Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-903-1
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Sie setzten sich auf der Insel fest – und dann planten sie einen Kreuzzug
Es waren Mel Ferrow und Roger Lutz aus der Crew Jean Ribaults, die den fanatisierten Anhängern des Jeremiah Josias Webster in die Hände fielen, als sie die abgeschirmte Bucht an der Südküste von New Providence erkundeten. Webster nahm die beiden Männer als Geiseln und drohte, sie zu erschießen oder aufzuhängen. Da mußte Jean Ribault wohl oder übel mit der „Golden Hen“ abziehen, aber er würde seine beiden Männer nicht im Stich lassen. Indessen plante der üble Webster bereits, ein „Gottesurteil“ über die beiden Geiseln zu verhängen, ein schauriges Spektakel zum Ergötzen seiner „Gemeinde“. Die beiden Männer sollten gegen den Riesenhai in der Bucht kämpfen. Nur kannte Webster eben nicht den Haifisch-Töter Mel Ferrow, der selbst zum Angriff überging …
Die Hauptpersonen des Romans:
Jeremiah Josias Webster– der erhabene Großmeister begeht einen kaltblütigen Mord und legt sich dann schlafen.
Harris– der ehemalige Schreiberling ist seinem Herrn hündisch ergeben.
Jessica Baker– hat etwas dagegen, die Stammutter eines neuen Geschlechts zu werden.
Philip Hasard Killigrew– sein Plan, den Großmeister auszuschalten, wird einstimmig angenommen.
Jean Ribault– mit ein paar harten Kämpfern bricht er auf, um Hasards Plan zu verwirklichen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
24. Juni 1595 – Südküste von New-Providence.
Dem religiösen Scharlatan Jeremiah Josias Webster standen immer noch die Haare zu Berge, denn die eben abgelaufene Szene stand allzu deutlich vor seinem geistigen Auge.
Der Großmeister oder Erhabene, wie Webster sich von seinen ebenfalls fanatischen Anhängern anreden ließ, hatte ein Gottesurteil gefällt. Dieses sogenannte Gottesurteil war nichts als eine einzige Farce gewesen. Aber das ahnten die fanatisierten Gläubigen nicht. Sie vertrauten Webster blindlings und völlig ergeben.
Webster war ein stiernackiger und grobschlächtiger Mann mit hellen, fanatisch funkelnden Augen und einer groben Hauklotzvisage.
In England war er als Wanderprediger herumgezogen, als eifernder Anhänger des Puritanismus kalvinistischer Prägung. Er hatte sich in einen religiösen Wahn gesteigert und versinnbildlichte die Figur des eifernden und rachsüchtigen Jehova im Alten Testament.
Rachsüchtig war er – und von barbarischer Gewalttätigkeit, wenn es um seine Vorteile ging. Der Herr hatte ihn „auserwählt“, das „Flammenschwert Gottes“ zu sein, das solche Übel wie Trunksucht, Völlerei und Hurerei an der Wurzel ausrotten sollte.
Jeremiah Webster tat das gründlich, obwohl er persönlich keineswegs abgeneigt war, diesen Gelüsten nach Kräften zu frönen.
Augenblicklich stand er allerdings noch immer unter dem Eindruck der Szene, die sich in der Bucht abgespielt hatte.
Er hatte seine beiden Gefangenen, Mel Ferrow und Roger Lutz, einem riesigen, sich in der Bucht herumtreibenden Hai zum Fraß vorwerfen lassen. Aber das „Gottesurteil“ war in die Hose gegangen. Die beiden Männer von Jean Ribault hatten das riesige Biest in einem Duell unter Wasser mit ihren Messern getötet.
Jetzt trieb der „Wächter von Jerusalem“, wie Webster den Hai genannt hatte, kieloben in der Bucht. Das Wasser hatte sich erst blutrot, dann rosa verfärbt. Der riesige Hai sah wie ein gestrandetes Schiff aus. Sein nach oben gekehrter Unterleib war zerfetzt von den Messern. Die Blutlache breitete sich immer weiter nach allen Richtungen aus.
Ein paar hundert Leute sahen erschauernd zu – fanatische Anhänger von Webster, die genauso entsetzt waren wie der Großmeister selbst.
