, wie recht er daran gethan, denn je näher er dem Unbekannten kam, desto mehr verlor dieser in seinen Augen von seiner ungewöhnlichen Größe. Wohl war der Fremde außerordentlich groß und saß auf einem riesigen Pferde, das sogar den Hengst Zbyszkos überragte – allein das menschliche Maß überschritt er nicht. Merkwürdigerweise war er ganz ohne Waffen; auf dem Haupte trug er eine glockenförmige Samtmütze, ein weißleinener, wallender Mantel, unter dem ein grünes Gewand hervorschaute, schützte ihn gegen den Staub. Regungslos verharrte er auf der Höhe mit gesenktem Haupte und betete inbrünstig. Augenscheinlich hatte er nur deshalb sein Pferd angehalten, weil er das Abendgebet sprechen wollte.
»Ei, das ist ja ein sonderbarer Kauz!« dachte der junge Bursche bei sich, »das ist doch nicht Walgierz.«
Und so nahe ritt nun Zbyszko zu dem Unbekannten heran, daß er ihn leicht mit dem Spieße hätte erreichen können, doch als jener den herrlich gewappneten, jungen Ritter vor sich sah, da lächelte er diesem wohlwollend zu und sprach: »Gelobt sei Jesus Christus!«
»In alle Ewigkeit!«
»Ist das dort unten nicht der Hof der masurischen Fürstin?«
»So ist's!«
»Habt Ihr in Tyniec gespeist?«
Darauf erhielt jedoch der Fragende keine Antwort, denn Zbyszko geriet in solches Staunen, daß er die Frage gar nicht hörte. Während einiger Minuten stand er wie versteinert da. Er glaubte, seinen eigenen Augen nicht trauen zu dürfen, denn mit einemmale erblickte er ungefähr vierhundert Schritte hinter dem Unbekannten mehrere berittene Krieger, die von einem Ritter in glänzender Rüstung und in einem weißseidenen Mantel mit schwarzem Kreuze angeführt wurden. Ein stählerner Helm mit einem Pfauenbusche gleich einem Kamme bedeckte dessen Haupt.
»Ein Kreuzritter!« flüsterte Zbyszko vor sich hin.
Keinen Augenblick zweifelte er jetzt mehr daran, daß sein Gebet erhört worden sei, daß Gott in seiner Barmherzigkeit ihm den Deutschen gesandt habe, um den er in Tyniec gefleht hatte, er sagte sich, er müsse Nutzen aus der göttlichen Gnade ziehen, keine Minute dürfe er länger schwanken, und ohne viel zu überlegen, beugte er sich im Sattel vor, legte dem Pferde den Spieß zwischen die Ohren und den Schlachtruf »Hagel, Hagel!« ausstoßend, sprengte er auf den Kreuzritter los.

Schon glaubte Zbyszko mit der Lanze die Brust des Gegners durchstoßen zu können, als die Zügel seines Hengstes so stramm angezogen wurden, daß sich das Roß mit allen vieren in die Erde eingrub.
Schon glaubte Zbyszko mit der Lanze die Brust des Gegners durchstoßen zu können, als die Zügel seines Hengstes so stramm angezogen wurden, daß sich das Roß mit allen vieren in die Erde eingrub.
Vollständig verblüfft hielt letzterer sein Pferd an. Doch er bückte sich nicht nach seiner Lanze, die im Steigbügel steckte, sondern er hielt Umschau, wie um sich zu vergewissern, ob der Angriff wirklich ihm gelte.
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