Ina Elbracht - Klub Tropikal

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An jener seltsamen Stelle im Gehirn, die entscheiden soll, ob Raureif oder Mehltau eine Blume bedeckt, etwas süß oder bitter schmeckt, ein Geruch verlockend oder ekelerregend ist, genau dort, wo die Wahrnehmung kippt, nistet diese eigenartige Geschichte.Eine, die wiederholt behauptet, nicht von einer Familienauslöschung zu handeln.
Willkommen im Klub Tropikal.

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Appetizer Band 2 APPETIZER Band 2

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Titelseite MYSTERY

Impressum Impressum Alle Rechte vorbehalten. Copyright © dieser Ausgabe 2021 by KOVD Verlag, Herne Nachdruck und weitere Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. ISBN: 978-3-98522-037-3

Widmung Für Uta

Der Auftrag

Die Insel

Der Friedhof

Das Komitee

Der Pfauenwald

Klub Tropikal

Der Auftrag

Die Autorin

Meine literarische Zuflucht

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APPETIZER

Band 2

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MYSTERY

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Impressum

Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © dieser Ausgabe 2021 by KOVD Verlag, Herne

Nachdruck und weitere Verwendung

nur mit schriftlicher Genehmigung.

ISBN: 978-3-98522-037-3

Für Uta

Dies ist nicht die Geschichte einer Familienauslöschung. Obwohl Mutmaßungen darüber vorkommen werden, das schon. Sie kann aber nicht haupt- oder ursächlicher Bestandteil sein, weil nämlich unklar ist, ob überhaupt eine Auslöschung, eine Tragödie, ein Massaker, stattgefunden hat. Als ich ein Kind war, verwechselte ich die Wörter Moussaka und Massaker miteinander; ein drollig-morbider Fehler, der später auch meiner Tochter unterlief. Wenn Wörter derart wenig fest verankert und wankelhaft sein können, wie sollte man da Erzählungen Glauben schenken, die mündlich und in der Absicht übler Nachrede erfolgen?

Ein falsches Wort kann genügen, den Sinn zu entstellen, einen schlechten Scherz zur Lüge, die Lüge durch Wiederholung zur Wahrheit werden zu lassen. »Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist«, sagen die einen. »Kein Rauch ohne Feuer« die anderen. Rauch also.

Im Zimmer meines Vaters riecht es nach Zigarette was mir nicht unangenehm ist - фото 10

Im Zimmer meines Vaters riecht es nach Zigarette was mir nicht unangenehm ist - фото 11

Im Zimmer meines Vaters riecht es nach Zigarette, was mir nicht unangenehm ist, obwohl ich selbst nie geraucht habe. Die Tabaknote ist eine der angenehmeren Aromen im Hospiz, sie überlagert wie ein sorgloser Hauch die Gerüche des Sterbens.

»Hast du geraucht?«, frage ich, obwohl ich weiß, dass er dazu körperlich nicht mehr in der Lage sein kann. Vorbei die Zeiten eines nikotinbitteren Schnauzbarts. Blasse Erinnerung.

»Nein«, antwortet mein Vater mühsam, »der Türke raucht manchmal heimlich eine. Am Fenster.«

Er sagt Türke ohne den Einschlag von Abneigung oder den Ton alter Ressentiments. Er sagt Türke, weil er den Namen des jungen Mannes vergessen hat.

»Stört dich das? Soll ich die Leitung darüber informieren?«, frage ich in der Hoffnung, dass er ablehnt.

Mir kommt es unklug vor, jemanden zu verpetzen, der in seine Pflege involviert ist. Überhaupt versuche ich zu vermeiden, reingezogen zu werden und für ihn irgendetwas regeln zu müssen. Oder auch nur das Gefühl zu haben, ich müsste.

Ich muss nämlich nichts. Ich schulde ihm so wenig wie die anderen.

»Lass mal, hab ich dem doch erlaubt«, sagt er.

Verschwörerisch.

Kumpelhaft.

Ob meine älteren Brüder diese Seite an ihm von früher kennen? Ich jedenfalls nicht. Dafür war ich zu jung, als er ging. Trotzdem bin ich die Letzte, die noch kommt. Meine Geschwister sind »damit durch«, wie sie sagen. Mána war zwei oder dreimal da, vermutlich aus Pflichtgefühl. Oder um nicht wegen Hartherzigkeit im Angesicht des Todes später einmal den Zugang zum Himmelreich verweigert zu bekommen.

Sicher ist sicher.

Warum sollte sie am Bett sitzen und die Hand desjenigen halten, der sie vor 22 Jahren ohne ein Wort der Erklärung verlassen und nie wieder von sich hören lassen hat? Stattdessen halte ich sie – die Hand. Sie wirkt alterslos, beinahe frisch, gar nicht wie die eines klapprigen Todgeweihten. Sie suggeriert pralle Lebendigkeit und als ob alles gut werden könnte, ist aber lediglich Ergebnis der Infusionen, die pausenlos in ihm versickern. Ich wünschte, wenigstens meine Hand wäre warm. Ist sie aber nicht. Zwei kalte Hände liegen ineinander.

»Tust du mir einen Gefallen, Agápi mou? Du bist die Einzige, die ich bitten kann.« Weil wir nicht im mindesten miteinander vertraut sind, missfällt es mir, auf diese Weise von ihm angesprochen zu werden. Er bemerkt es nicht.

»Erfüllst du deinem Vater einen letzten Wunsch?«

Obwohl es mir widerstrebt, nicke ich. Alles kann ich dir versprechen, das Blaue vom Himmel lügen und mich später nicht daran halten, denke ich. Damit er, egal was war, in Frieden gehen kann.

»Um was geht es, ---?«

Meine Frage endet unbeabsichtigt in einem Loch, einer nicht ausgesprochenen Anrede, die deutlich in der Luft hängt. --- Vater, Papa, gar Babás?

Unmöglich!

Keine Ahnung, ob es ihm auffällt oder nicht. Er sammelt seine letzten Worte. Dieses Leben endet nicht mit einer Beichte, Entschuldigungen, Beteuerungen oder der Bitte um Vergebung, sondern mit einem klaren Auftrag.

Später kommt ein Pfleger, der Türke, wie ich vermute. Ich würde gern mit ihm eine Zigarette rauchen, traue mich aber nicht zu fragen.

Nur dieses eine Mal, nur diese eine. Die Gelegenheit verstreicht ungenutzt.

»Wenn Sie kurz rausgehen, richte ich Ihren Vater etwas her«, sagt er. »Dann können Sie in Ruhe Abschied nehmen.«

Ich stehe auf.

»Wann wird Ihre Familie hier sein?«

Ich sehe, dass er zwischen Anteilnahme und den Routinen der Hospizregeln schwankt. Pietät hin oder her, hier wird ein Platz frei.

»Machen Sie sich keine unnötige Mühe. Es wird niemand kommen«, sage ich und greife nach Jacke und Tasche.

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