Der „Wächter von Jerusalem“ war tot! Die beiden Nattern vom Natterngezücht auf Great Abaco hatten den Hai entgegen aller Erwartungen abgestochen und waren einfach getürmt. Die Musketenschüsse, die man ihnen nachgeschickt hatte, waren ebenfalls wirkungslos verpufft.
Nach und nach wurde sich der Großmeister des ganzen Ausmaßes der Pleite bewußt. Es war die dritte Niederlage, die er durch den Bund der Korsaren erfahren mußte.
Ausgerechnet Edwin Carberry war der Großmeister in die Hände gefallen – und der Profos schlug eine gewaltige Kelle. Dementsprechend sah Webster auch immer noch aus. Jetzt fehlte ihm der obere Schneidezahn, seine Nase war etwas verschoben, und die Klüsen brachte er nur sehr mühsam auf. Sie schillerten noch in allen Farben. Kurzum: Die Hauklotzvisage war lädiert und verbeult.
Das war die zweite Dresche gewesen, die sie bezogen hatten. Und die dritte Pleite hatte sie gerade eben erlebt.
Neben Webster stand mit verkniffenem Gesicht ein Mann namens Harris, bigott bis in die Knochen und dem Großmeister in hündischer Ergebenheit zugetan.
Harris war Junggeselle und vor der Ausreise aus England Schreiber in einer winzigen Gemeinde westlich von Plymouth gewesen. Er war ein schulmeisterlicher und pedantischer Mensch, mit dem Dünkel, zu Höherem geboren zu sein. Der Großmeister hatte ihn zu seinem Stellvertreter und Adjutanten ernannt.
Harris hatte zwar nicht die Führungsqualitäten des Großmeisters, aber er fühlte sich ständig zu allem „berufen“.
Jetzt fühlte er sich dazu berufen, einen Kommentar abzugeben.
„Das ist ja furchtbar“, hauchte er entsetzt. „Wie haben diese Nattern es nur geschafft, den Wächter von Jerusalem zu töten, Großmeister?“
Mit dem Messer, du Idiot, wollte der Großmeister erwidern, aber das verkniff er sich gerade noch, denn die Antwort wäre in Anwesenheit der vielen anderen Gläubigen reichlich unpassend gewesen.
„Der Herr hat es so gewollt“, sagte Webster salbungsvoll. „Ihm hat es gefallen, uns erneut einer Prüfung zu unterziehen. Wir, die wir hier die Burg Jerusalem zu errichten gedenken, werden besonders hart geprüft und geläutert, bis das Werk vollendet und Gott wohlgefällig ist.“
„Sehr wohl, Großmeister“, hauchte der schmächtige Harris, wobei er Webster einen ehrfurchtsvollen Blick zuwarf. Natürlich, so war es, eine Prüfung, wie konnte es auch anders sein! Schließlich waren sie in diese Neue Welt gesegelt um einen „Kreuzzug“ gegen Wilde, Heiden, Andersgläubige und das Natterngezücht auf Great Abaco durchzuführen. Da war es nur verständlich, daß der Herr in seiner grenzenlosen Güte sie auch vor harte Proben stellte.
Den Großmeister hatte der Herr ganz besonders hart geprüft, denn der stand ihm sozusagen auch am nächsten. Das Gesicht des Erhabenen drückte diese harte Prüfung noch in schillernden Farben aus. Darüber schien der Großmeister auch recht unglücklich zu sein. Aber er war ein frommer Mann, und als solcher ertrug er die Leiden klaglos, wie sich das für ihn geziemte. Seit der letzten „Prüfung“ die in Gestalt eines narbengesichtigen Kerls mit einem gewaltigen Amboßkinn über ihn hereingefallen war, lispelte der Erhabene auch. Das rührte daher, daß ihm oben ein Schneidezahn fehlte.
„Laßt uns Gott wohlgefällig sein und ihm zu Ehren einen Choral anstimmen!“ rief der Großmeister seinen Schäfchen zu, die immer noch voller Entsetzen auf den treibenden Riesenhai in der Bucht blickten.
So ein Choral, besonders lautstark gesungen, half Webster oft über peinliche und schmachvolle Situationen hinweg. Es lenkte auch vom eigentlichen Geschehen ab.
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