Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-96688-116-6
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Sean Beaufort
Die Rache des falschen Sultans
Der Alptraum wird brutale Wirklichkeit – der falsche Sultan schlägt zu
Drawida Shastri saß im Prunksaal des Sultans von Golkonda. Seine dunklen Augen schienen Feuer zu sprühen. Er packte den Griff der Pistole und den des Dolches gleichzeitig und fühlte, wie ihn Haß, Enttäuschung und Wut innerlich verbrannten .
„Verdammte Engländer!“ zischte er. „Die Pestgöttin wird mit Pech und Schwefel über euch herfallen und dafür sorgen, daß ihr noch elender verreckt als die räudigste Ratte im Hafen.“
Sie hatten ihn um einen gewaltigen Schatz betrogen, das Schiff der portugiesischen Kumpane vernichtet und seine Männer und ihn in die schmähliche Flucht getrieben. Dafür sollten sie büßen. Alle. Er würde dafür sorgen, denn jetzt war er derjenige, der handeln konnte. Jede einzelne Demütigung würden sie bezahlen müssen …
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Die Hauptpersonen des Romans:
Dan O’Flynn– befindet sich zusammen mit Hasard junior auf Landurlaub und entgeht so dem Schicksal der anderen Arwenacks.
Clint Wingfield– der Moses versteckt sich auf der Schebecke, die von den Portugiesen des Luis de Xiraübernommen wird.
Drawida Shastri– der falsche Sultan genießt kalt seine Rache und hat Schlimmes mit den Arwenacks vor.
Philip Hasard Killigrew– gerät in eine Falle, wird zusammengeschlagen und landet als Sklave auf einer Ruderbank.
Dan O’Flynn ächzte und stöhnte, aber diesmal aus reinem Vergnügen. Er drehte den Kopf, so langsam wie irgend möglich, und blickte hinüber zu Hasard junior. Obwohl Dan schwitzte, als läge er in der prallen Sonne, fühlte er sich so wohl wie seit langem nicht mehr.
„Geht’s dir auch so gut, Hasard?“ fragte er und fühlte den weichen, vorsichtigen Druck der eisenharten Finger auf den Schulterblättern und den Muskeln darüber. „Ich könnte bis zum Ende des Monats hier liegenbleiben und mich verwöhnen lassen.“
Der junge Seewolf schien schon halb zu schlafen, obwohl sich auch über ihn ein breitschultriger, wohlbeleibter Inder beugte und seine Schenkel knetete, als wären sie nasse Leinwand.
„Noch nie besser gegangen“, erwiderte er knapp. „Seit Wochen, Dan.“
„Und der Abend hat erst angefangen“, murmelte Dan und schloß die Augen.
Er ließ den Kopf zurücksinken auf das weiße Leinentuch, das von seinem Schweiß getränkt war. Es roch nach parfümierten Ölen, nach exotischen Seifen und nach duftenden Tüchern. Die Haut der beiden Männer troff von Öl. Nachdem jeder einzelne Muskel geschmerzt hatte, als stoße man glühende Nadeln hinein, breitete sich überall dort, wo die indischen Muskelmänner zugelangt hatten, eine prickelnde Leichtigkeit im Körper aus.
Trotzdem lief der Schweiß wie Regenwasser. Hin und wieder griff einer der beiden Arwenacks nach dem großen, kühlen Krug, von dem die Wasserperlen hinuntersickerten und nahm einen Schluck. In den Krügen befand sich eine Mischung aus dem Saft unbekannter Früchte, aus frischer Kokosmilch und einem kräftigen Schluck Arrak.
„Ausgang bis zum Wecken“, flüsterte Dan O’Flynn. Er hatte an diesem Abend noch eine Menge vor. Er wußte nicht genau, was es sein würde, aber er freute sich darauf.
„Zuerst wirst du mich wecken müssen“, murmelte, noch schläfriger, Jung Hasard.
Es war der letzte Tag der Arwenacks im Hafen von Madras. Bei Sonnenaufgang oder kurze Zeit später wollten sie ablegen. Irgendwie waren sie alle froh, daß die Goldschatz-Abenteuer ein gutes Ende gefunden hatten.
Bandar hieß das neue Ziel, das Kapitän Philip Hasard Killigrew, ausgestattet mit umfangreichen, gesiegelten Empfehlungsschreiben, ansteuern wollte. Dort sollten sie mit dem Nawab von Bandar sprechen.
