Und ebenfalls zum ersten Male in seinem Leben hatte er in einer einfachen Strandhütte tief und traumlos geschlafen und nicht einmal das Lotterbettchen aus seinem ränkevollen Luxusdasein vermißt.
Don Antonio war heilfroh, daß man ihm nicht den Strick um den fetten Hals gelegt hatte. Der Begriff der Dankbarkeit war ihm noch fremd, aber da gab es ein kaum definierbares Gefühl in ihm, das er sich selbst nicht erklären konnte.
Er legte Bretter auf einen Stapel und schob Holzklötze darunter. Warum er dauernd Holzklötze auf die Bretter legen mußte, verstand er nicht ganz. Vielleicht sollten die Bretter belüftet werden, damit sie nicht modrig wurden oder verschimmelten. Immerhin machte er sich aber schon Gedanken darüber. Früher wäre ihm das nie im Traum eingefallen. Für so dreckige Arbeiten waren schließlich andere da.
Etwas später zog er sein Hemd wieder an. Die Sonne brannte heiß herab. Er spürte, wie es an seinem Körper zu prickeln begann. Er konnte sich an die heiße Sonnenstrahlung noch nicht gewöhnen.
Wenn es früher zu heiß gewesen war, dann hatte er sich in die Kühle seiner Residenz geflüchtet und sich von den Bediensteten mit einem Fächer frische Luft zuwedeln lassen.
Er seufzte ein bißchen, der Dicke, und wischte sich erschöpft den Schweiß aus dem Gesicht.
Seine Träume waren zerronnen, von seinem Luxus und seiner Macht war nichts geblieben – der Reichtum war weg. Jetzt hatten die Kerle auch noch sein Schatzversteck in Batabanó gefunden.
Als Don Antonio bei seiner leichten Arbeit einmal hochsah, um für Augenblicke zu verschnaufen, schrak er heftig zusammen. Fast geriet er beim Anblick des Mannes in Panik. Er duckte sich hastig und ging sofort hinter dem Bretterstapel in Deckung, denn wenn dieser Mann erschien, hatte Don Antonio ständig das Gefühl, ein wildgewordenes Raubtier trete auf.
Durch die Bretterritzen beobachtete er schluckend und vor Angst schwitzend das seltsame Monstrum.
Der Mann war trotz dieser Affenhitze in dichte graue Felle gekleidet und trug Riemensandalen. Ein riesiger breiter Ledergürtel war um seine Hüften geschlungen. In diesem Ledergürtel steckte ein langes Schwert, das der Kerl handhabte, als sei es nur ein lächerlicher kleiner Piekser. Auf seinen gewaltigen Schädel war ein ebenso gewaltiger Kupferhelm gestülpt, der in der Sonne funkelte. Dazu trug dieses Monstrum von Kerl einen gewaltigen rötlichgrauen Bart.
Der Wikinger Thorfin Njal kam näher. Er wollte nur ein paar neue Bretter holen, aber Don Antonio dachte, der Kerl erschien jetzt, um ihm den Kopf abzureißen. Er hatte Angst vor den schauderhaften Flüchen des nordischen Riesen. Außerdem hatte der Kerl als einziger dafür gestimmt, daß man ihm, Don Antonio, den Hals langziehen sollte. Der Gigant hätte ihn bedenkenlos aufgehängt und an der Rah seines schwarzen Schiffes austrocknen lassen.
Thorfin hatte längst bemerkt, daß der Dicke voller Angst und Panik unter dem Bretterstoß in Deckung gegangen war. Er hockte zwischen zwei Holzstößen wie ein eingeklemmter Pudding und rührte sich nicht Thorfin war immer noch „leicht verstimmt“, wie er das nannte, weil man den Halunken nicht aufgehängt hatte. Seine leichte Verstimmung hatte er daher in gräßlichen und lauten Flüchen abgelassen, wie es seiner polternden und grimmigen Art entsprach.
Jetzt lauerte er ein wenig boshaft darauf, dem Fettwanst eins auszuwischen, und wartete auf eine günstige Gelegenheit.
Thorfins Mentalität war anders als die der meisten Männer vom Bund der Korsaren. Er sah partout nicht ein, daß dieser Fettsack von einem korrupten Exgouverneur hier sein Leben fristen sollte. Der Halunke hatte die ganze Welt betrogen, er hatte gemordet, geraubt, intrigiert und seine Macht bedenkenlos ausgenutzt.
Nach Thorfins Ansicht gehörte er dafür an die Rah, eine andere Alternative gab es nicht. Denn wer einmal an der Rah hing, der würde nie wieder morden, klauen und betrügen.
