Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-949-9
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Roy Palmer
In Masquat geht das Grauen um – im Dunkeln lauert ein Mörder
Lamia, die Haremsdame, war das, was man als eine orientalische Schönheit bezeichnete – dunkelhaarig, hübsch, mit großen braunen Augen, üppig, sanft. Sie war eine der Lieblingsfrauen des Sultans Quabus bin Said, und sie war stolz darauf .
Silbriges Mondlicht erhellte den Hügel, auf dessen Kuppe der Palast errichtet war. Durch ein vergittertes Fenster blickte Lamia auf den Hafen von Masquat hinunter. Sie seufzte. Dann wandte sie sich dem großen Spiegel in ihrem Gemach zu und begann sich zu entkleiden. Sie bereitete sich auf die Liebesnacht mit ihrem Herrn vor .
Plötzlich war ein großer Schatten hinter ihr. Lamia fuhr herum und schrie auf. Eine Hand preßte sich auf ihren Mund. Sie sah noch einen Dolch in der Hand des vermummten Fremden aufblitzen, war aber nicht mehr fähig, sich zur Wehr zu setzen .
Mehrfach stach der Eindringling zu. Lamia spürte Flammenschwerter in ihrem Leib. Sie sank zu Boden und fühlte nichts mehr, weder Angst noch Schmerz .
Die Hauptpersonen des Romans:
Quabus bin Said– Der Sultan von Masquat bangt um seinen Harem, denn dort geht ein unheimlicher Mörder um.
Silvestro Moravia– Der Portugiese will den Markt der Hafenstadt beherrschen und schreckt vor keinem Mittel zurück.
Philip Hasard Killigrew– Während er an Land einen Mörder jagt, wird sein Schiff auf der Reede angegriffen.
Der Kutscher– Zusammen mit Mac Pellew begibt er sich in den Palast des Sultans, um seine Künste als Feldscher unter Beweis zu stellen.
Edwin Carberry– Der Profos hat den Auftrag, Proviant einzukaufen, muß aber statt dessen die Fäuste fliegen lassen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Auf dem Basar von Masquat ging es schon am frühen Morgen rege zu. Es war nicht leicht, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen. Turbanträger palaverten und handelten, Verkäufer priesen ihre Ware lautstark an, Musikanten spielten auf einem Podium – die Männerwelt war in einem Chaos aus Farben und Geräuschen unter sich.
In den alten Gemäuern der Kasbah tauchte hin und wieder das verschleierte Gesicht einer Frau hinter einem winzigen Fenster auf, verschwand aber sogleich wieder, wenn sich der Blick eines Passanten auf sie richtete.
Edwin Carberry, der mit einem siebenköpfigen „Stoßtrupp“ der „Santa Barbara“ in den engen Gassen unterwegs war, ließ sich von dem Getümmel nicht beeindrucken.
Er hatte einen Auftrag, und diesen Auftrag gedachte er strikt und rigoros auszuführen. Großeinkauf – der Kutscher hatte eine Liste angefertigt, auf der vom Maismehl bis zu geschlachteten Hühnern so gut wie alles aufgeführt war, was das Herz der Mannen begehrte.
Nur Wein, Bier und Schnaps hatte der Kutscher nicht mit aufgeschrieben. Diese Flüssigware galt im Reich der Muselmanen als „Teufelszeug“ und war deshalb durch die Gesetze des Korans verboten. Aber immerhin – der Seewolf und seine Mannen hatten davon noch genügend Vorräte an Bord.
Beim Einkauf ging es in erster Linie darum, wieder frische Lebensmittel in den Proviantlasten der Galeone zu verstauen. Aus diesem Grund hatte der Seewolf Masquat angelaufen und war im Hafen vor Anker gegangen. Dies war im Morgengrauen geschehen. Jetzt, um sechs Uhr, bewegte sich der Trupp durch die Kasbah.
Die Mannen – außer dem Profos waren Mac Pellew als „Kombüsenexperte“, Matt Davies, Higgy, Jack Finnegan, Paddy Rogers, Don Juan de Alcazar und Stenmark mit von der Partie – hielten aufmerksam nach geeigneten Marktständen oder Läden Ausschau, in denen die begehrten Güter angepriesen wurden.
