Tucker registrierte anerkennend, daß die Holländer noch mehr schufteten als die Seewölfe. Unter ihnen gab es keine Drückeberger oder Leute, die nur so taten, als würden sie arbeiten.
Etwas später folgten Big Old Shane, der Gambianeger Batuti, Smoky, der Profos, Gary Andrews und ein paar andere.
Danach begann unverzüglich die Arbeit.
An Bord wurde pausenlos gehämmert, geklopft, gesägt und zugeschnitten, und zusehends veränderte sich das Deck, wurden neue Planken eingepaßt und befestigt, während ein anderer Trupp unverzüglich mit dem Kalfatern begann.
Einmal wandte sich der schwitzende Bootsmann De Haas mit ungläubigem Blick an den Seewolf.
„Ich habe einen sehr guten Zimmermann, Sir“, sagte er, „aber dieser rothaarige Mann ist ein Könner, der übertrifft alle Zimmerleute, die ich kenne, bei weitem. Und das will, godverdomme, Sir, schon etwas heißen. Der Mann mustert nicht zufällig bei Ihnen ab, Sir?“ fragte der Bootsmann lachend.
„Zufällig nicht“, sagte Hasard. „Aber Sie können ihn ruhig selbst danach fragen.“
„Wer bei Lobo del Mar fährt, müßte direkt verrückt sein, wenn er abmustert, Sir. Es gibt gleich etwas zu essen. Proviant hat uns dieser verrückte Pirat gelassen.“
Es gab Plum und Klüten, in großen Kummen an Deck serviert. Bei den Holländern war es beliebt, es bestand aus getrockneten Pflaumen und kleinen Klößen aus Mehlteig. Die Männer waren jetzt ausgehungert und hauten rein. Sie aßen, wie sie arbeiteten – schnell und viel, und sie ließen sich nicht lange bitten.
Am Nachmittag stand der Besan, einschließlich der Takelung. Die meisten Löcher im Deck gab es nicht mehr, und ein anderer Trupp nahm sich den Laderaum vor und klarte auf.
Zwischendurch ließ der holländische Bootsmann den Seewölfen und seinen eigenen Leuten ein scharfes Gebräu aus klarem Schnaps bringen, das mit Zitrone vermischt war.
Danach wurden die Arbeiten bis zum späten Abend fortgesetzt. Lange nach Dunkelheit kehrte Ruhe auf dem Schiff ein, und die Seewölfe gingen müde an Bord zurück.
Gegen Mittag des anderen Tages stand auch der zweite Mast nach endloser Schufterei.
Hasard wehrte den Dank des Holländers ab, der immer wieder bedauerte, ihn nicht bezahlen zu können.
„Ich verlange keine Bezahlung, Minheer De Haas“, erklärte der Seewolf ruhig. „Was wir getan haben, geschah nicht selbstlos, Sie haben uns gewarnt, und wir revanchierten uns dafür. Ihr Schiff ist wieder in Ordnung, Sie können segeln, wohin Sie wollen, und mit etwas Glück sehen Sie auch Ihren Kapitän und den Bestmann wieder, wenn dieser Größenwahnsinnige sie noch nicht gehängt hat. Das werden wir jedoch bald feststellen. Eine Frage noch: Haben Sie schon mal gehört, daß El Corsario auch spanische Kriegsschiffe ausgeplündert oder überfallen hat?“
„Nein, das traut er sich nicht, wahrscheinlich aus Angst, sie würden ihn mit einer ganzen Flotte ausräuchern. Spanische Handelsfahrer überfällt er, jedenfalls kassiert er seinen Anteil an der Fracht, aber Kriegsschiffe …“
Er sah den Seewolf verwegen lachen und rieb sich nachdenklich das Kinn, das von Stoppeln übersät war.
„Sie haben etwas vor, Sir“, sagte er. „Habe ich recht?“
„Allerdings, wir werden in die Höhle des Löwen segeln, und wenn Sie Ihren Kapitän wiederhaben wollen, dann rate ich Ihnen, in dieselbe Richtung zu segeln, allerdings erst in ein paar Tagen.“
„Sie schaffen das nicht, Sir“, warnte der Bootsmann eindringlich. „Es täte mir leid um Sie, ich würde das sehr bedauern, denn ich kann Ihnen keine große Hilfe anbieten.“
„Ich denke doch, daß es zu schaffen ist, Bootsmann. Wir werden heute nacht ankerauf gehen und auslaufen. Zuvor bitte ich Sie, mir noch eine genaue Beschreibung und alle Einzelheiten mitzuteilen.“
Die erneute Warnung des Holländers schlug Hasard lachend in den Wind. Er hatte sich vorgenommen, El Corsario einen Denkzettel zu verpassen, und daran hielt er sich. Zudem Spielte bei ihm der Gedanke mit, die dort angehäuften Schätze des Piraten könnten zur Bereicherung der englischen Krone beitragen und ihren eigenen Anteil entsprechend erhöhen. Wenn er dem Kerl das abnahm, was er den anderen gestohlen hatte, war das nur recht und billig.
