Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-071-8
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Sean Beaufort
Im Reich des Moguls Akbar nisten sich Fremde ein – mit tödlichen Folgen
Francis Ruthland strich über seinen sorgfältig gestutzten Bart .
„An dieser Küste erledige ich den Seewolf. Nichts und niemand wird mich davon abhalten“, sagte er grimmig .
Die „Ghost“, eine tüchtige, zweimastige Karavelle mit exzellenter Bewaffnung, war Philip Hasard Killigrew schon lange auf der Spur .
„Meinst du, er geht in deine Falle? Ich weiß, daß er einer der gerissensten Korsaren ist, die Ihre Majestät, die Queen, je zum Ritter geschlagen hat.“
Hugh Lefray schloß, als blende ihn die Sonne, beide Augen. Das rechte Auge sah aus wie ein weißer Kieselstein .
„Die Muslims lassen nicht mit sich spaßen. Sie haben etwas gegen Spione der Ungläubigen“, sagte Ruthland .
Lefray verstand nicht, was sein Partner meinte. Aber er kannte ihn. Wenn der sich in den Kopf setzte, einen Mann zu vernichten, dann bedeutete dies ein sicheres Todesurteil …
Die Hauptpersonen des Romans:
Francis Ruthland– was den Kapitän der „Ghost“ auszeichnet, das ist seine absolute Skrupellosigkeit.
Enrile DeLuz– der Kapitän der „Santa Lisboa“ lernt diese Skrupellosigkeit kennen und überlebt nur durch Zufall.
Doglee– der indische Junge erweist sich als sprachbegabt und hilft den Seewölfen, sich in Surat zurechtzufinden.
Philip Hasard Killigrew– möchte mit dem Padischah von Surat verhandeln, aber seine Geduld wird auf eine harte Probe gestellt.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Philip Hasard Killigrew hob den Kopf. Drüben am Ufer zogen die Fischer ihre Boote aus dem Wasser. Mindestens hundert Rauchsäulen stiegen in der heißen Luft zum Himmel. Offensichtlich fingen sie in Surat mit der Zubereitung des Mittagessens an. Er lächelte kurz und zeigte zu den Häusern und Hütten, die zwischen Palmen und vielen anderen Bäumen auf dem niedrigen Hügel zu erkennen waren.
„Nimm dir ein Beispiel Kutscher“, sagte er halblaut und hob wieder das Spektiv. „Dort drüben gibt’s bald ein Essen. Vermutlich mit Gewürzen, die in England ein kleines Vermögen kosten.“
„Ich schaff’s auch mit weniger exotischen Zutaten. Das sagt auch Mac“, erwiderte der Kutscher mit mürrischem Gesichtsausdruck. „Verdammt heiß hier, nicht wahr?“
„Nachts wird’s kühler“, sagte der Seewolf und sah etwas gelangweilt zu, wie sich weitere Crewmitglieder an Deck versammelten und beratschlagten, wer von ihnen zu dem Kai aus Bruchsteinen hinüberpullen sollte.
Der Hafen und der Ort Surat lagen entlang einer Bucht, die der Fluß Tapti bildete, bevor er seinen Lauf für eine kurze Strecke nach Süden änderte. Beide Ufer waren bewachsen und bewohnt. Wenn irgendwo eine Brücke über das ruhige Wasser führte, dann nicht hier in der Nähe. Weit und breit gab es keinerlei Anzeichen für die Existenz eines solchen Überganges.
Die Schebecke lag vor Anker und schaukelte fast unmerklich in der Strömung des Tapti. Mit großer Sorgfalt beobachteten die Seewölfe seit Stunden jede Einzelheit ihrer Umgebung, und jeder wußte, daß sie ebenso sorgfältig – offen und im geheimen – beobachtet wurden. Aber bisher waren sie noch von niemandem belästigt worden außer von einer Menge neugieriger Vögel, die um die Masten und Rahruten schwirrten und seltsame Laute ausstießen.
Es hatte eine Zeitlang gedauert, bis sich die Seewölfe in dieser Umgebung nicht mehr fremd fühlten. Schon die Mangroven mit ihren verschlungenen Stelzwurzeln, die aus dem Brackwasser in Ufernähe wuchsen, hatten ihnen deutlich gezeigt, daß sie sich an wenig bekannten Küsten befanden – aber so klug waren sie selbst.