Arwenack, der Schimpanse, und Sir John, der karmesinrote Aracanga, begleiteten die acht Männer. Sir John hockte auf Carberrys mächtiger Schulter – neugierig wie immer. Arwenack trottete neben Higgy her und griff hin und wieder nach dessen Hand.
Die beiden verstanden sich ausgezeichnet, was wiederum oft zu Witzeleien Anlaß gab. Higgy trug es mit Gelassenheit. Nichts konnte sein irisches Gemüt erschüttern, auch der seltsame Humor eines Edwin Carberry nicht.
Die Männer stiegen Treppen hoch und begaben sich in den etwas höher gelegenen Teil der Kasbah. Immer wieder blieb Carberry stehen, warf Blicke auf die Liste und kratzte sich an seinem Rammkinn.
„Maismehl“, sagte er gedehnt. „Weiß der Henker, wo wir das kriegen.
Matt stieß einen leisen Fluch aus, weil er um ein Haar über die ausgestreckten Beine eines an einer Hauswand hockenden Bettlers gestolpert wäre.
„Wie wär’s, wenn wir erst mal einen zur Brust nehmen?“ fragte er mit verdrossener Miene. „Hier ist es im Monat März schon verdammt heiß, finde ich. Und die Zunge klebt mir am Gaumen fest.“
Der Profos drehte sich gemächlich zu ihm um. „Du hast wohl schon wieder vergessen, daß in arabischen Ländern nicht gesoffen wird, was, Mister Davies? Wie?“
„Ja, zur Hölle, das habe ich.“
„Dann schreib es dir hinter deine Segelohren.“
„Aye, Sir.“
„Außerdem sind wir im Dienst“, sagte Carberry. „Und im Dienst wird, nicht gesoffen.“
Mac Pellew trat vor den Profos hin. „Warum fragen wir nicht einfach jemanden, wo wir unsere Sachen kriegen, statt wie die Idioten durch die Gegend zu laufen?“
Carberry deutete auf einen bis auf die Knochen abgemagerten Araber, der sich an ihm vorbeidrücken wollte. „Frag ihn.“
„Wo erhalten wir hier frischen Proviant?“ erkundigte sich Mac bei dem Kerl, der sofort ein leutseliges Grinsen aufsetzte.
„Yallah, Yallah“, antwortete der Kerl, dann verschwand er.
„Frag noch ein paar Leute“, sagte der Profos. „Irgendwann triffst du bestimmt einen, der Englisch kann.“
„Wir hätten doch die Zwillinge mitnehmen sollen“, sagte Stenmark. „Die hätten sich verständigen können.“
„Wir haben sie aber nicht dabei“, sagte Carberry. „Außerdem wird hier nicht Türkisch gesprochen, sondern arabischer Dialekt oder so was. Im übrigen kommen wir auch allein zurecht. Also, Mac, wir gehen dann schon mal weiter.“ Er schaute zu Higgy und Arwenack. „Los, setzt eure Affenärsche wieder in Bewegung.“
Der Trupp marschierte weiter. Mac Pellew murmelte eine Verwünschung und schloß sich den Kameraden wieder an. Was blieb ihm anderes übrig? Hier konnte gewiß keiner Englisch. Überhaupt, nirgends war auch nur ein Mensch zu entdecken, der annähernd wie ein Europäer wirkte. Seltsam. Gab es hier nicht einmal Spanier, Portugiesen oder Franzosen?
Carberry betrachtete ein paar Stände, vor denen sich schnatternde Araber stritten.
„Mist, hier gibt es nur Klamotten“, sagte er vernehmlich.
Die Araber verstummten und blickten ihn nachdenklich und mißtrauisch an. Dann nahmen sie ihr Palaver wieder auf.
Plötzlich trat aus einem schmalen, dunklen Gang ein feister kleiner Mann auf den Trupp zu. Er trug ein angeschmutztes weißes Gewand und einen grünen Turban. Er lächelte und verneigte sich.
„Sidi“, sagte er zu Carberry. „Du Spanien? Portugal?“
„Nein, England“, knurrte der Profos.
„Schade“, flüsterte der Mann auf Portugiesisch. „Du nicht verstehen. Ich weg.“
„Ich doch verstehen“, entgegnete Carberry. „Ich kann Spanisch.“
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