„Wollen Sie von mir noch ein paar Leute haben?“ fragte der Bootsmann. „Ich kann Ihnen die Hälfte der Männer mitgeben oder zwei Drittel, wenn Sie das wünschen.“
Hasard schüttelte den Kopf.
„Ihre Leute sind fast alle blond“, sagte er, „nein, das ist gut gemeint, aber es geht nicht.“
De Haas sah den Seewolf an, öffnete den Mund und verstand im übrigen kein Wort.
„Was hat das mit der Haarfarbe zu tun, Sir?“ fragte er.
„Sehr viel, Bootsmann. Ich werde es Ihnen gelegentlich erklären. Wundern Sie sich nicht, wenn bei uns an Deck plötzlich Spanier erscheinen sollten.“
Der Bootsmann war nicht gerade begriffsstutzig. aber dennoch brauchte er eine Weile angestrengten Nachdenkens, bis sich sein breitflächiges Gesicht erhellte.
„Ich verstehe“, stieß er erregt hervor. „Sie wollen ihn mit den eigenen Waffen schlagen.“
„Überlisten“, verbesserte Hasard.
„Aber – aber, wie steht es mit der Sprache?“
„Oh, die meisten oder jedenfalls ein großer Teil meiner Besatzung spricht perfekt Spanisch. Und viele sind dunkelhaarig. So haben wir schon manches Problem gemeistert.“
Der Holländer sah ihn an, respektvoll und nachdenklich. Ja, dieser Mann hatte das Zeug dazu, mit einem Kerl wie El Corsario fertig zu werden. Daran zweifelte er keinen Augenblick mehr. Der Seewolf war ein harter unbeugsamer Bursche, der zu kämpfen verstand, dem nahm keiner den Wind aus den Segeln.
Und wenn er sich die Männer betrachtete, verstärkte das seine Zuversicht nur noch. Das waren eiserne Burschen, Kerle aus Granit, die nicht lange fakkelten.
Kein Wunder, dachte er weiter, daß diese Burschen überall gefürchtet waren, und doch hatten sie sich um ihn und das Boot gekümmert und in unglaublich kurzer Zeit unter der Leitung des rothaarigen Riesen das Schiff in Ordnung gebracht.
Der Holländer wußte wirklich nicht, wie er seinen Dank abstatten sollte, und so streckte er dem Seewolf stumm die Hand hin.
Etwas später kehrten die Seewölfe an Bord zurück. Hasard besprach sich mit seinem Bootsmann, dem untersetzten Ben Brighton.
„Hast du inzwischen nachgesehen, was wir an spanischen Uniformen noch an Bord haben?“
„Mehr als genug“, versicherte Ben. „Wir haben den Spaniern so viel abgeknöpft, daß wir fast eine kleine Armee damit ausrüsten können. Alles ist da, von den Helmen bis zu den Waffen, einige Kerle müssen nur noch künstlich etwas nachgedunkelt werden.“
„Das wird der Kutscher noch heute besorgen. Kurz vor Tagesanbruch laufen wir aus, und unterwegs werden wir noch eine kleine Übung abhalten, damit es keine Pannen gibt. Es muß alles wie am Schnürchen laufen. Du steigst in die Rolle des ersten Offiziers und gibst dich so arrogant und herablassend wie nur möglich. Jeder andere erhält seine Rolle unterwegs auf See genau zugewiesen. Laß jetzt den Kutscher antreten und alle die Männer, die blonde Haare haben. Wir werden uns gründlich verwandeln.“
Ziemlich fertig und erschöpft traten die Seewölfe etwas später auf dem Deck an, aber als sie hörten, um was es ging, begannen die ersten zu grinsen und sich die Hände zu reiben. Das war wieder mal so ganz nach ihrem Geschmack, besonders Carberry freute sich diebisch.
„Das wird ein Fest“, verkündete er und schlug sich auf die Schenkel, grinste und blickte wild um sich. „Das einzige was mir dabei nicht gefällt, ist die stinkige Salbe, die der Kutscher hat, aber die müssen wir wohl in Kauf nehmen, wenn alles so echt wie nur möglich aussehen soll.“
„Unterhaltungen werden nur noch in Spanisch geführt“, sagte der Seewolf. „Nach dem Auslaufen drehen wir in Richtung See ab, etwa sechs Meilen Küstenentfernung, bis wir diesen kreuzenden Kahn entdecken, das Auge El Corsarios. Dieses Auge werden wir blenden, es geht sofort voll drauf, sobald die Kerle Anstalten unternehmen, uns auf den Pelz zu rücken. Es wird erbarmungslos gefeuert. Wir führen ab sofort die spanische Flagge und segeln im Auftrag seiner Allerkatholischsten Majestät, unseres lieben Philipp. Wer Fragen hat, kann sie jetzt stellen! Alles weitere wird noch geübt, sobald wir unterwegs sind.“
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