Die Vegetation entlang der Ufer, voller Blüten und fremder Gerüche, Ranken und Lianen, die exotischen Bambusstangen, die im Wind klapperten, die farbenprächtigen Vögel und der Chor aus Schreien und Rufen, der aus dem Wald übers Wasser tönte, waren die augenfällige Kulisse für die langsame Fahrt nach Surat gewesen.
„Natürlich sehen sich die Eingeborenen sehr genau an, wer sie besuchen wird“, sagte Ben Brighton. „Sollten wir nicht besser auf sie zugehen? Es könnte ja irgendeinen Bürgermeister geben, der unser Warten als Unhöflichkeit bezeichnet.“
„Der Bürgermeister heißt hier sicher nicht Bürgermeister, sondern Wesir, Scheich oder noch ganz anders.“
Hasard blickte vom Ersten zu Ferris Tucker und hob die Schultern. Er ließ sein Blick über die Fronten der aus schwarzen und weißen Steinen erbauten Gebäude gleiten, die sich mit vielen hohen Fenstern zum Hafen wandten. Der Hafen selbst war nicht viel mehr als eine Mole, die einen recht ordentlichen Eindruck erweckte. Zwei Stege, aus Baumstämmen und vielen Bambusstücken errichtet, sahen weniger vertrauenerweckend aus.
Der Fluß war hier breiter und flacher und sah aus wie ein kleiner See. Wieder wurde ein Fischerboot flußabwärts gepullt und bog in die Richtung des halbmondförmigen Platzes ein. An vielen Stellen bildete ein Hang aus großen Steinen, abgerundet oder kantig, die Böschung zum Wasser. Über den Steinen waren Tücher und andere Kleidungsstücke zum Bleichen ausgelegt.
„Abwarten“, sagte Hasard. „Nach dem Mittagessen haben sie alle bessere Laune.“
„Wir auch“, meinte Dan O’Flynn.
Vor knapp drei Tagen war die Schebecke am Golf von Cambay in die breite Mündung des Tapti-Flusses und stromaufwärts gesegelt. Zuerst schien es, als wäre die Landschaft im Bereich des Deltas einer Savanne ähnlich. Aber bald hatte sich von beiden Seiten der Dschungel an die Ufer geschoben. Als das Fahrwasser enger geworden war, hatte der Wind ausgesetzt und war einer feuchten Hitze gewichen. Die Seewölfe hatten fluchend zu den Riemen gegriffen.
Während im ersten Graurot des Tages die Affen im Dschungel markerschütternd geschrien und sich als dunkle Schatten von Ast zu Ast geschwungen hatten, war an Backbord der Schebecke eine Galeone aufgetaucht. Sie hatte nur zwei Segel gesetzt und war lautlos stromabwärts dem offenen Meer entgegengeglitten.
Der Fluß war an dieser Stelle mindestens eine Seemeile breit. Eine Ramming war nicht zu befürchten gewesen. Auf der kleinen Galeone schien der größte Teil der Besatzung zu schlafen.
Dan O’Flynn hatte zuerst die Flaggen gesehen und erkannt.
„Ein Portugiese!“ rief er verblüfft. „Die sind also auch schon hier zu finden.“
Aus dem gelbbraunen Wasser sprangen übermütig die Fische und an den sumpfigen Rändern vollführten die Frösche einen Höllenlärm. Genau über dem Bugspriet hob sich die Morgensonne als verwaschener roter Fleck im Dunst in die Höhe.
An Deck des portugiesischen Handelsschiffes, aus dessen Stückpforten die Geschützrohre ragten, tauchten einige Männer auf und beäugten mißtrauisch die Schebecke, deren Mannschaft fast vollzählig an Deck stand und mit den langen Riemen langsam pullte.
Hasard winkte hinüber, aber die Portus gaben den Gruß nicht zurück. In vier Kabellängen Abstand glitt das Schiff ohne Bugwelle und mit kaum wahrnehmbaren Kielwasser an Backbord vorbei. Es war aus dem grauen Morgennebel aufgetaucht und verschwand wieder im dicken Dunst, der sich glutrot gefärbt hatte.
Hin und wieder bildete das Ufer eine kleine, schmale Bucht, die aber offensichtlich weit ins Land führte. Im Dickicht, das aussah, als bestünde es nur aus Bambus, saßen braunhäutige Eingeborene in schmalen Booten und fischten. Meist verwendeten sie Speere und Dreizacks. Sie erschraken nicht, als sie das fremdartige Schiff durch den Nebel gleiten sahen, ebensowenig wie sie vorher vor der Galeone erschrocken waren.
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