„Ist es gut so, Engländer?“ fragte der Inder, der Dans Nacken massierte. „Du fühlst dich wohl?“
Dan verstand genug und entgegnete: „Knete weiter, Meister der Muskeln und des Öls. Ich weiß nicht, wann ich wieder so eine Wohltat empfange.“
„Bald bin ich fertig“, sagte der dunkelhäutige Mann.
Er schien nicht aus Madras zu stammen. Die meisten Eingeborenen hier waren nicht fast schwarzhäutig wie er. Aber Dan vergaß, darüber nachzudenken, zumal es unwichtig war.
Zuerst hatte Hasard junior mit dem Besitzer oder Vorsteher der Badestube den Preis für eine Handvoll verschiedener Leistungen ausgehandelt. Dann hatte man beide Männer halb ausgezogen und in knarzende Riesensessel aus Rohrgeflecht bugsiert.
Jeweils zwei Frauen, eine ältere und eine jüngere, hatten ihnen das lange Haar gewaschen, gesträhnt und mit Messern, Scheren und Schaum und allen möglichen Pudern und Pasten geschnitten und gekürzt. Mittlerweile klebten die Haare wieder wie regennaß am Kopf.
Nach einer Schale bitterem Tee, der sie erfrischt hatte, badeten die Frauen die Hände und Füße der beiden in heißem, duftenden Wasser, trugen giftgrüne Salben auf, feilten die Nägel, beseitigten mit feinen Bimssteinen die Hornhaut, taten seltsame Dinge an vielen Stellen der Füße und der Waden und scheuerten schließlich die Füße bis hinauf zu den Knien mit schäumender Seife, massierten sie, und als Dan und Hasard in den nächsten Raum geführt wurden, gingen sie wie auf Wolken.
Die Schinderei des unwürdigen Pullens in Ketten auf den Ruderbänken der „Stern von Indien“ war durch das Fest beim Sultan von Golkonda längst vergessen, ebenso die Sorge um die fünf einsamen Wachen auf der Schebecke und die Erleichterung darüber, daß es ihnen mit viel List und zuletzt einem rauchreichen Brandsatz gelungen war, die Hafenratten zu vertreiben. Sie alle waren wieder frei und brauchten nur den Wellen und dem Wind zu gehorchen, niemandem sonst.
Wie dem auch sei, sagte sich Dan O’Flynn, schwitzend, gleichgültig und zufrieden, morgen früh segeln wir aus dem Hafen und in einen neuen Teil Indiens, und das mit dem besten und schönsten Schiff aller sieben Meere.
„Bitte sehr“, sagte jetzt der andere Inder, der nicht viel weniger schweißüberströmt war als die beiden Seewölfe, „umdrehen.“
Hasard junior tauchte aus einem merkwürdigen Traum auf, vergaß ihn augenblicklich und drehte sich auf den Rücken. Er blickte hinüber zu Dan. Dem erging es ebenso. Die Finger, Knöchel und Fäuste der Inder fielen wieder über die Körper her, diesmal vom Kinn über den Hals und die Brust bis hinunter zu den Knien. Es stank nach heißem und noch mehr nach erkaltetem Schweiß, und schließlich wickelten die beiden wuchtigen Inder die triefenden Leinentücher um die Körper der Seewölfe.
Sie blieben ein paar Atemzüge lang erschöpft, aber entspannt liegen.
Dann murmelte Dan O’Flynn: „Was haben die Kerle jetzt mit uns vor?“
„Leinen los“, sagte Hasard, zuckte mit den Schultern und verbesserte sich: „Keine Ahnung. Wahrscheinlich kreuzt gleich einer mit Flöte und Korb auf und läßt irgendwelche blöden Schlangen tanzen.“
„Ach ja“, meinte Dan, „solange sie keinen von uns beißen, sollen sie tanzen und dudeln.“
Es dauerte seine Zeit, bis sie, von den schweißtriefenden Indern halb gestützt, halb getragen, den nächsten Raum erreichten. Dort erwartete sie, durch Löcher in der westlichen Wand erhellt, ein Becken voller Wasser, das in vier Abteilungen abgetrennt war. Als sei es ein Überfall, rissen die muskulösen Inder den Seewölfen die Tücher vom Leib und schoben sie sanft, aber nachdrücklich, in das erste Becken.
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