Thorfin hockte sich gehässigerweise so auf den Bretterstapel, daß Don Antonio noch mehr eingeklemmt wurde. Unter seinem Gewicht bogen sich die Bretter weit nach unten durch. Dann reckte er seinen gewaltigen Brustkasten und gähnte laut.
„Gutes, stabiles Holz“, brummte Thorfin, stand ein paarmal auf und setzte sich wieder, was bewirkte, daß Don Antonio wie ein weicher Apfel in der Mostpresse gequetscht wurde.
Der Dicke gab keinen Laut von sich. Klaglos ertrug er die Belastung, obwohl er fast erstickte.
Der Wikinger ließ sich Zeit. Er strich über den gewaltigen Bart und blickte in die Runde. Viele Hütten standen jetzt am Ufer, der Steg war auch bald fertig. Auf Great Abaco hatte sich innerhalb der kurzen Zeit eine ganze Menge geändert.
Nach einer Weile stand er auf. Wie unbeabsichtigt hatte er ein Entermesser auf die Bretter gelegt. Klar, das ist schon ein bißchen boshaft oder hinterhältig, dachte er grinsend, aber er wollte nur mal sehen, ob der Dicke das Messer klaute und heimlich verschwinden ließ. Dann würde er ihm den Saft aus den Knochen pressen. Das nahm er sich ernsthaft vor.
Er gab dem Messer noch einen kleinen Stoß, bis es dicht neben dem Bretterstapel in den Sand fiel.
Gerade als er aufgestanden war, um zu Hesekiel hinüberzugehen, fegte die Wolfshündin Plymmie über den Strand. Dicht vor dem Bretterstapel blieb sie stehen. Ihre Haare richteten sich auf, dann knurrte sie bedrohlich. Schließlich verbellte sie die Stelle, wo der Dicke lag und vor Entsetzen wie gelähmt war.
„Hilfe!“ schrie er schwach und ängstlich. „Hiiilfe!“
„Sieh an“, sagte der Wikinger, „da liegt ja ein Pudding. Was hat das denn zu bedeuten?“
Der Dicke kroch zitternd hervor und rang die Hände. Entsetzt sah er auf die zähnefletschende Hündin, dann zu dem Wikinger, der ihn finster und böse anstarrte. Im Augenblick wußte er nicht, vor wem er mehr Angst hatte, vor dem scharfen Hundegebiß oder den finsteren Blicken des gewaltigen Nordmannes.
„Was tust du da, du aufgeblasener Torfstecher? Spionierst du hier etwa herum?“
Don Antonio rang in seiner Angst und Verzweiflung wieder die dicken Hände.
„Nein, Sir“, jammerte er, „ich arbeite hier, wenn Sie gestatten, Sir.“
„Arbeiten?“ fragte Thorfin. „Das nennst du arbeiten? Unter einem Bretterstapel hocken und schnarchen, was! Da soll dir doch gleich Thors Hammer ins Kreuz fliegen. Oder hast du dich versteckt, um heimlich abzuhauen?“
„Nein, Sir, das würde ich nie tun.“
„Kannst du auch nicht“, sagte Thorfin böse. „Doch du kannst es gern mal versuchen. Aber vorher mußt du deinen Schutzengel frisch kalfatern, verstanden?“
„Ja, Sir.“
Der Dicke wußte zwar nicht wie ein Schutzengel kalfatert wurde, aber er sagte zu allem Ja und Amen, um diesen wilden Kerl nicht unnötig zu reizen.
„Ich war eingeklemmt, Sir, als Sie sich auf den Stapel setzten“, fügte er mit kläglicher Stimme hinzu.
„Eingeklemmt!“ sagte der Wikinger verächtlich. „Du hättest früher nicht soviel fressen sollen, du Sumpfhahn. Ich hätte dich lieber ein bißchen an die Rah geklemmt, dann hättest du dir deine Wampe abstrampeln können. Und nun scher dich wieder an die Arbeit, sonst hebe ich den ganzen Bretterstapel hoch und schlage ihn dir um die Ohren.“
Der Dicke atmete erleichtert auf, als ihn der Riesenkerl ohne ein weiteres Wort den Rücken zuwandte und über den Strand latschte.
Er begann jetzt noch eifriger Bretter aufzusetzen. Nicht einen Augenblick hielt er mit der Arbeit inne, solange der nordische Riese noch in seinem Blickfeld war.
Etwas später fand er das im Sand liegende Messer. Erst starrte er es eine Weile unschlüssig an, dann hob er es zögernd auf und legte es gut sichtbar auf die oberen Bretter. Das Messer bereitete ihm großes Unbehagen. Vielleicht hatte es der Mann mit dem Helm verloren, und wenn er es suchte und bei ihm fand, dann hatte das mit Sicherheit recht üble Folgen. Natürlich würde der Kerl ihm unterstellen, das Messer geklaut zu haben.
Читать дальше